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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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Pistole gegen sie gezogen und gegen die Offiziere aufrührerische Reden geführt.
Dies hatte den Präsidenten wieder mißtrauisch gemacht und gegen die Fremden
gereizt und der Secretär theilte mit lebhaften Ausdrücken des Bedauerns als
letzten Beschluß Sr. Excellenz mit, daß die Amerikaner außerhalb seiner Vor¬
posten bis Huancavetica (halbwegs zwischen Ayacucho und Lima) zurückgehen
und dort erst die von dem amerikanischen Gesandten in Lima auszustellenden
Papiere erwarten sollten. Ein abermaliger Versuch, den Präsidenten anzureden,
als er wieder durch das Zimmer ging, blieb ohne allen Erfolg und er gab
nur in barschem Tone zur Antwort: "ich habe meinen Willen schon mitgetheilt,
ich kann nicht bei weiterem Vorrücken bewaffnete Leute in meinem Rücken
lassen" -- eine Bemerkung, deren strategische Richtigkeit gar nicht in Zweifel
gezogen werden kann, wenn man bedenkt, welches Unheil ein Armeecorps
von 20 bewaffneten Nordamerikanern im Rücken des Befreiungsheeres anrich¬
ten konnte! Alle Bemühungen, noch eine Unterredung zu erlangen, waren
von nun an umsonst, obgleich der Abgeordnete bis Abends neun Uhr nicht aus
dem Vorzimmer wich ; es gelang ihm nicht einmal die Offiziere und den Bischof,
um deren Fürsprache er sich bewarb, für sich zu gewinnen und es wurde ihm
sogar schwer, sich bei ihnen Gehör zu verschaffen, denn die ungnädige Stim¬
mung des Präsidenten wirkte alsbald auf seine Umgebung zurück. Todtmüde
mußte sich endlich der Abgeordnete entschließen, seinen Posten zu räumen, wen¬
dete sich aber erst noch einmal an den Secretär, der von Haus aus für die
Unternehmung der Amerikaner sehr viel Theilnahme an den Tag gelegt hatte,
mit der Bitte, ihm aufrichtig zu sagen, ob noch etwas zu hoffen sei. Ich
bezweifle es fast, gab der Secretär zur Antwort, aber lassen Sie den Muth
nur nicht ganz sinken, denn vielleicht ist doch noch etwas auszurichten; meiner
Unterstützung wenigstens' können Sie versichert sein. Mit diesem kärglichen
Troste kehrte der Deutschamerikaner zu den Seinigen zurück, die nun zu be¬
rathen anfingen, was zu thun sei. Die Debatte war sehr stürmisch und an¬
fangs schien die Mehrzahl sich Gewaltmaßregeln zuzuneigen. Einige schlugen
vor die Reise fortzusetzen, ohne sich weiter um Castilla zu kümmern, andere
wollten sich im Corral verschanzen, noch andere meinten, es sei am besten, einen
Guerillakrieg anzufangen, da man ihnen nun einmal diese Absicht zutraue.
Zuletzt behielten jedoch die Besonnenen die Oberhand und man beschloß, die
Abstimmung bis morgen aufzuschieben. Sie brauchte gar nicht vorgenommen
zu werden, denn unerwartet trat am andern Morgen eine günstige Wendung
der Dinge ein. Als nämlich der Deutschamerikaner sich wieder im Bureau
des Secretärs einfand, ließ ihn dort ein glücklicher Zufall einen alten Be¬
kannten finden, einen Dr. B. aus Huancayo, der während der Revolution in
seiner Provinz für Castilla die aufopferndste Thätigkeit an den Tag gelegt
hatte und deshalb großen Einfluß auf ihn besaß. Er versprach sogleich, diesen


Pistole gegen sie gezogen und gegen die Offiziere aufrührerische Reden geführt.
Dies hatte den Präsidenten wieder mißtrauisch gemacht und gegen die Fremden
gereizt und der Secretär theilte mit lebhaften Ausdrücken des Bedauerns als
letzten Beschluß Sr. Excellenz mit, daß die Amerikaner außerhalb seiner Vor¬
posten bis Huancavetica (halbwegs zwischen Ayacucho und Lima) zurückgehen
und dort erst die von dem amerikanischen Gesandten in Lima auszustellenden
Papiere erwarten sollten. Ein abermaliger Versuch, den Präsidenten anzureden,
als er wieder durch das Zimmer ging, blieb ohne allen Erfolg und er gab
nur in barschem Tone zur Antwort: „ich habe meinen Willen schon mitgetheilt,
ich kann nicht bei weiterem Vorrücken bewaffnete Leute in meinem Rücken
lassen" — eine Bemerkung, deren strategische Richtigkeit gar nicht in Zweifel
gezogen werden kann, wenn man bedenkt, welches Unheil ein Armeecorps
von 20 bewaffneten Nordamerikanern im Rücken des Befreiungsheeres anrich¬
ten konnte! Alle Bemühungen, noch eine Unterredung zu erlangen, waren
von nun an umsonst, obgleich der Abgeordnete bis Abends neun Uhr nicht aus
dem Vorzimmer wich ; es gelang ihm nicht einmal die Offiziere und den Bischof,
um deren Fürsprache er sich bewarb, für sich zu gewinnen und es wurde ihm
sogar schwer, sich bei ihnen Gehör zu verschaffen, denn die ungnädige Stim¬
mung des Präsidenten wirkte alsbald auf seine Umgebung zurück. Todtmüde
mußte sich endlich der Abgeordnete entschließen, seinen Posten zu räumen, wen¬
dete sich aber erst noch einmal an den Secretär, der von Haus aus für die
Unternehmung der Amerikaner sehr viel Theilnahme an den Tag gelegt hatte,
mit der Bitte, ihm aufrichtig zu sagen, ob noch etwas zu hoffen sei. Ich
bezweifle es fast, gab der Secretär zur Antwort, aber lassen Sie den Muth
nur nicht ganz sinken, denn vielleicht ist doch noch etwas auszurichten; meiner
Unterstützung wenigstens' können Sie versichert sein. Mit diesem kärglichen
Troste kehrte der Deutschamerikaner zu den Seinigen zurück, die nun zu be¬
rathen anfingen, was zu thun sei. Die Debatte war sehr stürmisch und an¬
fangs schien die Mehrzahl sich Gewaltmaßregeln zuzuneigen. Einige schlugen
vor die Reise fortzusetzen, ohne sich weiter um Castilla zu kümmern, andere
wollten sich im Corral verschanzen, noch andere meinten, es sei am besten, einen
Guerillakrieg anzufangen, da man ihnen nun einmal diese Absicht zutraue.
Zuletzt behielten jedoch die Besonnenen die Oberhand und man beschloß, die
Abstimmung bis morgen aufzuschieben. Sie brauchte gar nicht vorgenommen
zu werden, denn unerwartet trat am andern Morgen eine günstige Wendung
der Dinge ein. Als nämlich der Deutschamerikaner sich wieder im Bureau
des Secretärs einfand, ließ ihn dort ein glücklicher Zufall einen alten Be¬
kannten finden, einen Dr. B. aus Huancayo, der während der Revolution in
seiner Provinz für Castilla die aufopferndste Thätigkeit an den Tag gelegt
hatte und deshalb großen Einfluß auf ihn besaß. Er versprach sogleich, diesen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/517>, abgerufen am 22.07.2024.