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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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und sein Unternehmen war schon so gut als gescheitert, als er in dem General
Castilla einen unerwarteten Bundesgenossen fand. Dieser Castilla war der
Amtsvorgänger deS damaligen Präsidenten der Republik, Echenique, und
übte anfangs über seinen Nachfolger eine unbedingte Herrschaft aus.
Schließlich fiel es jedoch Echenique ein, selbst die Zügel der Herrschaft zu er¬
greifen; es kam zwischen ihm und Castilla zum offenen Bruch. Letzterer flüchtete
nach dem Süden und errichtete in den reichen Provinzen Cuzco, Puna und
Moquegua ein Heer von Insurgenten, welches Bolivia freundnachbarlich mit
Geld und Mannschaften unterstützte. Die bewaffnete Macht des neuen Prä-
sidentschaftscandidaten nahm den pomphaften Namen Ejercito Libertador (Be¬
freiungsheer) an und rückte den Negierungstruppen entgegen, die aber, Vor¬
sicht als den besten Theil der Tapferkeit anerkennend, Ayacucho räumten und
sich nach Huanta zurückzogen. Der schließliche Ausgang des Kampfes war,
daß Echenique, den seine Soldaten in Stich ließen, nach England entfloh und
Castilla den Präsidentensitz einnahm.

Es hatte sich jedoch der Sieg noch nach keiner Seite geneigt, als unser
deutscher Landsmann den Ritt nach Ayacucho unternahm und seine Freunde
mochten ihn wol mit einigem Bedenken aufbrechen sehen, denn amerikanische
Prätendentenheere haben zumal vor dem entscheidenden Siege stets eine mehr
oder minder nahe Verwandtschaft mit Räuberbanden und die Negierung weiß
in ruhigen Tagen selten die wilden Indianer in Zaum zu halten, geschweige
denn in Zeiten der regelmäßig wiederkehrenden Revolutionen. Aber im Ganzen
gilt der Haß der Indianer immer mehr den Regierungsbeamten und ein Frem¬
der, wenn er nicht grade ein Godo (ein Spanier) ist, wird von den revolu¬
tionären Parteien meistens als Neutraler behandelt. Diese Rücksicht und
noch mehr die Sehnsucht, in den Nordamerikanern halbe Landsleute zu begrü¬
ßen, bestimmten den Deutschen endlich zur Reise. Was er auf derselben er¬
lebte, erzählt er selbst sehr ausführlich in dem von Julius Fröbel trefflich re-
digirten deutschen "San Francisco Journal." Schritt für Schritt können wir
ihn nicht begleiten, aber wir wollen versuchen, die interessantesten der von ihm
erzählten Erlebnisse zu einer kleinen Skizze zusammenzudrängen, welche einigen
Begriff von dem Leben und den Zuständen in jenem von Europäern nicht
allzuoft betretenen Striche Südamerikas gibt.

Als der Reisende im heißen Mittagssonnenbrand auf müden Maulthier
die Stadt Ayacucho erreichte, waren die Straßen menschenleer und dichte Gar¬
dinen verhüllten die Balkone der mit bunten Gemälden geschmückten Häuser,
denn alles hielt die vorschriftsmäßige Siesta. Dennoch lockte der selten um
diese Tageszeit vernommene Hufschlag einige Neugierige an die Thüren, die
den Fremden, ehe er sich nur erkundigen konnte, denn schon sein Aeußeres
verrieth den Abkömmling des kälteren Nordens, nach dem Corral wiesen, wo


und sein Unternehmen war schon so gut als gescheitert, als er in dem General
Castilla einen unerwarteten Bundesgenossen fand. Dieser Castilla war der
Amtsvorgänger deS damaligen Präsidenten der Republik, Echenique, und
übte anfangs über seinen Nachfolger eine unbedingte Herrschaft aus.
Schließlich fiel es jedoch Echenique ein, selbst die Zügel der Herrschaft zu er¬
greifen; es kam zwischen ihm und Castilla zum offenen Bruch. Letzterer flüchtete
nach dem Süden und errichtete in den reichen Provinzen Cuzco, Puna und
Moquegua ein Heer von Insurgenten, welches Bolivia freundnachbarlich mit
Geld und Mannschaften unterstützte. Die bewaffnete Macht des neuen Prä-
sidentschaftscandidaten nahm den pomphaften Namen Ejercito Libertador (Be¬
freiungsheer) an und rückte den Negierungstruppen entgegen, die aber, Vor¬
sicht als den besten Theil der Tapferkeit anerkennend, Ayacucho räumten und
sich nach Huanta zurückzogen. Der schließliche Ausgang des Kampfes war,
daß Echenique, den seine Soldaten in Stich ließen, nach England entfloh und
Castilla den Präsidentensitz einnahm.

Es hatte sich jedoch der Sieg noch nach keiner Seite geneigt, als unser
deutscher Landsmann den Ritt nach Ayacucho unternahm und seine Freunde
mochten ihn wol mit einigem Bedenken aufbrechen sehen, denn amerikanische
Prätendentenheere haben zumal vor dem entscheidenden Siege stets eine mehr
oder minder nahe Verwandtschaft mit Räuberbanden und die Negierung weiß
in ruhigen Tagen selten die wilden Indianer in Zaum zu halten, geschweige
denn in Zeiten der regelmäßig wiederkehrenden Revolutionen. Aber im Ganzen
gilt der Haß der Indianer immer mehr den Regierungsbeamten und ein Frem¬
der, wenn er nicht grade ein Godo (ein Spanier) ist, wird von den revolu¬
tionären Parteien meistens als Neutraler behandelt. Diese Rücksicht und
noch mehr die Sehnsucht, in den Nordamerikanern halbe Landsleute zu begrü¬
ßen, bestimmten den Deutschen endlich zur Reise. Was er auf derselben er¬
lebte, erzählt er selbst sehr ausführlich in dem von Julius Fröbel trefflich re-
digirten deutschen „San Francisco Journal." Schritt für Schritt können wir
ihn nicht begleiten, aber wir wollen versuchen, die interessantesten der von ihm
erzählten Erlebnisse zu einer kleinen Skizze zusammenzudrängen, welche einigen
Begriff von dem Leben und den Zuständen in jenem von Europäern nicht
allzuoft betretenen Striche Südamerikas gibt.

Als der Reisende im heißen Mittagssonnenbrand auf müden Maulthier
die Stadt Ayacucho erreichte, waren die Straßen menschenleer und dichte Gar¬
dinen verhüllten die Balkone der mit bunten Gemälden geschmückten Häuser,
denn alles hielt die vorschriftsmäßige Siesta. Dennoch lockte der selten um
diese Tageszeit vernommene Hufschlag einige Neugierige an die Thüren, die
den Fremden, ehe er sich nur erkundigen konnte, denn schon sein Aeußeres
verrieth den Abkömmling des kälteren Nordens, nach dem Corral wiesen, wo


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/509>, abgerufen am 22.12.2024.