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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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Freien, von dem Sternsehen Verein und dem Domchor unternommen, denen
der helle, frische Klang der Soprane, die gesunde, auf den natürlichen vier
Stimmen beruhende Vollstimmigkeit und der reiche Schmuck schöner, gebildeter
Frauen einen viel größeren Reiz verlieh, als bloßen Männergesangsesten jemals
eigen sein kann. Das Fest des Sternsehen Vereins fand in Treptow, am Ufer der
Spree, das des Domchors in Schulzendorf, nahe bei Tegel, am Rande des dunkel
schattigen Waldes statt. Zahlreich hatten sich Zuhörer zu beiden eingefunden;
die sinnigen und heitern Lieder tönten in trefflicher Ausführung weithin ins Freie.




Reisescenen ans Peru.
!^'-<Z

Ein Deutscher, oder, wenn man will Deutsch-Amerikaner, durch irgend welches
Schicksal nach Peru in das Thal des Harpaflusses verschlagen, fand daselbst im
Juli -1854 die dortige Gesellschaft voll Aufregung über das Erscheinen eines Zugs
von Fremden, die weder Spanisch noch die dort heimische Jndiancrsprache Quichua
redeten. Die hohen Biberhüte und die rothen und blauen wollenen Hemden, die
sie dem allgemeinen Gerücht nach trugen, charakteristrten sie dem in kalifornischen
Sitten heimischen Deutschen sofort als einen jener Züge von Diggers, welche
die abnehmenden Goldernten in dem Eldorado Nordamerikas bewogen, schwarm-
weise nach andern Strichen der westlichen Halbkugel aufzubrechen, um dort
neue Gruben des edeln Metalls aufzuthun. Die Hoffnung, unter den califor-
nischen Abenteurern auch einige Landsleute zu finden, trieb den Deutschen
an, trotz allen Abrathens seiner creolischen Wirthe einen Ritt nach Ayacucho
zu wagen, wo die Fremdlinge grade Rast halten sollten. Ein Wagstück war
der Ritt allerdings, denn Peru befand sich damals in voller Revolution.
Die Regierungstruppen hatten sich von Ayacucho auf Huanta zurückgezogen
und. die erstere Stadt angeblich in den Händen des in den umliegenden
Pampas wohnenden Jndicmerstamms, der wilden und grausamen Morochucos,
gelassen. Wie gewöhnlich bei südamerikanischen Revolutionen handelte es sich
auch dies Mal nicht um politische Principien, sondern die Erhebung war eine
Folge von persönlichen Rivalitäten um die Präsidentschaft, zu der sich dort
jeder für berechtigt hält, der es bis zum General gebracht hat -- ein Grad,
der in ganz Südamerika mit unglaublicher Verschwendung ausgetheilt wird.
Das erste Signal zu der diesjährigen Revolution hatte zwar ausnahmsweise
kein Militär gegeben, sondern Don Domingo Elias, einer der reichsten Grund¬
besitzer des Landes, aber selbst die beträchtlichen Geldmittel, über die er ver¬
fügte, konnten ihm nicht die ihm fehlenden Sympathien des Heeres ersetzen


Freien, von dem Sternsehen Verein und dem Domchor unternommen, denen
der helle, frische Klang der Soprane, die gesunde, auf den natürlichen vier
Stimmen beruhende Vollstimmigkeit und der reiche Schmuck schöner, gebildeter
Frauen einen viel größeren Reiz verlieh, als bloßen Männergesangsesten jemals
eigen sein kann. Das Fest des Sternsehen Vereins fand in Treptow, am Ufer der
Spree, das des Domchors in Schulzendorf, nahe bei Tegel, am Rande des dunkel
schattigen Waldes statt. Zahlreich hatten sich Zuhörer zu beiden eingefunden;
die sinnigen und heitern Lieder tönten in trefflicher Ausführung weithin ins Freie.




Reisescenen ans Peru.
!^'-<Z

Ein Deutscher, oder, wenn man will Deutsch-Amerikaner, durch irgend welches
Schicksal nach Peru in das Thal des Harpaflusses verschlagen, fand daselbst im
Juli -1854 die dortige Gesellschaft voll Aufregung über das Erscheinen eines Zugs
von Fremden, die weder Spanisch noch die dort heimische Jndiancrsprache Quichua
redeten. Die hohen Biberhüte und die rothen und blauen wollenen Hemden, die
sie dem allgemeinen Gerücht nach trugen, charakteristrten sie dem in kalifornischen
Sitten heimischen Deutschen sofort als einen jener Züge von Diggers, welche
die abnehmenden Goldernten in dem Eldorado Nordamerikas bewogen, schwarm-
weise nach andern Strichen der westlichen Halbkugel aufzubrechen, um dort
neue Gruben des edeln Metalls aufzuthun. Die Hoffnung, unter den califor-
nischen Abenteurern auch einige Landsleute zu finden, trieb den Deutschen
an, trotz allen Abrathens seiner creolischen Wirthe einen Ritt nach Ayacucho
zu wagen, wo die Fremdlinge grade Rast halten sollten. Ein Wagstück war
der Ritt allerdings, denn Peru befand sich damals in voller Revolution.
Die Regierungstruppen hatten sich von Ayacucho auf Huanta zurückgezogen
und. die erstere Stadt angeblich in den Händen des in den umliegenden
Pampas wohnenden Jndicmerstamms, der wilden und grausamen Morochucos,
gelassen. Wie gewöhnlich bei südamerikanischen Revolutionen handelte es sich
auch dies Mal nicht um politische Principien, sondern die Erhebung war eine
Folge von persönlichen Rivalitäten um die Präsidentschaft, zu der sich dort
jeder für berechtigt hält, der es bis zum General gebracht hat — ein Grad,
der in ganz Südamerika mit unglaublicher Verschwendung ausgetheilt wird.
Das erste Signal zu der diesjährigen Revolution hatte zwar ausnahmsweise
kein Militär gegeben, sondern Don Domingo Elias, einer der reichsten Grund¬
besitzer des Landes, aber selbst die beträchtlichen Geldmittel, über die er ver¬
fügte, konnten ihm nicht die ihm fehlenden Sympathien des Heeres ersetzen


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[0508] Freien, von dem Sternsehen Verein und dem Domchor unternommen, denen der helle, frische Klang der Soprane, die gesunde, auf den natürlichen vier Stimmen beruhende Vollstimmigkeit und der reiche Schmuck schöner, gebildeter Frauen einen viel größeren Reiz verlieh, als bloßen Männergesangsesten jemals eigen sein kann. Das Fest des Sternsehen Vereins fand in Treptow, am Ufer der Spree, das des Domchors in Schulzendorf, nahe bei Tegel, am Rande des dunkel schattigen Waldes statt. Zahlreich hatten sich Zuhörer zu beiden eingefunden; die sinnigen und heitern Lieder tönten in trefflicher Ausführung weithin ins Freie. Reisescenen ans Peru. !^'-<Z Ein Deutscher, oder, wenn man will Deutsch-Amerikaner, durch irgend welches Schicksal nach Peru in das Thal des Harpaflusses verschlagen, fand daselbst im Juli -1854 die dortige Gesellschaft voll Aufregung über das Erscheinen eines Zugs von Fremden, die weder Spanisch noch die dort heimische Jndiancrsprache Quichua redeten. Die hohen Biberhüte und die rothen und blauen wollenen Hemden, die sie dem allgemeinen Gerücht nach trugen, charakteristrten sie dem in kalifornischen Sitten heimischen Deutschen sofort als einen jener Züge von Diggers, welche die abnehmenden Goldernten in dem Eldorado Nordamerikas bewogen, schwarm- weise nach andern Strichen der westlichen Halbkugel aufzubrechen, um dort neue Gruben des edeln Metalls aufzuthun. Die Hoffnung, unter den califor- nischen Abenteurern auch einige Landsleute zu finden, trieb den Deutschen an, trotz allen Abrathens seiner creolischen Wirthe einen Ritt nach Ayacucho zu wagen, wo die Fremdlinge grade Rast halten sollten. Ein Wagstück war der Ritt allerdings, denn Peru befand sich damals in voller Revolution. Die Regierungstruppen hatten sich von Ayacucho auf Huanta zurückgezogen und. die erstere Stadt angeblich in den Händen des in den umliegenden Pampas wohnenden Jndicmerstamms, der wilden und grausamen Morochucos, gelassen. Wie gewöhnlich bei südamerikanischen Revolutionen handelte es sich auch dies Mal nicht um politische Principien, sondern die Erhebung war eine Folge von persönlichen Rivalitäten um die Präsidentschaft, zu der sich dort jeder für berechtigt hält, der es bis zum General gebracht hat — ein Grad, der in ganz Südamerika mit unglaublicher Verschwendung ausgetheilt wird. Das erste Signal zu der diesjährigen Revolution hatte zwar ausnahmsweise kein Militär gegeben, sondern Don Domingo Elias, einer der reichsten Grund¬ besitzer des Landes, aber selbst die beträchtlichen Geldmittel, über die er ver¬ fügte, konnten ihm nicht die ihm fehlenden Sympathien des Heeres ersetzen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/508>, abgerufen am 22.12.2024.