Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.aus Konstantine im September 1850: "Man muckst nicht in meinem Gouver¬ aus Konstantine im September 1850: „Man muckst nicht in meinem Gouver¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0392" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/100312"/> <p xml:id="ID_1133" prev="#ID_1132" next="#ID_1134"> aus Konstantine im September 1850: „Man muckst nicht in meinem Gouver¬<lb/> nement; ich würde hart zuschlagen." Dasselbe Princip beobachtet er gegen seine<lb/> Offiziere, nur daß er gegen die Kameraden die äußere Form der Höflichkeit<lb/> beobachtet, die er gegen die verachteten Civilisten, gegen den Pekin, zu ost<lb/> vergißt. Kein Wunder, daß er sich überall als einen leidenschaftlichen Gegner<lb/> des constitutionellen Negierungssystems zeigt. Was nicht die Uniform anhat,<lb/> ist ihm ein Epicier; Schriftsteller und Advocaten sind ihm gleich verhaßt.<lb/> Man hört nichts als bittere Anklagen gegen die Errungenschaften der Juli¬<lb/> revolution. Er liebt die Dynastie; er bewundert den Muth und die Gewandt¬<lb/> heit des Königs; er findet einige rührende Worte über die Königin; aber die<lb/> parlamentarische Regierung ist ihm ein Dorn im Auge, der König ist zu<lb/> liberal, der Minister Guizot zu friedlich gesinnt, die Kammern schwatzen zu<lb/> viel und die Zeitungen geniren zu sehr. Beständig klagt er, daß die Kammern<lb/> zu wenig für Algier und für die Armee thun. ,,Die Deputirten handeln um<lb/> den Ruhm wie um ein Pack Lichter. Die Leute, die aus ihren gepolsterten<lb/> Bänken mit warmen Füßen und vollem Magen nach Laune oder Leidenschaft<lb/> entscheiden, ob man diese oder jene Eroberung behalten soll oder nicht, ahnen<lb/> nicht, was sie uns gekostet hat." Nur blinde Leidenschaft konnte solche Klagen<lb/> aussprechen, denn wie alle Welt weiß waren grade die Kammern das trei¬<lb/> bende Element, welches die verschiedenen Ministerien Ludwig Philipps ver¬<lb/> anlaßte, die französische Herrschaft in Algerien immer weiter auszudehnen,<lb/> und schwerlich hätte sich Se. Arnaud unter der despotischsten Regierung eines<lb/> schnelleren Avancements erfreuen können, als unter der parlamentarischen Lud¬<lb/> wig Philipps, denn er landete 1837 in Algier als simpler Lieutenant, unbe¬<lb/> kannt und ohne Verbindungen und war 1847 bereits Generalmajor und Com-<lb/> thur der Ehrenlegion. Die Liebe zu einem verehrten Führer nimmt auch<lb/> einmal die Maske der Opposition vor; Marschall Clausel, der ehemalige Gou¬<lb/> verneur in Algerien, besuchte 1838 als einfacher Privatmann seine Besitzun¬<lb/> gen in der Metidscha. „Meine Befehle," schreibt Se. Arnaud, „schwiegen<lb/> über die Art, wie ich ihm die Honneurs machen sollte oder ob ich ihn über¬<lb/> haupt in Empfang nehmen sollte. Ich hatte meine Compagnie, 100 Mann<lb/> stark und zwanzig Jäger zu Pferde; die Lage war schwierig, heiklich, Bruder;<lb/> ich habe sie mir reiflich überlegt und hielt es für das Beste, der Stimme<lb/> meines Gewissens zu folgen. Ich sah vor mir einen mit dem höchsten Grade<lb/> der Armee geehrten Mann; ich habe nur an seine Erfolge gedacht, und grade<lb/> weil er in Ungnade war, wollte ich ihm zeigen, daß die Armee, die er ost<lb/> zum Siege geführt, dessen nicht vergessen hätte. Er ging in Civil, ohne<lb/> Orden. Ich gab meinem Detaschemcnt Befehl, ihn zu empfangen, als. ob er<lb/> mit dem weißen Hutfedern und den Orden käme, die er auf dem Schlachtfelde<lb/> erworben hat. Ich bin belohnt worden, Bruder, denn ich habe Thränen über</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0392]
aus Konstantine im September 1850: „Man muckst nicht in meinem Gouver¬
nement; ich würde hart zuschlagen." Dasselbe Princip beobachtet er gegen seine
Offiziere, nur daß er gegen die Kameraden die äußere Form der Höflichkeit
beobachtet, die er gegen die verachteten Civilisten, gegen den Pekin, zu ost
vergißt. Kein Wunder, daß er sich überall als einen leidenschaftlichen Gegner
des constitutionellen Negierungssystems zeigt. Was nicht die Uniform anhat,
ist ihm ein Epicier; Schriftsteller und Advocaten sind ihm gleich verhaßt.
Man hört nichts als bittere Anklagen gegen die Errungenschaften der Juli¬
revolution. Er liebt die Dynastie; er bewundert den Muth und die Gewandt¬
heit des Königs; er findet einige rührende Worte über die Königin; aber die
parlamentarische Regierung ist ihm ein Dorn im Auge, der König ist zu
liberal, der Minister Guizot zu friedlich gesinnt, die Kammern schwatzen zu
viel und die Zeitungen geniren zu sehr. Beständig klagt er, daß die Kammern
zu wenig für Algier und für die Armee thun. ,,Die Deputirten handeln um
den Ruhm wie um ein Pack Lichter. Die Leute, die aus ihren gepolsterten
Bänken mit warmen Füßen und vollem Magen nach Laune oder Leidenschaft
entscheiden, ob man diese oder jene Eroberung behalten soll oder nicht, ahnen
nicht, was sie uns gekostet hat." Nur blinde Leidenschaft konnte solche Klagen
aussprechen, denn wie alle Welt weiß waren grade die Kammern das trei¬
bende Element, welches die verschiedenen Ministerien Ludwig Philipps ver¬
anlaßte, die französische Herrschaft in Algerien immer weiter auszudehnen,
und schwerlich hätte sich Se. Arnaud unter der despotischsten Regierung eines
schnelleren Avancements erfreuen können, als unter der parlamentarischen Lud¬
wig Philipps, denn er landete 1837 in Algier als simpler Lieutenant, unbe¬
kannt und ohne Verbindungen und war 1847 bereits Generalmajor und Com-
thur der Ehrenlegion. Die Liebe zu einem verehrten Führer nimmt auch
einmal die Maske der Opposition vor; Marschall Clausel, der ehemalige Gou¬
verneur in Algerien, besuchte 1838 als einfacher Privatmann seine Besitzun¬
gen in der Metidscha. „Meine Befehle," schreibt Se. Arnaud, „schwiegen
über die Art, wie ich ihm die Honneurs machen sollte oder ob ich ihn über¬
haupt in Empfang nehmen sollte. Ich hatte meine Compagnie, 100 Mann
stark und zwanzig Jäger zu Pferde; die Lage war schwierig, heiklich, Bruder;
ich habe sie mir reiflich überlegt und hielt es für das Beste, der Stimme
meines Gewissens zu folgen. Ich sah vor mir einen mit dem höchsten Grade
der Armee geehrten Mann; ich habe nur an seine Erfolge gedacht, und grade
weil er in Ungnade war, wollte ich ihm zeigen, daß die Armee, die er ost
zum Siege geführt, dessen nicht vergessen hätte. Er ging in Civil, ohne
Orden. Ich gab meinem Detaschemcnt Befehl, ihn zu empfangen, als. ob er
mit dem weißen Hutfedern und den Orden käme, die er auf dem Schlachtfelde
erworben hat. Ich bin belohnt worden, Bruder, denn ich habe Thränen über
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |