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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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sie einmal einen enthusiastischen Anlauf nahm, geschah es nur, um sich selbst
zu verspotten.

Die Jahre 1797 bis 1804 waren gleichsam die Flegeljahre der Romantik,
die dann von der jüngern Generation festgehalten und zu einer ästhetischen
Convenienz verarbeitet wurden. In dem ewigen Wechsel der Ideen tritt nur ein
leitender Jnstinct hervor: die Ironie gegen die Begriffe und den Glauben des
Zeitalters, -- Es war der alte Kampf der Xenien gegen die Spießbürgerlich¬
keit, der freilich jetzt Goethe und Schiller selbst unbequem wurde. Halb und
halb ohne es zu merken sah sich die Schule auf einmal in geheimer Oppo¬
sition gegen ihren Meister, und wenn sie auch noch fortfuhr, in Goethe den
größten deutschen Dichter zu verehren, so pflanzte sie doch in ihren principiellen
Fehden eine selbstständige Fahne, die Fahne der Romantik auf.

Die einzelnen Artikel ihrer Journale machen zuweilen den sonderbarsten
Eindruck. Die Ironie, die UnVerständlichkeit, die Zwecklosigkeit wurden hier zu
einem System ausgearbeitet, man donirte mit großem Ernst, daß der Künstler
es niemals mit einer Sache ernst meinen, daß er in seinen Ideen der Masse
nie verständlich sein dürfe, daß es sein Beruf sei, absichtslos und ohne Zweck
zu leben und zu dichten. Am liebsten erging man sich in Aphorismen, die
durch eine pikante Wendung oder durch Paradorien, d. h. davurch, daß man
die Worte in einem andern Sinne gebrauchte, als dem gewöhnlichen, aber ohne
es zu sagen, zum Theil den trivialsten Inhalt überdeckten. Die frivole Ueber-
bildung des Zeitalters verdrehte in ihrer Mißachtung aller Gesetze und Tra¬
ditionen den philosophischen Idealismus in eine souveräne Ironie gegen allen
sittlichen Inhalt. Die Romantiker waren nur die Chorführer der "guten Ge¬
sellschaft;" hier war allmälig die Aufklärung trivial geworden, sie galt nicht für
courfähig. Es wurde vornehm, Sinn zu haben für das, was der bürgerlichen
Bildung als Thorheit erschien: bei der Geringschätzung gegen das Denken
und Fühle" der Masse, bei der oberflächlichen Bildung nach fremdem Zuschnitt
war es gar nicht so auffallend, wenn man auch an der Unmöglichkeit einer
übernatürlichen Welt zu zweifeln anfing.

Die romantische Ironie ist mit Recht als das charakteristische Kenn¬
zeichen der Schule betrachtet worden. Das Bestreben zu denken, zu empfinden
und zu schaffen, nur um augenblicklich darauf die Gedanken, die Empfindungen,
die Schöpfungen wieder aufzulösen, ist etwas so Seltsames, daß man es nur
aus einer Mischung von Uebermuth und Zweifel an sich selbst begreifen kann:
dem Uebermuth einer philosophischen und poetischen Bildung, die eigentlich blos
formell war, die mit spielender Leichtigkeit die geistigen Beziehungen analysirte
und darum glaubte, sie wäre auch wirklich Herr über diese geistigen Mächte;
und jenem Zweifel, der aus dem lebhaften Bewußtsein der eignen Unproduc-
tivität entsprang. Im Grunde ist die Methode dieser Genialität sehr leicht zu


sie einmal einen enthusiastischen Anlauf nahm, geschah es nur, um sich selbst
zu verspotten.

Die Jahre 1797 bis 1804 waren gleichsam die Flegeljahre der Romantik,
die dann von der jüngern Generation festgehalten und zu einer ästhetischen
Convenienz verarbeitet wurden. In dem ewigen Wechsel der Ideen tritt nur ein
leitender Jnstinct hervor: die Ironie gegen die Begriffe und den Glauben des
Zeitalters, — Es war der alte Kampf der Xenien gegen die Spießbürgerlich¬
keit, der freilich jetzt Goethe und Schiller selbst unbequem wurde. Halb und
halb ohne es zu merken sah sich die Schule auf einmal in geheimer Oppo¬
sition gegen ihren Meister, und wenn sie auch noch fortfuhr, in Goethe den
größten deutschen Dichter zu verehren, so pflanzte sie doch in ihren principiellen
Fehden eine selbstständige Fahne, die Fahne der Romantik auf.

Die einzelnen Artikel ihrer Journale machen zuweilen den sonderbarsten
Eindruck. Die Ironie, die UnVerständlichkeit, die Zwecklosigkeit wurden hier zu
einem System ausgearbeitet, man donirte mit großem Ernst, daß der Künstler
es niemals mit einer Sache ernst meinen, daß er in seinen Ideen der Masse
nie verständlich sein dürfe, daß es sein Beruf sei, absichtslos und ohne Zweck
zu leben und zu dichten. Am liebsten erging man sich in Aphorismen, die
durch eine pikante Wendung oder durch Paradorien, d. h. davurch, daß man
die Worte in einem andern Sinne gebrauchte, als dem gewöhnlichen, aber ohne
es zu sagen, zum Theil den trivialsten Inhalt überdeckten. Die frivole Ueber-
bildung des Zeitalters verdrehte in ihrer Mißachtung aller Gesetze und Tra¬
ditionen den philosophischen Idealismus in eine souveräne Ironie gegen allen
sittlichen Inhalt. Die Romantiker waren nur die Chorführer der „guten Ge¬
sellschaft;" hier war allmälig die Aufklärung trivial geworden, sie galt nicht für
courfähig. Es wurde vornehm, Sinn zu haben für das, was der bürgerlichen
Bildung als Thorheit erschien: bei der Geringschätzung gegen das Denken
und Fühle» der Masse, bei der oberflächlichen Bildung nach fremdem Zuschnitt
war es gar nicht so auffallend, wenn man auch an der Unmöglichkeit einer
übernatürlichen Welt zu zweifeln anfing.

Die romantische Ironie ist mit Recht als das charakteristische Kenn¬
zeichen der Schule betrachtet worden. Das Bestreben zu denken, zu empfinden
und zu schaffen, nur um augenblicklich darauf die Gedanken, die Empfindungen,
die Schöpfungen wieder aufzulösen, ist etwas so Seltsames, daß man es nur
aus einer Mischung von Uebermuth und Zweifel an sich selbst begreifen kann:
dem Uebermuth einer philosophischen und poetischen Bildung, die eigentlich blos
formell war, die mit spielender Leichtigkeit die geistigen Beziehungen analysirte
und darum glaubte, sie wäre auch wirklich Herr über diese geistigen Mächte;
und jenem Zweifel, der aus dem lebhaften Bewußtsein der eignen Unproduc-
tivität entsprang. Im Grunde ist die Methode dieser Genialität sehr leicht zu


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/334>, abgerufen am 22.12.2024.