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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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Brüder spielt auch in diesen Act hinein; ein burgundischer Ritter verliebt sich
in Jeanne d'Arc und macht ihr eine Liebeserklärung, ein französischer sieht daS,
eilt herbei -- Zweikampf. Jeanne d'Arc nimmt neuerdings Abschied von ihrem
Vater, der sie heimholen wollte -- sie zieht gegen Karls VII. Feinde zu Felde.
Nun folgt der feierliche Einzug des Königs in Paris und ein Ballet, getanzt
von den vorzüglichsten Städten Frankreichs. Die Costüme sind wieder eben¬
so prachtvoll .als historisch genau und machen der Frau des Directors Fournier,
welche sie sämmtlich gezeichnet, große Ehre. Keine Oper von Meyerbeer hat
Prachtvolleres auszuweisen. Aber es ziemt wieder nicht einem Poeten, der sich
auf seine republikanische Gesinnung soviel zu Gute thut -- den Triumph des
undankbaren schwachen Karl zu feiern, dieses Idioten, der seine Retterin dem
Scheiterhaufen der Inquisition von neuem überließ.

Der Kampf der Bourguignons mit den Franzosen macht dem Kriege
zwischen Rom und der Reform, zwischen den Hugenotten und den Katholiken
Platz--die Jahre waren dies Mal in den Zwischenacten wieder schnell vorüber¬
geschwunden -- wir haben blos einen kleinen Sprung von anderthalb Jahr-
hunderten gemacht. Im Atelier Jean Goujons, der als Milchbruder Heinrichs IV.
dargestellt wird, bespricht Katharine von Medicis ihre scheußlichen Pläne mit
ihrem Giftmischer Nerv -- es gilt dem Leben Jean Goujons und Jeanne
d'Albret, der Königin von Navarra. Katharina hetzt einen jungen Ritter,
einen eifrigen Katholiken, gegen Jean Goujon -- der Leser erräth, daß er die
feindlichen Brüder vor sich steht. Jean Gojuon tritt auf in Begleitung von
Torquato Tasso, Goudimiel und Peter Ramus. Heinrich von Navarra, der
königliche Springinsfeld begrüßt die berühmten Männer. Jeanne d'Albret
erscheint auch, gefolgt von Jacques Bonhomme, welcher das französische Volk
repräsentirt. Er hat im Louvre den Plan der Bartholomäusnacht be¬
lauscht und gibt ihn der guten Königin von Navarra an. Katharine von
Medicis, welche ihrerseits den Angeber belauscht, tritt herein mit ihrer finste¬
ren Majestät, die auf ihre Zeitgenossen eine so große Wirkung ausgeübt. Sie
begehrt mit Jeanne d'Albret allein zu sein und nachdem sie vergebens versucht
hat zu leugnen nimmt sie zu einer teuflischen List ihre Zuflucht. Sie gesteht
zu, Jacques Bonhomme habe die Wahrheit gesprochen -- sie habe einen
Augenblick jenen höllischen Plan gefaßt -- sie fühle aber tiefe Neue und
beschwört die Königin von Navarra, den ihr zugeschleuderten Fehdehandschuh
wieder aufzunehmen und ihr zu verzeihen. Ihre Ueberredung hat die ge¬
wünschte Wirkung und das in den Handschuh gegossene Gift des berüchtigten
Parfumeurs Remo ebenfalls. Jeanne d'Albret stirbt unter den fürchterlichsten
Verzückungen. So gemein durfte Katharine von Medicis heutzutage auch
von dem verstocktesten Hugenotten nicht aufgefaßt werden. Katharine von
Medicis repräsentirte ihre Zeit, und der Widerruf des Edictes von Nantes


Brüder spielt auch in diesen Act hinein; ein burgundischer Ritter verliebt sich
in Jeanne d'Arc und macht ihr eine Liebeserklärung, ein französischer sieht daS,
eilt herbei — Zweikampf. Jeanne d'Arc nimmt neuerdings Abschied von ihrem
Vater, der sie heimholen wollte — sie zieht gegen Karls VII. Feinde zu Felde.
Nun folgt der feierliche Einzug des Königs in Paris und ein Ballet, getanzt
von den vorzüglichsten Städten Frankreichs. Die Costüme sind wieder eben¬
so prachtvoll .als historisch genau und machen der Frau des Directors Fournier,
welche sie sämmtlich gezeichnet, große Ehre. Keine Oper von Meyerbeer hat
Prachtvolleres auszuweisen. Aber es ziemt wieder nicht einem Poeten, der sich
auf seine republikanische Gesinnung soviel zu Gute thut — den Triumph des
undankbaren schwachen Karl zu feiern, dieses Idioten, der seine Retterin dem
Scheiterhaufen der Inquisition von neuem überließ.

Der Kampf der Bourguignons mit den Franzosen macht dem Kriege
zwischen Rom und der Reform, zwischen den Hugenotten und den Katholiken
Platz—die Jahre waren dies Mal in den Zwischenacten wieder schnell vorüber¬
geschwunden — wir haben blos einen kleinen Sprung von anderthalb Jahr-
hunderten gemacht. Im Atelier Jean Goujons, der als Milchbruder Heinrichs IV.
dargestellt wird, bespricht Katharine von Medicis ihre scheußlichen Pläne mit
ihrem Giftmischer Nerv — es gilt dem Leben Jean Goujons und Jeanne
d'Albret, der Königin von Navarra. Katharina hetzt einen jungen Ritter,
einen eifrigen Katholiken, gegen Jean Goujon — der Leser erräth, daß er die
feindlichen Brüder vor sich steht. Jean Gojuon tritt auf in Begleitung von
Torquato Tasso, Goudimiel und Peter Ramus. Heinrich von Navarra, der
königliche Springinsfeld begrüßt die berühmten Männer. Jeanne d'Albret
erscheint auch, gefolgt von Jacques Bonhomme, welcher das französische Volk
repräsentirt. Er hat im Louvre den Plan der Bartholomäusnacht be¬
lauscht und gibt ihn der guten Königin von Navarra an. Katharine von
Medicis, welche ihrerseits den Angeber belauscht, tritt herein mit ihrer finste¬
ren Majestät, die auf ihre Zeitgenossen eine so große Wirkung ausgeübt. Sie
begehrt mit Jeanne d'Albret allein zu sein und nachdem sie vergebens versucht
hat zu leugnen nimmt sie zu einer teuflischen List ihre Zuflucht. Sie gesteht
zu, Jacques Bonhomme habe die Wahrheit gesprochen — sie habe einen
Augenblick jenen höllischen Plan gefaßt — sie fühle aber tiefe Neue und
beschwört die Königin von Navarra, den ihr zugeschleuderten Fehdehandschuh
wieder aufzunehmen und ihr zu verzeihen. Ihre Ueberredung hat die ge¬
wünschte Wirkung und das in den Handschuh gegossene Gift des berüchtigten
Parfumeurs Remo ebenfalls. Jeanne d'Albret stirbt unter den fürchterlichsten
Verzückungen. So gemein durfte Katharine von Medicis heutzutage auch
von dem verstocktesten Hugenotten nicht aufgefaßt werden. Katharine von
Medicis repräsentirte ihre Zeit, und der Widerruf des Edictes von Nantes


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[0318] Brüder spielt auch in diesen Act hinein; ein burgundischer Ritter verliebt sich in Jeanne d'Arc und macht ihr eine Liebeserklärung, ein französischer sieht daS, eilt herbei — Zweikampf. Jeanne d'Arc nimmt neuerdings Abschied von ihrem Vater, der sie heimholen wollte — sie zieht gegen Karls VII. Feinde zu Felde. Nun folgt der feierliche Einzug des Königs in Paris und ein Ballet, getanzt von den vorzüglichsten Städten Frankreichs. Die Costüme sind wieder eben¬ so prachtvoll .als historisch genau und machen der Frau des Directors Fournier, welche sie sämmtlich gezeichnet, große Ehre. Keine Oper von Meyerbeer hat Prachtvolleres auszuweisen. Aber es ziemt wieder nicht einem Poeten, der sich auf seine republikanische Gesinnung soviel zu Gute thut — den Triumph des undankbaren schwachen Karl zu feiern, dieses Idioten, der seine Retterin dem Scheiterhaufen der Inquisition von neuem überließ. Der Kampf der Bourguignons mit den Franzosen macht dem Kriege zwischen Rom und der Reform, zwischen den Hugenotten und den Katholiken Platz—die Jahre waren dies Mal in den Zwischenacten wieder schnell vorüber¬ geschwunden — wir haben blos einen kleinen Sprung von anderthalb Jahr- hunderten gemacht. Im Atelier Jean Goujons, der als Milchbruder Heinrichs IV. dargestellt wird, bespricht Katharine von Medicis ihre scheußlichen Pläne mit ihrem Giftmischer Nerv — es gilt dem Leben Jean Goujons und Jeanne d'Albret, der Königin von Navarra. Katharina hetzt einen jungen Ritter, einen eifrigen Katholiken, gegen Jean Goujon — der Leser erräth, daß er die feindlichen Brüder vor sich steht. Jean Gojuon tritt auf in Begleitung von Torquato Tasso, Goudimiel und Peter Ramus. Heinrich von Navarra, der königliche Springinsfeld begrüßt die berühmten Männer. Jeanne d'Albret erscheint auch, gefolgt von Jacques Bonhomme, welcher das französische Volk repräsentirt. Er hat im Louvre den Plan der Bartholomäusnacht be¬ lauscht und gibt ihn der guten Königin von Navarra an. Katharine von Medicis, welche ihrerseits den Angeber belauscht, tritt herein mit ihrer finste¬ ren Majestät, die auf ihre Zeitgenossen eine so große Wirkung ausgeübt. Sie begehrt mit Jeanne d'Albret allein zu sein und nachdem sie vergebens versucht hat zu leugnen nimmt sie zu einer teuflischen List ihre Zuflucht. Sie gesteht zu, Jacques Bonhomme habe die Wahrheit gesprochen — sie habe einen Augenblick jenen höllischen Plan gefaßt — sie fühle aber tiefe Neue und beschwört die Königin von Navarra, den ihr zugeschleuderten Fehdehandschuh wieder aufzunehmen und ihr zu verzeihen. Ihre Ueberredung hat die ge¬ wünschte Wirkung und das in den Handschuh gegossene Gift des berüchtigten Parfumeurs Remo ebenfalls. Jeanne d'Albret stirbt unter den fürchterlichsten Verzückungen. So gemein durfte Katharine von Medicis heutzutage auch von dem verstocktesten Hugenotten nicht aufgefaßt werden. Katharine von Medicis repräsentirte ihre Zeit, und der Widerruf des Edictes von Nantes

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/318>, abgerufen am 22.07.2024.