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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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durch den großen Ludwig ist in unsern Augen eine verhältnißmäßig abscheu¬
lichere That, als dieses fürchterliche Gemetzel, das in der gesammten Bevöl¬
kerung von Paris seine Mitschuldigen zählt. Der Vorhang fällt und wir sehen
den Louvre vor uns, die verhängnißvolle Glocke verklingt, Leichname bedecken
die Straßen und der Mond, welcher über der Seine ausgeht, steht mit seinem
blödsinnigen Gesicht in das blutige Treiben. Jean Goujon schwankt herein und
Katharine von Medicis, die auf dem Balkon steht und ihr Werk betrachtet,
ruft ihrem Factotum Remo zu: Schieß ihn nieder den Hugenotten! Zwei Piff
pass puff -- wir sind en pleine Meyerbeer. Jean Goujon fällt, an Frank¬
reichs Stern verzweifelnd. Aber seine erzene Statue Frankreichs tritt auf ihn
zu und zeigt ihm den bevorstehenden Einzug Heinrichs lV. in Paris; dieses
Bild ist nach dem bekannten Gemälde von Gerard treu copirt. Katharine von
Medicis, die indessen auf dem Louvrebalkon allein in Träumereien versunken
war, ermannt sich und ergötzt sich an dem stummen Schauspiele des Flusses,
dessen Wogen, die Räder eines kolossalen Leichenwagens, die Leichname vor
sich hinwälzen. Katharine ruft laut ihren Triumph in die stille Nacht hinein,
aber siehe da, aus der Tiefe pes Flusses erhebt sich ein Knaul von blutigen
Schatten, welche -drohend ihre Arme gegen die königliche Mörderin ausstrecken.
Vergeblich sucht sie gegen diesen fürchterlichen Eindruck zu kämpfen, er über¬
mannt sie, die starke Frau fällt mit einem gellenden Schrei ohnmächtig zu
Boden. So unsinnig auch dieser Act ist, die Decorationen machen das Bouquet
dieses phantasmagorischen Feuerwerkes daraus, welches ein Drama sein will
und sich Paris nennt.

Dem armen Ludwig XIV. wird arg mitgespielt -- wir sehen ihn so recht
im Schlafrocke an Mit tepor die Etikette in Versailles als Staatssache be¬
handeln. Louise Lavailiece wird kalt abgewiesen in dem Moment, wo der
König zur Montespan geht. Vorher hat Moliere, der seine berühmte Magd
mit in die Gemächer des Königs bringt, diesen von der üblen Gewohnheit, seine
Person mit dem Staate zu identificiren, zu heilen versucht -- du guter Moliere,
der du mit deinem Jahrhundert dem großen kleinen Monarchen zu Füßen lagst,
eine solche Apotheose hättest du nicht erwartet. Moliece tröstet die Lavcillieve,
der Valet des Königs schwatzt leutselig mit der Herzogin, er tröstet sie mit
seinem eignen häuslichen Unglücke und räth ihr ins Kloster zu gehen. Das
Ballet in Versailles wird aufgeführt, aber die Herzogin Lavalliere, welche mit
der Montespan zugleich nicht als Grazie figuriren wollte, erscheint als Kar¬
meliterin -- Ende der Täbleaur -- Ludwig XIV. als Phöbus Apollo macht
eine ziemlich lächerliche Figur.

Die Freiwilligen der Republik ziehen an die Grenze -- patriotisches Tableau.
-- Madame Roland wird aus der Abbaye geführt, um Charlotte Corday Platz zu
machen -- die beiden Frauen schließe" Freundschaft miteinander. Rene, der


durch den großen Ludwig ist in unsern Augen eine verhältnißmäßig abscheu¬
lichere That, als dieses fürchterliche Gemetzel, das in der gesammten Bevöl¬
kerung von Paris seine Mitschuldigen zählt. Der Vorhang fällt und wir sehen
den Louvre vor uns, die verhängnißvolle Glocke verklingt, Leichname bedecken
die Straßen und der Mond, welcher über der Seine ausgeht, steht mit seinem
blödsinnigen Gesicht in das blutige Treiben. Jean Goujon schwankt herein und
Katharine von Medicis, die auf dem Balkon steht und ihr Werk betrachtet,
ruft ihrem Factotum Remo zu: Schieß ihn nieder den Hugenotten! Zwei Piff
pass puff — wir sind en pleine Meyerbeer. Jean Goujon fällt, an Frank¬
reichs Stern verzweifelnd. Aber seine erzene Statue Frankreichs tritt auf ihn
zu und zeigt ihm den bevorstehenden Einzug Heinrichs lV. in Paris; dieses
Bild ist nach dem bekannten Gemälde von Gerard treu copirt. Katharine von
Medicis, die indessen auf dem Louvrebalkon allein in Träumereien versunken
war, ermannt sich und ergötzt sich an dem stummen Schauspiele des Flusses,
dessen Wogen, die Räder eines kolossalen Leichenwagens, die Leichname vor
sich hinwälzen. Katharine ruft laut ihren Triumph in die stille Nacht hinein,
aber siehe da, aus der Tiefe pes Flusses erhebt sich ein Knaul von blutigen
Schatten, welche -drohend ihre Arme gegen die königliche Mörderin ausstrecken.
Vergeblich sucht sie gegen diesen fürchterlichen Eindruck zu kämpfen, er über¬
mannt sie, die starke Frau fällt mit einem gellenden Schrei ohnmächtig zu
Boden. So unsinnig auch dieser Act ist, die Decorationen machen das Bouquet
dieses phantasmagorischen Feuerwerkes daraus, welches ein Drama sein will
und sich Paris nennt.

Dem armen Ludwig XIV. wird arg mitgespielt — wir sehen ihn so recht
im Schlafrocke an Mit tepor die Etikette in Versailles als Staatssache be¬
handeln. Louise Lavailiece wird kalt abgewiesen in dem Moment, wo der
König zur Montespan geht. Vorher hat Moliere, der seine berühmte Magd
mit in die Gemächer des Königs bringt, diesen von der üblen Gewohnheit, seine
Person mit dem Staate zu identificiren, zu heilen versucht — du guter Moliere,
der du mit deinem Jahrhundert dem großen kleinen Monarchen zu Füßen lagst,
eine solche Apotheose hättest du nicht erwartet. Moliece tröstet die Lavcillieve,
der Valet des Königs schwatzt leutselig mit der Herzogin, er tröstet sie mit
seinem eignen häuslichen Unglücke und räth ihr ins Kloster zu gehen. Das
Ballet in Versailles wird aufgeführt, aber die Herzogin Lavalliere, welche mit
der Montespan zugleich nicht als Grazie figuriren wollte, erscheint als Kar¬
meliterin — Ende der Täbleaur — Ludwig XIV. als Phöbus Apollo macht
eine ziemlich lächerliche Figur.

Die Freiwilligen der Republik ziehen an die Grenze — patriotisches Tableau.
— Madame Roland wird aus der Abbaye geführt, um Charlotte Corday Platz zu
machen — die beiden Frauen schließe» Freundschaft miteinander. Rene, der


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[0319] durch den großen Ludwig ist in unsern Augen eine verhältnißmäßig abscheu¬ lichere That, als dieses fürchterliche Gemetzel, das in der gesammten Bevöl¬ kerung von Paris seine Mitschuldigen zählt. Der Vorhang fällt und wir sehen den Louvre vor uns, die verhängnißvolle Glocke verklingt, Leichname bedecken die Straßen und der Mond, welcher über der Seine ausgeht, steht mit seinem blödsinnigen Gesicht in das blutige Treiben. Jean Goujon schwankt herein und Katharine von Medicis, die auf dem Balkon steht und ihr Werk betrachtet, ruft ihrem Factotum Remo zu: Schieß ihn nieder den Hugenotten! Zwei Piff pass puff — wir sind en pleine Meyerbeer. Jean Goujon fällt, an Frank¬ reichs Stern verzweifelnd. Aber seine erzene Statue Frankreichs tritt auf ihn zu und zeigt ihm den bevorstehenden Einzug Heinrichs lV. in Paris; dieses Bild ist nach dem bekannten Gemälde von Gerard treu copirt. Katharine von Medicis, die indessen auf dem Louvrebalkon allein in Träumereien versunken war, ermannt sich und ergötzt sich an dem stummen Schauspiele des Flusses, dessen Wogen, die Räder eines kolossalen Leichenwagens, die Leichname vor sich hinwälzen. Katharine ruft laut ihren Triumph in die stille Nacht hinein, aber siehe da, aus der Tiefe pes Flusses erhebt sich ein Knaul von blutigen Schatten, welche -drohend ihre Arme gegen die königliche Mörderin ausstrecken. Vergeblich sucht sie gegen diesen fürchterlichen Eindruck zu kämpfen, er über¬ mannt sie, die starke Frau fällt mit einem gellenden Schrei ohnmächtig zu Boden. So unsinnig auch dieser Act ist, die Decorationen machen das Bouquet dieses phantasmagorischen Feuerwerkes daraus, welches ein Drama sein will und sich Paris nennt. Dem armen Ludwig XIV. wird arg mitgespielt — wir sehen ihn so recht im Schlafrocke an Mit tepor die Etikette in Versailles als Staatssache be¬ handeln. Louise Lavailiece wird kalt abgewiesen in dem Moment, wo der König zur Montespan geht. Vorher hat Moliere, der seine berühmte Magd mit in die Gemächer des Königs bringt, diesen von der üblen Gewohnheit, seine Person mit dem Staate zu identificiren, zu heilen versucht — du guter Moliere, der du mit deinem Jahrhundert dem großen kleinen Monarchen zu Füßen lagst, eine solche Apotheose hättest du nicht erwartet. Moliece tröstet die Lavcillieve, der Valet des Königs schwatzt leutselig mit der Herzogin, er tröstet sie mit seinem eignen häuslichen Unglücke und räth ihr ins Kloster zu gehen. Das Ballet in Versailles wird aufgeführt, aber die Herzogin Lavalliere, welche mit der Montespan zugleich nicht als Grazie figuriren wollte, erscheint als Kar¬ meliterin — Ende der Täbleaur — Ludwig XIV. als Phöbus Apollo macht eine ziemlich lächerliche Figur. Die Freiwilligen der Republik ziehen an die Grenze — patriotisches Tableau. — Madame Roland wird aus der Abbaye geführt, um Charlotte Corday Platz zu machen — die beiden Frauen schließe» Freundschaft miteinander. Rene, der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/319>, abgerufen am 22.07.2024.