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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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Gelegenheit Geld zu verdienen, denn sie stellen an die Bauern ihre Forderungen
ohne eine schriftliche Ermächtigung von einer höhern Behörde beizubringen, in¬
dem sie nur den Betreffenden bekannt machen, daß die und die Gegenstände
an einem gewissen Tage geliefert werden müssen. Dies geschieht auch ohne
Widerrede und ohne weitere Erkundigungen, denn es könnte doch sein, daß
grade dies Mal die Lieferung für die Regierung wäre, und dann würde der¬
jenige, der sich weiter erkundigte, sicher als widerspenstig betrachtet und zur
Besserung seiner Gesinnung nach Sibirien geschickt werden, um andern als
warnendes Beispiel zu dienen, daß es das Beste sei, zu geben, ohne zu fragen
für wen.

Eine andere Last, unter welcher die ganze ländliche Bevölkerung schwer
seufzt, ist die Lieferung von Fuhrwerk zur Fortschaffung von Munition und
andern Kriegsbedürfnissen sür die Armee. Anfangs wurden sie für diese
Leistungen von der Negierung mit einem Schein, Contrcmarke genannt, be¬
zahlt, die bei der Entrichtung der Kopfsteuer an Zahlungsstatt angenommen
wurde; aber seit dem August 1834 ist dies anders geworden und diese Leistung
wird in Geld bezahlt d. h. gar nicht, denn die Beamten stecken das Geld ein
und wehe dem, der es fordern wollte. Die Contremarke dagegen konnte den
Beamten nichts nützen und daher bekam der Bauer wenigstens etwas für seine
Mühewaltung.

Die Leiden der Bewohner der Dörfer, welche die Truppenmassen auf
ihrem Marsch von dem Norden nach dem Süden in dem Winter 1833--34
berührten, waren so schrecklich, baß sogar die Soldaten sie bemitleideten; und
es gehört etwas dazu, das Herz eines russischen Soldaten zu erweichen. Des
Unterhalts wegen mußten die Truppen sich über eine große Strecke Landes in
der Breite ausdehnen und fielen nun den armen Bauern zur Last, deren
Wintervorräthe blos auf die Bedürfnisse ihrer Familien berechnet waren. Wie
Heuschrecken zehrten sie alles Vorhandene auf und gaben die Bevölkerung der
ärgsten Noth preis. Die Männer aber, die meistens während des Winters
mit ihren Pferden als Frachtfuhrleute einen guten Verdienst haben, mußten
auf der Hauptstraße die Artillerie und das Armeefuhrwesen fortschaffen, zu
deren Transport man sich trotz des 12 bis 13 Fuß tiefen Schnees nicht ein¬
mal der Schlitten bediente. Auf einer Reise im Februar 1834 habe ich ein¬
mal einem Zug von 300 Munitionswagen, die auf diese Weise fortgeschafft
wurden, begegnet, und daS Herz blutete mir, wenn ich sah, wie die Bauern
und ihre Pferde von den Soldaten der Bedeckung behandelt wurden. Wenn
sie an einen Hügel kamen, mußten sie manchmal das Gespann verdoppeln
und verdreifachen und an manchen Stellen mußten Wege im Schnee ausge-
graben werden, um die schwere Artillerie fortzubringen. Zu solchen Arbeiten
werden die Bauern selten länger als vierzehn Tage hintereinander verwendet;


Gelegenheit Geld zu verdienen, denn sie stellen an die Bauern ihre Forderungen
ohne eine schriftliche Ermächtigung von einer höhern Behörde beizubringen, in¬
dem sie nur den Betreffenden bekannt machen, daß die und die Gegenstände
an einem gewissen Tage geliefert werden müssen. Dies geschieht auch ohne
Widerrede und ohne weitere Erkundigungen, denn es könnte doch sein, daß
grade dies Mal die Lieferung für die Regierung wäre, und dann würde der¬
jenige, der sich weiter erkundigte, sicher als widerspenstig betrachtet und zur
Besserung seiner Gesinnung nach Sibirien geschickt werden, um andern als
warnendes Beispiel zu dienen, daß es das Beste sei, zu geben, ohne zu fragen
für wen.

Eine andere Last, unter welcher die ganze ländliche Bevölkerung schwer
seufzt, ist die Lieferung von Fuhrwerk zur Fortschaffung von Munition und
andern Kriegsbedürfnissen sür die Armee. Anfangs wurden sie für diese
Leistungen von der Negierung mit einem Schein, Contrcmarke genannt, be¬
zahlt, die bei der Entrichtung der Kopfsteuer an Zahlungsstatt angenommen
wurde; aber seit dem August 1834 ist dies anders geworden und diese Leistung
wird in Geld bezahlt d. h. gar nicht, denn die Beamten stecken das Geld ein
und wehe dem, der es fordern wollte. Die Contremarke dagegen konnte den
Beamten nichts nützen und daher bekam der Bauer wenigstens etwas für seine
Mühewaltung.

Die Leiden der Bewohner der Dörfer, welche die Truppenmassen auf
ihrem Marsch von dem Norden nach dem Süden in dem Winter 1833—34
berührten, waren so schrecklich, baß sogar die Soldaten sie bemitleideten; und
es gehört etwas dazu, das Herz eines russischen Soldaten zu erweichen. Des
Unterhalts wegen mußten die Truppen sich über eine große Strecke Landes in
der Breite ausdehnen und fielen nun den armen Bauern zur Last, deren
Wintervorräthe blos auf die Bedürfnisse ihrer Familien berechnet waren. Wie
Heuschrecken zehrten sie alles Vorhandene auf und gaben die Bevölkerung der
ärgsten Noth preis. Die Männer aber, die meistens während des Winters
mit ihren Pferden als Frachtfuhrleute einen guten Verdienst haben, mußten
auf der Hauptstraße die Artillerie und das Armeefuhrwesen fortschaffen, zu
deren Transport man sich trotz des 12 bis 13 Fuß tiefen Schnees nicht ein¬
mal der Schlitten bediente. Auf einer Reise im Februar 1834 habe ich ein¬
mal einem Zug von 300 Munitionswagen, die auf diese Weise fortgeschafft
wurden, begegnet, und daS Herz blutete mir, wenn ich sah, wie die Bauern
und ihre Pferde von den Soldaten der Bedeckung behandelt wurden. Wenn
sie an einen Hügel kamen, mußten sie manchmal das Gespann verdoppeln
und verdreifachen und an manchen Stellen mußten Wege im Schnee ausge-
graben werden, um die schwere Artillerie fortzubringen. Zu solchen Arbeiten
werden die Bauern selten länger als vierzehn Tage hintereinander verwendet;


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/293>, abgerufen am 22.12.2024.