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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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von der Verwerflichkeit des parlamentarischen Systems und von der Nichtsnutzigkeit
des englischen Staats überzeugt; es ist also im höchsten Grade verwerflich, daß
durch blasirte Sophisten diese Idee auch dem Volke eingeflößt wird. Der bekannte
londoner Korrespondent der Nationalzeitnng hat darin schon viel Schaden ange¬
richtet, aber er hatte doch wenigstens ein wirkliches politisches Princip, eine reiche
Erfahrung,' und man konnte nur bedauern, daß er in der Art seiner Angriffe nicht
vorsichtiger war, daß er nicht bedachte, er schreibe für ein deutsches Publicum, nicht
für ein englisches. Neuerdings spukt aber ein Korrespondent aus London dnrch
alle möglichen deutschen Blätter, bei dem diese Entschuldigung nicht stattfindet, der
weiter nichts thut, als auf'eine pöbelhafte Weise zu schimpfen. Am häufigsten be¬
gegnen wir ihm in der Deutschen Allgemeinen Zeitung und im Magazin der Literatur des
Auslandes. Wie wir hören, ist es Bettziech Beta, ein früherer berliner Feuille-
tonist. Wir nennen den Namen absichtlich, da es doch sehr zweckmäßig wäre, wenn
das Publicum einmal erfährt, wer ihm eigentlich diese politische Weisheit mittheilt.
Wie übrigens ein liberales Blatt, welches in dieser Frage auf der Seite der West¬
mächte gegen Rußland steht, fortwährend Korrespondenzen aufnehmen kann, die ganz
und gar in die Kreuzzeitung gehören, das würde uns in Verwunderung setzen,
wenn wir in dieser Beziehung nicht längst alle Verwunderung verlernt hätten. --
Nach dieser Abschweifung kommen wir auf Herrn Diezel zurück.

Die große Politik und namentlich die auswärtige scheint uns zu einer neuen
Parteibildung keine Veranlassung zu geben, weil Parteien nur durch die Möglich¬
keit einer unmittelbaren praktischen Betheiligung entstehen. Darum können wir anch
in das Triumphgeschrei der Presse über den Antrag einer deutschen Kammer auf
Bundesreform nicht einstimmen. Wenn heute eine Bundesreform möglich wäre, so
würden wir noch ganze Generationen hindurch daran zu leiden haben. Dagegen
wird, ohne daß wir etwas künstlich dazu thun, dnrch die natürliche Opposition gegen
die einzige bestehende Partei, die ritterschaftliche, sich allmälig eine neue bilden, die
wir in dem Sinn eine demokratische nennen möchten, wie der Herr Ministerpräsident
Baron von Manteuffel diesen Ausdruck erklärt hat. Bisher war in deu deutschen
Staaten die Verwaltung bürgerlich-bureaukratisch, wenn auch die höchsten Stellen
meist von Adeligen besetzt waren; jetzt erhebt sich aber eine Partei mit dem offen
ausgesprochenen Bestreben, den Staat sür den Adel und durch den Adel zu ver¬
walten. Dies Bestreben zu hintertreiben, wird sich das gesammte Bürgevthum mit
dem gesunden Theil des Adels und mit dem größern Theil der Bureaukratie ver¬
binden. Da man in sämmtlichen deutschen Staaten mit demselben Gegner zu thun
haben wird, so wird man auch gemeinsam zu wirken suchen, und daraus wird ganz
von selbst, ohne alle Aufregung und Agitation, allmälig dnrch ganz Deutschland
eine organisirte Partei entstehen, die als solche vielleicht auch einen nationalen
Inhalt gewinnt.




Correspondenzen.
Aus Konstantinopel,

-- Wenn man an der Richtigkeit eines
""geschlagenen Weges irre geworden ist, an dem endlichen Erfolg eines Planes zu


von der Verwerflichkeit des parlamentarischen Systems und von der Nichtsnutzigkeit
des englischen Staats überzeugt; es ist also im höchsten Grade verwerflich, daß
durch blasirte Sophisten diese Idee auch dem Volke eingeflößt wird. Der bekannte
londoner Korrespondent der Nationalzeitnng hat darin schon viel Schaden ange¬
richtet, aber er hatte doch wenigstens ein wirkliches politisches Princip, eine reiche
Erfahrung,' und man konnte nur bedauern, daß er in der Art seiner Angriffe nicht
vorsichtiger war, daß er nicht bedachte, er schreibe für ein deutsches Publicum, nicht
für ein englisches. Neuerdings spukt aber ein Korrespondent aus London dnrch
alle möglichen deutschen Blätter, bei dem diese Entschuldigung nicht stattfindet, der
weiter nichts thut, als auf'eine pöbelhafte Weise zu schimpfen. Am häufigsten be¬
gegnen wir ihm in der Deutschen Allgemeinen Zeitung und im Magazin der Literatur des
Auslandes. Wie wir hören, ist es Bettziech Beta, ein früherer berliner Feuille-
tonist. Wir nennen den Namen absichtlich, da es doch sehr zweckmäßig wäre, wenn
das Publicum einmal erfährt, wer ihm eigentlich diese politische Weisheit mittheilt.
Wie übrigens ein liberales Blatt, welches in dieser Frage auf der Seite der West¬
mächte gegen Rußland steht, fortwährend Korrespondenzen aufnehmen kann, die ganz
und gar in die Kreuzzeitung gehören, das würde uns in Verwunderung setzen,
wenn wir in dieser Beziehung nicht längst alle Verwunderung verlernt hätten. —
Nach dieser Abschweifung kommen wir auf Herrn Diezel zurück.

Die große Politik und namentlich die auswärtige scheint uns zu einer neuen
Parteibildung keine Veranlassung zu geben, weil Parteien nur durch die Möglich¬
keit einer unmittelbaren praktischen Betheiligung entstehen. Darum können wir anch
in das Triumphgeschrei der Presse über den Antrag einer deutschen Kammer auf
Bundesreform nicht einstimmen. Wenn heute eine Bundesreform möglich wäre, so
würden wir noch ganze Generationen hindurch daran zu leiden haben. Dagegen
wird, ohne daß wir etwas künstlich dazu thun, dnrch die natürliche Opposition gegen
die einzige bestehende Partei, die ritterschaftliche, sich allmälig eine neue bilden, die
wir in dem Sinn eine demokratische nennen möchten, wie der Herr Ministerpräsident
Baron von Manteuffel diesen Ausdruck erklärt hat. Bisher war in deu deutschen
Staaten die Verwaltung bürgerlich-bureaukratisch, wenn auch die höchsten Stellen
meist von Adeligen besetzt waren; jetzt erhebt sich aber eine Partei mit dem offen
ausgesprochenen Bestreben, den Staat sür den Adel und durch den Adel zu ver¬
walten. Dies Bestreben zu hintertreiben, wird sich das gesammte Bürgevthum mit
dem gesunden Theil des Adels und mit dem größern Theil der Bureaukratie ver¬
binden. Da man in sämmtlichen deutschen Staaten mit demselben Gegner zu thun
haben wird, so wird man auch gemeinsam zu wirken suchen, und daraus wird ganz
von selbst, ohne alle Aufregung und Agitation, allmälig dnrch ganz Deutschland
eine organisirte Partei entstehen, die als solche vielleicht auch einen nationalen
Inhalt gewinnt.




Correspondenzen.
Aus Konstantinopel,

— Wenn man an der Richtigkeit eines
""geschlagenen Weges irre geworden ist, an dem endlichen Erfolg eines Planes zu


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[0285] von der Verwerflichkeit des parlamentarischen Systems und von der Nichtsnutzigkeit des englischen Staats überzeugt; es ist also im höchsten Grade verwerflich, daß durch blasirte Sophisten diese Idee auch dem Volke eingeflößt wird. Der bekannte londoner Korrespondent der Nationalzeitnng hat darin schon viel Schaden ange¬ richtet, aber er hatte doch wenigstens ein wirkliches politisches Princip, eine reiche Erfahrung,' und man konnte nur bedauern, daß er in der Art seiner Angriffe nicht vorsichtiger war, daß er nicht bedachte, er schreibe für ein deutsches Publicum, nicht für ein englisches. Neuerdings spukt aber ein Korrespondent aus London dnrch alle möglichen deutschen Blätter, bei dem diese Entschuldigung nicht stattfindet, der weiter nichts thut, als auf'eine pöbelhafte Weise zu schimpfen. Am häufigsten be¬ gegnen wir ihm in der Deutschen Allgemeinen Zeitung und im Magazin der Literatur des Auslandes. Wie wir hören, ist es Bettziech Beta, ein früherer berliner Feuille- tonist. Wir nennen den Namen absichtlich, da es doch sehr zweckmäßig wäre, wenn das Publicum einmal erfährt, wer ihm eigentlich diese politische Weisheit mittheilt. Wie übrigens ein liberales Blatt, welches in dieser Frage auf der Seite der West¬ mächte gegen Rußland steht, fortwährend Korrespondenzen aufnehmen kann, die ganz und gar in die Kreuzzeitung gehören, das würde uns in Verwunderung setzen, wenn wir in dieser Beziehung nicht längst alle Verwunderung verlernt hätten. — Nach dieser Abschweifung kommen wir auf Herrn Diezel zurück. Die große Politik und namentlich die auswärtige scheint uns zu einer neuen Parteibildung keine Veranlassung zu geben, weil Parteien nur durch die Möglich¬ keit einer unmittelbaren praktischen Betheiligung entstehen. Darum können wir anch in das Triumphgeschrei der Presse über den Antrag einer deutschen Kammer auf Bundesreform nicht einstimmen. Wenn heute eine Bundesreform möglich wäre, so würden wir noch ganze Generationen hindurch daran zu leiden haben. Dagegen wird, ohne daß wir etwas künstlich dazu thun, dnrch die natürliche Opposition gegen die einzige bestehende Partei, die ritterschaftliche, sich allmälig eine neue bilden, die wir in dem Sinn eine demokratische nennen möchten, wie der Herr Ministerpräsident Baron von Manteuffel diesen Ausdruck erklärt hat. Bisher war in deu deutschen Staaten die Verwaltung bürgerlich-bureaukratisch, wenn auch die höchsten Stellen meist von Adeligen besetzt waren; jetzt erhebt sich aber eine Partei mit dem offen ausgesprochenen Bestreben, den Staat sür den Adel und durch den Adel zu ver¬ walten. Dies Bestreben zu hintertreiben, wird sich das gesammte Bürgevthum mit dem gesunden Theil des Adels und mit dem größern Theil der Bureaukratie ver¬ binden. Da man in sämmtlichen deutschen Staaten mit demselben Gegner zu thun haben wird, so wird man auch gemeinsam zu wirken suchen, und daraus wird ganz von selbst, ohne alle Aufregung und Agitation, allmälig dnrch ganz Deutschland eine organisirte Partei entstehen, die als solche vielleicht auch einen nationalen Inhalt gewinnt. Correspondenzen. Aus Konstantinopel, — Wenn man an der Richtigkeit eines ""geschlagenen Weges irre geworden ist, an dem endlichen Erfolg eines Planes zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/285>, abgerufen am 22.12.2024.