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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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deutend. Die Verfertiger der falschen Depesche hat man nie offen nennen
hören, auch scheint man sich gescheut zu haben, die Sache ernstlich zu unter¬
suchen ; doch deutete man zu jener Zeit an, es wären zwei große Speculanten
aus der politischen Welt und ein oder zwei Ilnterhausmitglieder. Bei
einer spätern Gelegenheit, wurde ein Mitglied des Ministeriums Gren-
ville, Lord Moira, in aller Form beschuldigt, die ihm als Minister zugekom¬
menen Nachrichten zu Börsenspeculanonen verwendet zu haben. Sein Ankläger
war ein Commis der englischen Bank; aber dieser konnte seine Anschuldigungen
nicht beweisen, und die Sache schlief wieder ein, nachdem sie beträchtliches Auf¬
sehen gemacht hatte.

Man hätte meinen sollen, daß das häufige Wiederkehren der falschen
Nachrichten von Napoleons Tode die Wirkung derselben zuletzt hätte abstumpfen
sollen. Aber noch im letzten Jahre des Krieges zeigte sie sich wirksam. Zei¬
tig im Jahre 4 81L> wurden große Ankäufe in Consols auf Zeit gemacht, und
zwar von Personen, welche den Mäklern nicht als Speculanten bekannt waren,
denn sie waren besonders ausgesucht worden. Nachdem der erste Act des
Dramas auf diese Weise beendigt war, handelte es sich darum, den zweiten Act
zu beginnen. Demnach landeten eines Morgens in Dover in einem offenen
Boote einige Personen in der Uniform französischer Offiziere, die sich sofort in
ein dasiges Gasthaus begaben und vierspännige Ertrapost bestellten, um in größter
Eile nach Louter weiter zu reisen. Zufällig ließen sie ein Wort über'den
Zweck ihrer Sendung hören: sie überbrachten die Nachricht von dem Tode Napo¬
leons. Die Neuigkeit verbreitete sich mit Blitzesschnelle weiter. Einige eilten
nach der Telegraphenstation bei Dover, um die wichtige Thatsache nach London
zu telegraphiren: aber zufällig war sehr nebliges Wetter und man konnte sich
nicht einmal mit der nächsten Station in Verbindung setzen. Daß der Tele¬
graph auf diese Weise seine Mitwirkung versagte, war ein schwerer Schlag für
die Speculanten, die nicht nur aus die schnelle Weiterbeförderung der Fabel ge¬
rechnet hatten, sondern auch darauf, daß es durch das halbosficielle Medium
des Telegraphen geschähe. Sie reisten daher sofort in einer vierspännigen
Postchaise ab, kamen auf jeder Station ihrer Reise mit dem Anscheine größter
Eile in die Städte galoppirt, bestellten mit großer Hast frische Pferde und
ließen dabei stets einige Winke über die wichtige Nachricht, welche sie brachten,
fallen. Auf diese Weise erreichten sie die Vorstädte Londons, wo die Postillione
anhielten, die angeblichen französischen Offiziere aus dem Wagen' stiegen, ihn
bezahlten und fortschickten und in einem nahen Privathaus verschwanden, um
ihre Verkleidung abzulegen. Ihre Rolle in dem Drama war ausgespielt und
die Urheber des ganzen Plans hatten nur noch die Wirkung ihrer Machinatio¬
nen abzuwarten.

Binnen kurzem erreichte die Nachricht von dem Tode Napoleons die Stock-


deutend. Die Verfertiger der falschen Depesche hat man nie offen nennen
hören, auch scheint man sich gescheut zu haben, die Sache ernstlich zu unter¬
suchen ; doch deutete man zu jener Zeit an, es wären zwei große Speculanten
aus der politischen Welt und ein oder zwei Ilnterhausmitglieder. Bei
einer spätern Gelegenheit, wurde ein Mitglied des Ministeriums Gren-
ville, Lord Moira, in aller Form beschuldigt, die ihm als Minister zugekom¬
menen Nachrichten zu Börsenspeculanonen verwendet zu haben. Sein Ankläger
war ein Commis der englischen Bank; aber dieser konnte seine Anschuldigungen
nicht beweisen, und die Sache schlief wieder ein, nachdem sie beträchtliches Auf¬
sehen gemacht hatte.

Man hätte meinen sollen, daß das häufige Wiederkehren der falschen
Nachrichten von Napoleons Tode die Wirkung derselben zuletzt hätte abstumpfen
sollen. Aber noch im letzten Jahre des Krieges zeigte sie sich wirksam. Zei¬
tig im Jahre 4 81L> wurden große Ankäufe in Consols auf Zeit gemacht, und
zwar von Personen, welche den Mäklern nicht als Speculanten bekannt waren,
denn sie waren besonders ausgesucht worden. Nachdem der erste Act des
Dramas auf diese Weise beendigt war, handelte es sich darum, den zweiten Act
zu beginnen. Demnach landeten eines Morgens in Dover in einem offenen
Boote einige Personen in der Uniform französischer Offiziere, die sich sofort in
ein dasiges Gasthaus begaben und vierspännige Ertrapost bestellten, um in größter
Eile nach Louter weiter zu reisen. Zufällig ließen sie ein Wort über'den
Zweck ihrer Sendung hören: sie überbrachten die Nachricht von dem Tode Napo¬
leons. Die Neuigkeit verbreitete sich mit Blitzesschnelle weiter. Einige eilten
nach der Telegraphenstation bei Dover, um die wichtige Thatsache nach London
zu telegraphiren: aber zufällig war sehr nebliges Wetter und man konnte sich
nicht einmal mit der nächsten Station in Verbindung setzen. Daß der Tele¬
graph auf diese Weise seine Mitwirkung versagte, war ein schwerer Schlag für
die Speculanten, die nicht nur aus die schnelle Weiterbeförderung der Fabel ge¬
rechnet hatten, sondern auch darauf, daß es durch das halbosficielle Medium
des Telegraphen geschähe. Sie reisten daher sofort in einer vierspännigen
Postchaise ab, kamen auf jeder Station ihrer Reise mit dem Anscheine größter
Eile in die Städte galoppirt, bestellten mit großer Hast frische Pferde und
ließen dabei stets einige Winke über die wichtige Nachricht, welche sie brachten,
fallen. Auf diese Weise erreichten sie die Vorstädte Londons, wo die Postillione
anhielten, die angeblichen französischen Offiziere aus dem Wagen' stiegen, ihn
bezahlten und fortschickten und in einem nahen Privathaus verschwanden, um
ihre Verkleidung abzulegen. Ihre Rolle in dem Drama war ausgespielt und
die Urheber des ganzen Plans hatten nur noch die Wirkung ihrer Machinatio¬
nen abzuwarten.

Binnen kurzem erreichte die Nachricht von dem Tode Napoleons die Stock-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/268>, abgerufen am 22.07.2024.