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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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zig ungeachtet der abgeschlossenen Convention angriffen und ihm noch 12 Ge¬
fangene abnahmen.

Mit dem Haupttheile seines Corps aber gelangte er glücklich bei Aker
über die Elbe und von dort über Potsdam und Berlin nach Schlesien, wo
er sich in Ohlau seinem Regiment anschloß und mit großem Jubel empfangen
wurde. Das Detaschement schenkte ihm einen Ehrensäbel und der preußische
König ehrte seine Verdienste mit dem Majorsrang und dem eisernen Kreuz,
wozu der Kaiser von Nußland noch den Se. Annenorden zweiter Classe fügte.

Nach dem Waffenstillstand behielt Colomb nicht, wie er gehofft und ge¬
wünscht hatte, seine ihm liebgewordenen freiwilligen Jäger, sondern wurde dem
Hauptquartier des General Kleist bei der böhmischen Armee zugetheilt. Seinem
Aufenthalt daselbst entnehmen wir nur die kurze Notiz, daß auch er bestätigt,
wie General Kleist den entscheidenden Entschluß, sich nach Nollendorf zu wen¬
den, ganz selbstständig faßte, ohne dazu einen Befehl vom Hauptquartier er¬
halten zu haben. Auf dem Kamm des Gebirges angekommen, erzählt er,
ergab es sich, daß das Defilv von Geiersberg, durch welches das Kleistsche
Corps ins Thal hinabsteigen sollte, mit Bagage aller Art verstopft uno
durchaus nicht passtrbar war. Man wußte, daß der Feind von Nollendorf
ins Thal vor Teplitz gefolgt war, doch nicht, ob mit einem oder mehren
Corps. Dn faßte General von Kleist am Abend des 29. August -- Colomb
war selbst zugegen und von einem Befehl aus dem Hauptquartier war in
keiner Weise die Rede -- den heldenmüthigen Entschluß, sich links zu wen-
den, die Straße von Nollenvorf zu gewinnen, sich dem Feinde in den Rücken
zu werfen und gewaltsam Bahn zu brechen. Wie ernst dieser Entschluß ge¬
meint war, bekundet eine Aeußerung des Obersten von Grolmann: "Wenn
wir beim Durchschlagen auch die Hälfte liegen lassen, mit der Hälfte werden
wir doch durchkommen." Nach der Schlacht von Kulm erhielt Colomb aber¬
mals ein abgesondertes Commando über 9 Offiziere, 162 Pferde aus ver¬
schiedenen Regimentern, mit denen er im Rücken der französischen Armee
operiren sollte. Charakteristisch ist, daß Colomb sein Commando stets Streif-
corps nannte und den Namen Freicorps streng verpönte, "weil damit gewöhn¬
lich eine verderbliche poetische Lizenz verbunden wird." In den ersten Tagen des
October wandte er sich nun wieder auf sein altes Terrain zwischen Saale und
Orla und setzte sich mit den früher erwähnten Personen von neuem in Ver¬
bindung. Ein Plan, den Marschall Augereau, dessen Corps damals grade
durch Thüringen marschirte, aufzuheben, schlug fehl, ba der Marschall, anstatt
wie gewöhnlich seinen Truppen erst nach einigen Stunden zu folgen, Dies Mal
in ihrer Mitte marschirte. Von dem andern User der Saale sah Colomb aus
seinem Versteck während der Nacht auf der Straße von Rudolstadt nach Jena
den langen Zug der Feinde mit Laternen die breite Chaussee entlang mar-


zig ungeachtet der abgeschlossenen Convention angriffen und ihm noch 12 Ge¬
fangene abnahmen.

Mit dem Haupttheile seines Corps aber gelangte er glücklich bei Aker
über die Elbe und von dort über Potsdam und Berlin nach Schlesien, wo
er sich in Ohlau seinem Regiment anschloß und mit großem Jubel empfangen
wurde. Das Detaschement schenkte ihm einen Ehrensäbel und der preußische
König ehrte seine Verdienste mit dem Majorsrang und dem eisernen Kreuz,
wozu der Kaiser von Nußland noch den Se. Annenorden zweiter Classe fügte.

Nach dem Waffenstillstand behielt Colomb nicht, wie er gehofft und ge¬
wünscht hatte, seine ihm liebgewordenen freiwilligen Jäger, sondern wurde dem
Hauptquartier des General Kleist bei der böhmischen Armee zugetheilt. Seinem
Aufenthalt daselbst entnehmen wir nur die kurze Notiz, daß auch er bestätigt,
wie General Kleist den entscheidenden Entschluß, sich nach Nollendorf zu wen¬
den, ganz selbstständig faßte, ohne dazu einen Befehl vom Hauptquartier er¬
halten zu haben. Auf dem Kamm des Gebirges angekommen, erzählt er,
ergab es sich, daß das Defilv von Geiersberg, durch welches das Kleistsche
Corps ins Thal hinabsteigen sollte, mit Bagage aller Art verstopft uno
durchaus nicht passtrbar war. Man wußte, daß der Feind von Nollendorf
ins Thal vor Teplitz gefolgt war, doch nicht, ob mit einem oder mehren
Corps. Dn faßte General von Kleist am Abend des 29. August — Colomb
war selbst zugegen und von einem Befehl aus dem Hauptquartier war in
keiner Weise die Rede — den heldenmüthigen Entschluß, sich links zu wen-
den, die Straße von Nollenvorf zu gewinnen, sich dem Feinde in den Rücken
zu werfen und gewaltsam Bahn zu brechen. Wie ernst dieser Entschluß ge¬
meint war, bekundet eine Aeußerung des Obersten von Grolmann: „Wenn
wir beim Durchschlagen auch die Hälfte liegen lassen, mit der Hälfte werden
wir doch durchkommen." Nach der Schlacht von Kulm erhielt Colomb aber¬
mals ein abgesondertes Commando über 9 Offiziere, 162 Pferde aus ver¬
schiedenen Regimentern, mit denen er im Rücken der französischen Armee
operiren sollte. Charakteristisch ist, daß Colomb sein Commando stets Streif-
corps nannte und den Namen Freicorps streng verpönte, „weil damit gewöhn¬
lich eine verderbliche poetische Lizenz verbunden wird." In den ersten Tagen des
October wandte er sich nun wieder auf sein altes Terrain zwischen Saale und
Orla und setzte sich mit den früher erwähnten Personen von neuem in Ver¬
bindung. Ein Plan, den Marschall Augereau, dessen Corps damals grade
durch Thüringen marschirte, aufzuheben, schlug fehl, ba der Marschall, anstatt
wie gewöhnlich seinen Truppen erst nach einigen Stunden zu folgen, Dies Mal
in ihrer Mitte marschirte. Von dem andern User der Saale sah Colomb aus
seinem Versteck während der Nacht auf der Straße von Rudolstadt nach Jena
den langen Zug der Feinde mit Laternen die breite Chaussee entlang mar-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/240>, abgerufen am 22.07.2024.