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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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Schirm und folgte ihm später in kurzer Entfernung zum großen Staunen der
Einwohner von Orlamünde, Kasia u. s. w., die nicht begriffen, wie dicht
hinter einer so bedeutenden französischen Colonne eine so kleine Abtheilung
Preußen solgen könnte. Sie entfernten sich erst wieder, nachdem sie viele
Nachzügler gefangen genommen hatten, und als zwei Dragonerregimenter ge¬
gen sie ausrückten. Um sich sür den ihnen entgangenen Fang einigermaßen
zu entschädigen, bereitete Colomb einen Ueberfall auf die in und um Langen-
salza versammelten Depots der sächsischen Cavalerie vor, auf die ihn bereits
Fürst Schwarzenberg, als er sich vor dem Abmarsch aus dem Hauptquartiere
bei diesem gemeldet hatte, aufmerksam gemacht. Die neuesten Nachrichten
lauteten dahin, daß der die Depots commandirende Offizier sich in Langen-
salza nicht mehr sicher geglaubt habe, über den thüringer Wald in die Graf¬
schaft Henneberg gegangen sei und in Schleusingen und Gegend Cantonnirun-
gen bezogen hätte. Deshalb schickte Colomb den freiwilligen Jäger Ravenv
mit einem Paß als Handlungsdiener nach Schleusingen, um Erkundigungen
einzuziehen und bestimmte ihm Oberweisbach auf dem thüringer Walde als Rendez¬
vous; er selbst bewegte sich in kleinen Märschen über Pösneck nach Schlöttwein,
Birkicht und Lausenitz, wo er aus Rudolstadt erfuhr, daß ein sächsischer Offizier
mit Extrapost dort eingetroffen sei und sich nach dem feindlichen Streifcorps erkun¬
digt habe, aber über deren Nichtvorhandensein in dortiger Gegend gänzlich beruhigt
wieder abgereist sei. Bei Rudolstadt ging dann Colomb über die Saale und nach
Schwarzburg und erreichte nach einem beschwerlichen Marsch von mehr als
sechs Meilen auf großenteils schlechten Gebirgswegen Oberweisbach, welcher
Ort sofort auf das strengste umstellt wurde, so daß Ankommende wol hinein,
niemand aber heraus konnte. Der Kundschafter Navene fand sich im Laufe
des 12. Octobers ein. Er hatte sich trefflich orientirt, mit den Offizieren im
Wirthshause gegessen und aus ihren Gesprächen entnommen, daß nicht die
zufriedenste Stimmung unter ihnen herrschte. Im Uebrigen schilderte er die
Lage der einzelnen Cantonnirungen im Thale der Schleuse und Werra bis
Thcmar dem Unternehmen als günstig, obgleich sich die Zahl der daselbst ver¬
sammelten Mannschaften auf mehr als 300 mit ebensoviel Pferden belief.
Auf diese Auskunft hin beschloß Colomb, Schleusingen, wo der Cvmmandi¬
rende und alle höheren Offiziere wohnten, zu überfallen, in der Hoffnung,
durch die Gefangennehmung der letzteren altes so in Verwirrung zu bringen,
daß die andern Abtheilungen sich leicht bewegen lassen würden, sich zu ergeben.
Als sich das Streifcorps aus den schlechten Gebirgswegen herausgewickelt
hatte, betrat es die von Schleusingen nach Ilmenau führende Straße. "Als
noch ein dichter Morgennebel in der Schlucht lag," berichtet Colomb selbst,
"die wir hinabstiegen, ich mit Lieutenant von Hirschfeld und dem Jäger
Pustar an der Spitze ritt, gewahrten wir einige noch unkenntliche Gestalten,


Grenzboten. III. -I8ö6. 30

Schirm und folgte ihm später in kurzer Entfernung zum großen Staunen der
Einwohner von Orlamünde, Kasia u. s. w., die nicht begriffen, wie dicht
hinter einer so bedeutenden französischen Colonne eine so kleine Abtheilung
Preußen solgen könnte. Sie entfernten sich erst wieder, nachdem sie viele
Nachzügler gefangen genommen hatten, und als zwei Dragonerregimenter ge¬
gen sie ausrückten. Um sich sür den ihnen entgangenen Fang einigermaßen
zu entschädigen, bereitete Colomb einen Ueberfall auf die in und um Langen-
salza versammelten Depots der sächsischen Cavalerie vor, auf die ihn bereits
Fürst Schwarzenberg, als er sich vor dem Abmarsch aus dem Hauptquartiere
bei diesem gemeldet hatte, aufmerksam gemacht. Die neuesten Nachrichten
lauteten dahin, daß der die Depots commandirende Offizier sich in Langen-
salza nicht mehr sicher geglaubt habe, über den thüringer Wald in die Graf¬
schaft Henneberg gegangen sei und in Schleusingen und Gegend Cantonnirun-
gen bezogen hätte. Deshalb schickte Colomb den freiwilligen Jäger Ravenv
mit einem Paß als Handlungsdiener nach Schleusingen, um Erkundigungen
einzuziehen und bestimmte ihm Oberweisbach auf dem thüringer Walde als Rendez¬
vous; er selbst bewegte sich in kleinen Märschen über Pösneck nach Schlöttwein,
Birkicht und Lausenitz, wo er aus Rudolstadt erfuhr, daß ein sächsischer Offizier
mit Extrapost dort eingetroffen sei und sich nach dem feindlichen Streifcorps erkun¬
digt habe, aber über deren Nichtvorhandensein in dortiger Gegend gänzlich beruhigt
wieder abgereist sei. Bei Rudolstadt ging dann Colomb über die Saale und nach
Schwarzburg und erreichte nach einem beschwerlichen Marsch von mehr als
sechs Meilen auf großenteils schlechten Gebirgswegen Oberweisbach, welcher
Ort sofort auf das strengste umstellt wurde, so daß Ankommende wol hinein,
niemand aber heraus konnte. Der Kundschafter Navene fand sich im Laufe
des 12. Octobers ein. Er hatte sich trefflich orientirt, mit den Offizieren im
Wirthshause gegessen und aus ihren Gesprächen entnommen, daß nicht die
zufriedenste Stimmung unter ihnen herrschte. Im Uebrigen schilderte er die
Lage der einzelnen Cantonnirungen im Thale der Schleuse und Werra bis
Thcmar dem Unternehmen als günstig, obgleich sich die Zahl der daselbst ver¬
sammelten Mannschaften auf mehr als 300 mit ebensoviel Pferden belief.
Auf diese Auskunft hin beschloß Colomb, Schleusingen, wo der Cvmmandi¬
rende und alle höheren Offiziere wohnten, zu überfallen, in der Hoffnung,
durch die Gefangennehmung der letzteren altes so in Verwirrung zu bringen,
daß die andern Abtheilungen sich leicht bewegen lassen würden, sich zu ergeben.
Als sich das Streifcorps aus den schlechten Gebirgswegen herausgewickelt
hatte, betrat es die von Schleusingen nach Ilmenau führende Straße. „Als
noch ein dichter Morgennebel in der Schlucht lag," berichtet Colomb selbst,
»die wir hinabstiegen, ich mit Lieutenant von Hirschfeld und dem Jäger
Pustar an der Spitze ritt, gewahrten wir einige noch unkenntliche Gestalten,


Grenzboten. III. -I8ö6. 30
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[0241] Schirm und folgte ihm später in kurzer Entfernung zum großen Staunen der Einwohner von Orlamünde, Kasia u. s. w., die nicht begriffen, wie dicht hinter einer so bedeutenden französischen Colonne eine so kleine Abtheilung Preußen solgen könnte. Sie entfernten sich erst wieder, nachdem sie viele Nachzügler gefangen genommen hatten, und als zwei Dragonerregimenter ge¬ gen sie ausrückten. Um sich sür den ihnen entgangenen Fang einigermaßen zu entschädigen, bereitete Colomb einen Ueberfall auf die in und um Langen- salza versammelten Depots der sächsischen Cavalerie vor, auf die ihn bereits Fürst Schwarzenberg, als er sich vor dem Abmarsch aus dem Hauptquartiere bei diesem gemeldet hatte, aufmerksam gemacht. Die neuesten Nachrichten lauteten dahin, daß der die Depots commandirende Offizier sich in Langen- salza nicht mehr sicher geglaubt habe, über den thüringer Wald in die Graf¬ schaft Henneberg gegangen sei und in Schleusingen und Gegend Cantonnirun- gen bezogen hätte. Deshalb schickte Colomb den freiwilligen Jäger Ravenv mit einem Paß als Handlungsdiener nach Schleusingen, um Erkundigungen einzuziehen und bestimmte ihm Oberweisbach auf dem thüringer Walde als Rendez¬ vous; er selbst bewegte sich in kleinen Märschen über Pösneck nach Schlöttwein, Birkicht und Lausenitz, wo er aus Rudolstadt erfuhr, daß ein sächsischer Offizier mit Extrapost dort eingetroffen sei und sich nach dem feindlichen Streifcorps erkun¬ digt habe, aber über deren Nichtvorhandensein in dortiger Gegend gänzlich beruhigt wieder abgereist sei. Bei Rudolstadt ging dann Colomb über die Saale und nach Schwarzburg und erreichte nach einem beschwerlichen Marsch von mehr als sechs Meilen auf großenteils schlechten Gebirgswegen Oberweisbach, welcher Ort sofort auf das strengste umstellt wurde, so daß Ankommende wol hinein, niemand aber heraus konnte. Der Kundschafter Navene fand sich im Laufe des 12. Octobers ein. Er hatte sich trefflich orientirt, mit den Offizieren im Wirthshause gegessen und aus ihren Gesprächen entnommen, daß nicht die zufriedenste Stimmung unter ihnen herrschte. Im Uebrigen schilderte er die Lage der einzelnen Cantonnirungen im Thale der Schleuse und Werra bis Thcmar dem Unternehmen als günstig, obgleich sich die Zahl der daselbst ver¬ sammelten Mannschaften auf mehr als 300 mit ebensoviel Pferden belief. Auf diese Auskunft hin beschloß Colomb, Schleusingen, wo der Cvmmandi¬ rende und alle höheren Offiziere wohnten, zu überfallen, in der Hoffnung, durch die Gefangennehmung der letzteren altes so in Verwirrung zu bringen, daß die andern Abtheilungen sich leicht bewegen lassen würden, sich zu ergeben. Als sich das Streifcorps aus den schlechten Gebirgswegen herausgewickelt hatte, betrat es die von Schleusingen nach Ilmenau führende Straße. „Als noch ein dichter Morgennebel in der Schlucht lag," berichtet Colomb selbst, »die wir hinabstiegen, ich mit Lieutenant von Hirschfeld und dem Jäger Pustar an der Spitze ritt, gewahrten wir einige noch unkenntliche Gestalten, Grenzboten. III. -I8ö6. 30

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/241>, abgerufen am 22.07.2024.