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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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zosen hatten sie ritterlich vertheidigt, denn um den Wagen, in welchem sie saß,
fand Colomb die gefangenen Offiziere sämmtlich mit blutigen Köpfen. Sie
wurde nebst den Offizieren und Blessirten nach dem Dörfchen Pohlau ge¬
schafft. Der den Train commandirende Capitain suchte der Zerstörung desselben
dadurch vorzubeugen, daß er Colomb vorstellte, er werde sich dadurch ein schlech¬
tes Loos bei den Franzosen bereiten, denn der Gefangenschaft könne er doch
nicht entgehen; .aber unser wackerer Rittmeister ließ sich dadurch nicht abhal¬
ten, sondern ließ die Wagen verbrennen und in die Luft sprengen, 24 Geschütz¬
röhre vernageln, die Visire abseiten und sie auf andere Weise untauglich
machen. Von den Pferden wurden die besten ausgesucht und mitgenommen,
viele an die Bauern verschenkt und die untauglichen erschossen, die Gefangenen
aber, die Offiziere gegen daS Ehrenwort, die übrigen gegen das eidliche Ver-
sprechen, nicht gegen die Alliirien zu dienen, entlassen. DaS ganze Unter¬
nehmen hatte dem Strriftorps nur einen Todten und sieben Leichtverwundete
gekostet. Auf dem Weitermarsche nach Greiz passirte Colomb ein Dorf, wo
aus der Predigerwohnung neben der Kirche der Geistliche des Ortes trat und
den Rittmeister fragte, ob sie die Preußen seien, die am vorigen Tage den
Franzosen solchen Schaden zugefügt hätten? Als er dies bejahte, nahm der
Geistliche seine Mütze ab, erhob die Hände gegen die Vorbeiziehenden und
wiederholte mehrmals die Worte: "Gott segne euch!" Darauf zogen alle
Bauern die Mützen ab und nickten zustimmend mit dem Kopfe, eine Hul¬
digung, die aus die Vorbeimarschirenden einen sehr erhebenden Eindruck
machte.

Auf die Nachricht, daß in der leipziger Gegend preußische leichte Cava-
lerie streife, beschloß Colomb, in der Meinung, daß die Nordarmee die Elbe
überschritten habe, sich dieser Stadt zu nähern, stieß aber bereits bei Jena
auf das Streifcorps Lützows, der ihn über die wahre Sachlage unterrichtete.
Mit Lützow verabredete er den kühnen Plan, einen bedeutenden Artilleriepark,
der, wie er durch aufgefangene Briefe erfahren hatte, in Augsburg organistrt
wurde, zu überfallen und zu vernichten, doch wurde die Ausführung durch die
mittlerweile eintreffende Nachricht von dem zwischen Frankreich und den Verbün¬
deten abgeschlossenen Waffenstillstand vereitelt. Da den Bestimmungen dessel¬
ben gemäß alle am linken Elbufer befindlichen kleinen Corps bereits am
12. Juni diesen Fluß passirt haben sollten, Colomb aber erst diese Nach¬
richt an demselben Tage bei Jena erhielt, so schloß er mit dem französischen
^mmandanten dieser Stadt eine Convention ab, die ihm den Rückmarsch nach
der Elbe sicherte und die anch von dem Gouverneur von Erfurt, General
Doucet, bestätigt wurde. Trotzdem hätte ihn beinahe dasselbe Loos getroffen,
wie den während des Waffenstillstandes verräterisch von dem Würtenbergern
üverfallenen Lützow, indem westphälische Kürassiere am 22. Juni ihn in Grob-


zosen hatten sie ritterlich vertheidigt, denn um den Wagen, in welchem sie saß,
fand Colomb die gefangenen Offiziere sämmtlich mit blutigen Köpfen. Sie
wurde nebst den Offizieren und Blessirten nach dem Dörfchen Pohlau ge¬
schafft. Der den Train commandirende Capitain suchte der Zerstörung desselben
dadurch vorzubeugen, daß er Colomb vorstellte, er werde sich dadurch ein schlech¬
tes Loos bei den Franzosen bereiten, denn der Gefangenschaft könne er doch
nicht entgehen; .aber unser wackerer Rittmeister ließ sich dadurch nicht abhal¬
ten, sondern ließ die Wagen verbrennen und in die Luft sprengen, 24 Geschütz¬
röhre vernageln, die Visire abseiten und sie auf andere Weise untauglich
machen. Von den Pferden wurden die besten ausgesucht und mitgenommen,
viele an die Bauern verschenkt und die untauglichen erschossen, die Gefangenen
aber, die Offiziere gegen daS Ehrenwort, die übrigen gegen das eidliche Ver-
sprechen, nicht gegen die Alliirien zu dienen, entlassen. DaS ganze Unter¬
nehmen hatte dem Strriftorps nur einen Todten und sieben Leichtverwundete
gekostet. Auf dem Weitermarsche nach Greiz passirte Colomb ein Dorf, wo
aus der Predigerwohnung neben der Kirche der Geistliche des Ortes trat und
den Rittmeister fragte, ob sie die Preußen seien, die am vorigen Tage den
Franzosen solchen Schaden zugefügt hätten? Als er dies bejahte, nahm der
Geistliche seine Mütze ab, erhob die Hände gegen die Vorbeiziehenden und
wiederholte mehrmals die Worte: „Gott segne euch!" Darauf zogen alle
Bauern die Mützen ab und nickten zustimmend mit dem Kopfe, eine Hul¬
digung, die aus die Vorbeimarschirenden einen sehr erhebenden Eindruck
machte.

Auf die Nachricht, daß in der leipziger Gegend preußische leichte Cava-
lerie streife, beschloß Colomb, in der Meinung, daß die Nordarmee die Elbe
überschritten habe, sich dieser Stadt zu nähern, stieß aber bereits bei Jena
auf das Streifcorps Lützows, der ihn über die wahre Sachlage unterrichtete.
Mit Lützow verabredete er den kühnen Plan, einen bedeutenden Artilleriepark,
der, wie er durch aufgefangene Briefe erfahren hatte, in Augsburg organistrt
wurde, zu überfallen und zu vernichten, doch wurde die Ausführung durch die
mittlerweile eintreffende Nachricht von dem zwischen Frankreich und den Verbün¬
deten abgeschlossenen Waffenstillstand vereitelt. Da den Bestimmungen dessel¬
ben gemäß alle am linken Elbufer befindlichen kleinen Corps bereits am
12. Juni diesen Fluß passirt haben sollten, Colomb aber erst diese Nach¬
richt an demselben Tage bei Jena erhielt, so schloß er mit dem französischen
^mmandanten dieser Stadt eine Convention ab, die ihm den Rückmarsch nach
der Elbe sicherte und die anch von dem Gouverneur von Erfurt, General
Doucet, bestätigt wurde. Trotzdem hätte ihn beinahe dasselbe Loos getroffen,
wie den während des Waffenstillstandes verräterisch von dem Würtenbergern
üverfallenen Lützow, indem westphälische Kürassiere am 22. Juni ihn in Grob-


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[0239] zosen hatten sie ritterlich vertheidigt, denn um den Wagen, in welchem sie saß, fand Colomb die gefangenen Offiziere sämmtlich mit blutigen Köpfen. Sie wurde nebst den Offizieren und Blessirten nach dem Dörfchen Pohlau ge¬ schafft. Der den Train commandirende Capitain suchte der Zerstörung desselben dadurch vorzubeugen, daß er Colomb vorstellte, er werde sich dadurch ein schlech¬ tes Loos bei den Franzosen bereiten, denn der Gefangenschaft könne er doch nicht entgehen; .aber unser wackerer Rittmeister ließ sich dadurch nicht abhal¬ ten, sondern ließ die Wagen verbrennen und in die Luft sprengen, 24 Geschütz¬ röhre vernageln, die Visire abseiten und sie auf andere Weise untauglich machen. Von den Pferden wurden die besten ausgesucht und mitgenommen, viele an die Bauern verschenkt und die untauglichen erschossen, die Gefangenen aber, die Offiziere gegen daS Ehrenwort, die übrigen gegen das eidliche Ver- sprechen, nicht gegen die Alliirien zu dienen, entlassen. DaS ganze Unter¬ nehmen hatte dem Strriftorps nur einen Todten und sieben Leichtverwundete gekostet. Auf dem Weitermarsche nach Greiz passirte Colomb ein Dorf, wo aus der Predigerwohnung neben der Kirche der Geistliche des Ortes trat und den Rittmeister fragte, ob sie die Preußen seien, die am vorigen Tage den Franzosen solchen Schaden zugefügt hätten? Als er dies bejahte, nahm der Geistliche seine Mütze ab, erhob die Hände gegen die Vorbeiziehenden und wiederholte mehrmals die Worte: „Gott segne euch!" Darauf zogen alle Bauern die Mützen ab und nickten zustimmend mit dem Kopfe, eine Hul¬ digung, die aus die Vorbeimarschirenden einen sehr erhebenden Eindruck machte. Auf die Nachricht, daß in der leipziger Gegend preußische leichte Cava- lerie streife, beschloß Colomb, in der Meinung, daß die Nordarmee die Elbe überschritten habe, sich dieser Stadt zu nähern, stieß aber bereits bei Jena auf das Streifcorps Lützows, der ihn über die wahre Sachlage unterrichtete. Mit Lützow verabredete er den kühnen Plan, einen bedeutenden Artilleriepark, der, wie er durch aufgefangene Briefe erfahren hatte, in Augsburg organistrt wurde, zu überfallen und zu vernichten, doch wurde die Ausführung durch die mittlerweile eintreffende Nachricht von dem zwischen Frankreich und den Verbün¬ deten abgeschlossenen Waffenstillstand vereitelt. Da den Bestimmungen dessel¬ ben gemäß alle am linken Elbufer befindlichen kleinen Corps bereits am 12. Juni diesen Fluß passirt haben sollten, Colomb aber erst diese Nach¬ richt an demselben Tage bei Jena erhielt, so schloß er mit dem französischen ^mmandanten dieser Stadt eine Convention ab, die ihm den Rückmarsch nach der Elbe sicherte und die anch von dem Gouverneur von Erfurt, General Doucet, bestätigt wurde. Trotzdem hätte ihn beinahe dasselbe Loos getroffen, wie den während des Waffenstillstandes verräterisch von dem Würtenbergern üverfallenen Lützow, indem westphälische Kürassiere am 22. Juni ihn in Grob-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/239>, abgerufen am 22.07.2024.