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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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Partei kämpfte die kölnische Zeitung. Sie kämpfte gegen die Dominial-
Polizei, gegen die Restauration der Stände, gegen die Herstellung der ältern
Gemeinde- und Kreisordnungen in den östlichen Provinzen. Da erklärte
der Prinz von Preußen im April 1831 in Köln: "die kölnische Presse
säet Zwietracht und reizt zur Unzufriedenheit" und es folgten diesen könig¬
lichen Worten Vermahnungen des Regierungspräsidenten zu Köln zu "Vor¬
sicht und Mäßigung." Am 13. und 2". Mai 1831 ordnete der Minister
von Westphalen die Einberufung der alten Kreis- und Provinzialstände an
zur Ausführung des Einkommensteuergesetzes und zur Begutachtung einer
vollständigen Umwandlung der suspendirten Gesetze vom 11. Mai 1830.
Nicht etwa blos die Konstitutionellen, sondern auch höchst conservative Män¬
ner -- Graf FürsteiU'erg-Stammheim, Herr von Bethmann-Hollwcg -- protestir-
ten gegen diese Untergrabung und Verletzung der Verfassung: sie verweigerten
das Erscheinen in den reactivirten Versammlungen. Die opponirende Presse
wurde zum Schweigen gebracht, der König nannte den Geist der kölnischen
Zeitung einen "feindseligen": der inzwischen zum Oberpräsidenten der Rhein¬
provinz ernannte Herr von Kleist-Retzow drohte der Zeitung mit den "streng¬
sten administrativen Maßregeln", wenn sie ihre bisherigen Angriffe auf die
Maßnahmen der Negierung nicht einstelle. Herr Brüggemann erklärte unter
dem 23 August mit den Worten: ,,V<zru, Je-cM Amen>, cle-giFnor älekre lalsa.!"
er werde sich fortan voll jeder Beurtheilung der Negierungsmaßregeln fern
halten. Einen Tendenzwechsel der Zeitung zu erzielen gelang jedoch Herrn
von Kleist-Retzow nicht. Verhandlungen mit den höchsten Behörden in Berlin
im November 1831 hatten das Resultat, daß die kölnische Zeitung ihre Ten¬
denz beibehalten und die Besprechung der preußischen Politik allseitig wieder
aufnehmen durfte. Sie sollte sich aber größter Mäßigung und Vorsicht be¬
fleißigen und weder der Regierung, noch, den mit ihr stimmenden Kammer-
Parteien "schlechte Motive" unterlegen. Die Polemik sollte alles "persönlich
Verletzende" vermeiden, doch Angriffe andrer Blätter mit gleicher Münze be¬
zahlen dürfen. Eine wirklich verfassungsmäßige Preßfreiheit war aber auch
das nicht; die kölner Zeitung erklärte bald darauf, von einer kritischen Be¬
sprechung der Thronrede, von lebhafterer Betheiligung an den Kämpfen der
Kammerparteien müsse sie Umgang nehmen.

Ein neuer Abschnitt sür die Redactionsthätigkeit des Herrn Brüggemann
begann im Frühjahr 1833 mit der orientalischen Verwicklung. Er begrüßte
froh die Gegenströmung des Westens gegen den erstarrenden russischen Eis¬
strom. Die preußische Negierung folgte anfangs dem Westen. Obgleich die
Kreuzpeilung erklärte: "Nußland ist im Recht und Preußen kann nicht wider
das Recht," erklärte die preußische Regierung in Wien mit den drei andern
Großmächten Rußland im Unrecht. Im October 1833 verwarf Preußen die


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Partei kämpfte die kölnische Zeitung. Sie kämpfte gegen die Dominial-
Polizei, gegen die Restauration der Stände, gegen die Herstellung der ältern
Gemeinde- und Kreisordnungen in den östlichen Provinzen. Da erklärte
der Prinz von Preußen im April 1831 in Köln: „die kölnische Presse
säet Zwietracht und reizt zur Unzufriedenheit" und es folgten diesen könig¬
lichen Worten Vermahnungen des Regierungspräsidenten zu Köln zu „Vor¬
sicht und Mäßigung." Am 13. und 2«. Mai 1831 ordnete der Minister
von Westphalen die Einberufung der alten Kreis- und Provinzialstände an
zur Ausführung des Einkommensteuergesetzes und zur Begutachtung einer
vollständigen Umwandlung der suspendirten Gesetze vom 11. Mai 1830.
Nicht etwa blos die Konstitutionellen, sondern auch höchst conservative Män¬
ner — Graf FürsteiU'erg-Stammheim, Herr von Bethmann-Hollwcg — protestir-
ten gegen diese Untergrabung und Verletzung der Verfassung: sie verweigerten
das Erscheinen in den reactivirten Versammlungen. Die opponirende Presse
wurde zum Schweigen gebracht, der König nannte den Geist der kölnischen
Zeitung einen „feindseligen": der inzwischen zum Oberpräsidenten der Rhein¬
provinz ernannte Herr von Kleist-Retzow drohte der Zeitung mit den „streng¬
sten administrativen Maßregeln", wenn sie ihre bisherigen Angriffe auf die
Maßnahmen der Negierung nicht einstelle. Herr Brüggemann erklärte unter
dem 23 August mit den Worten: ,,V<zru, Je-cM Amen>, cle-giFnor älekre lalsa.!"
er werde sich fortan voll jeder Beurtheilung der Negierungsmaßregeln fern
halten. Einen Tendenzwechsel der Zeitung zu erzielen gelang jedoch Herrn
von Kleist-Retzow nicht. Verhandlungen mit den höchsten Behörden in Berlin
im November 1831 hatten das Resultat, daß die kölnische Zeitung ihre Ten¬
denz beibehalten und die Besprechung der preußischen Politik allseitig wieder
aufnehmen durfte. Sie sollte sich aber größter Mäßigung und Vorsicht be¬
fleißigen und weder der Regierung, noch, den mit ihr stimmenden Kammer-
Parteien „schlechte Motive" unterlegen. Die Polemik sollte alles „persönlich
Verletzende" vermeiden, doch Angriffe andrer Blätter mit gleicher Münze be¬
zahlen dürfen. Eine wirklich verfassungsmäßige Preßfreiheit war aber auch
das nicht; die kölner Zeitung erklärte bald darauf, von einer kritischen Be¬
sprechung der Thronrede, von lebhafterer Betheiligung an den Kämpfen der
Kammerparteien müsse sie Umgang nehmen.

Ein neuer Abschnitt sür die Redactionsthätigkeit des Herrn Brüggemann
begann im Frühjahr 1833 mit der orientalischen Verwicklung. Er begrüßte
froh die Gegenströmung des Westens gegen den erstarrenden russischen Eis¬
strom. Die preußische Negierung folgte anfangs dem Westen. Obgleich die
Kreuzpeilung erklärte: „Nußland ist im Recht und Preußen kann nicht wider
das Recht," erklärte die preußische Regierung in Wien mit den drei andern
Großmächten Rußland im Unrecht. Im October 1833 verwarf Preußen die


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[0147] Partei kämpfte die kölnische Zeitung. Sie kämpfte gegen die Dominial- Polizei, gegen die Restauration der Stände, gegen die Herstellung der ältern Gemeinde- und Kreisordnungen in den östlichen Provinzen. Da erklärte der Prinz von Preußen im April 1831 in Köln: „die kölnische Presse säet Zwietracht und reizt zur Unzufriedenheit" und es folgten diesen könig¬ lichen Worten Vermahnungen des Regierungspräsidenten zu Köln zu „Vor¬ sicht und Mäßigung." Am 13. und 2«. Mai 1831 ordnete der Minister von Westphalen die Einberufung der alten Kreis- und Provinzialstände an zur Ausführung des Einkommensteuergesetzes und zur Begutachtung einer vollständigen Umwandlung der suspendirten Gesetze vom 11. Mai 1830. Nicht etwa blos die Konstitutionellen, sondern auch höchst conservative Män¬ ner — Graf FürsteiU'erg-Stammheim, Herr von Bethmann-Hollwcg — protestir- ten gegen diese Untergrabung und Verletzung der Verfassung: sie verweigerten das Erscheinen in den reactivirten Versammlungen. Die opponirende Presse wurde zum Schweigen gebracht, der König nannte den Geist der kölnischen Zeitung einen „feindseligen": der inzwischen zum Oberpräsidenten der Rhein¬ provinz ernannte Herr von Kleist-Retzow drohte der Zeitung mit den „streng¬ sten administrativen Maßregeln", wenn sie ihre bisherigen Angriffe auf die Maßnahmen der Negierung nicht einstelle. Herr Brüggemann erklärte unter dem 23 August mit den Worten: ,,V<zru, Je-cM Amen>, cle-giFnor älekre lalsa.!" er werde sich fortan voll jeder Beurtheilung der Negierungsmaßregeln fern halten. Einen Tendenzwechsel der Zeitung zu erzielen gelang jedoch Herrn von Kleist-Retzow nicht. Verhandlungen mit den höchsten Behörden in Berlin im November 1831 hatten das Resultat, daß die kölnische Zeitung ihre Ten¬ denz beibehalten und die Besprechung der preußischen Politik allseitig wieder aufnehmen durfte. Sie sollte sich aber größter Mäßigung und Vorsicht be¬ fleißigen und weder der Regierung, noch, den mit ihr stimmenden Kammer- Parteien „schlechte Motive" unterlegen. Die Polemik sollte alles „persönlich Verletzende" vermeiden, doch Angriffe andrer Blätter mit gleicher Münze be¬ zahlen dürfen. Eine wirklich verfassungsmäßige Preßfreiheit war aber auch das nicht; die kölner Zeitung erklärte bald darauf, von einer kritischen Be¬ sprechung der Thronrede, von lebhafterer Betheiligung an den Kämpfen der Kammerparteien müsse sie Umgang nehmen. Ein neuer Abschnitt sür die Redactionsthätigkeit des Herrn Brüggemann begann im Frühjahr 1833 mit der orientalischen Verwicklung. Er begrüßte froh die Gegenströmung des Westens gegen den erstarrenden russischen Eis¬ strom. Die preußische Negierung folgte anfangs dem Westen. Obgleich die Kreuzpeilung erklärte: „Nußland ist im Recht und Preußen kann nicht wider das Recht," erklärte die preußische Regierung in Wien mit den drei andern Großmächten Rußland im Unrecht. Im October 1833 verwarf Preußen die 18*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/147>, abgerufen am 22.12.2024.