Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.heit erwarten darf. Er wußte seine schöne und namentlich in der eigentlichen Nicht ganz so befriedigend war die Baßpartie durch Herrn Mitterwurzer Man war natürlich bedacht gewesen, der imposanten Sängermasse ein heit erwarten darf. Er wußte seine schöne und namentlich in der eigentlichen Nicht ganz so befriedigend war die Baßpartie durch Herrn Mitterwurzer Man war natürlich bedacht gewesen, der imposanten Sängermasse ein <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0012" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/99932"/> <p xml:id="ID_12" prev="#ID_11"> heit erwarten darf. Er wußte seine schöne und namentlich in der eigentlichen<lb/> Tenorlagc — denn in den tiefern Tönen verliert sie an Kraft — sehr wohl¬<lb/> klingende Stimme vortrefflich geltend zu machen und namentlich gelang es<lb/> ihm fast durchgehends, eine gewisse Neigung zu weicher Sentimentalität, von<lb/> der er sich sonst nicht immer frei hält, zu besiegen und seinem Gesänge den<lb/> Charakter einer kräftigen Männlichkeit zu geben. Das Publicum sprach seine<lb/> lebhafte Befriedigung durch wiederholten und lauten Beifall aus.</p><lb/> <p xml:id="ID_13"> Nicht ganz so befriedigend war die Baßpartie durch Herrn Mitterwurzer<lb/> aus Dresden vertreten. Seine Stimme ist mehr Bariton als Baß und in<lb/> der Tiefe deshalb nicht ausreichend, auch hatte er das Unglück, nicht immer<lb/> rein zu intoniren. Kaum geringer war der Uebelstand, daß er das Theater<lb/> nicht vergessen konnte und theils im Vortrag gewisse Unarten, namentlich das<lb/> Ueberziehen der Töne und Uebertreibungen, wie man sie in der Oper leider<lb/> zu hören gewöhnt worden ist, nicht unterlassen konnte, theils die Gelegenheit,<lb/> die Stärke seiner materiellen Stimmmittel geltend zu machen mitunter indis-<lb/> cret benutzte. Kurz man vermißte oft die Einfachheit und Würde, durch<lb/> welche sich eine wahrhaft künstlerische Bildung bewährt Hätte und Herr Mitter¬<lb/> wurzer stellte sich selbst gegen die andern Solisten in den Schatten.</p><lb/> <p xml:id="ID_14" next="#ID_15"> Man war natürlich bedacht gewesen, der imposanten Sängermasse ein<lb/> entsprechendes Orchester gegenüberzustellen. Die Saiteninstrumente waren so<lb/> stark besetzt, daß sie gegen die Blasinstrumente vollständig die Oberhand be¬<lb/> halten und den Kern des Ganzen bilden konnten, wie es sich gehört und wie<lb/> man es doch jetzt nicht gar oft hört. Es waren Kö Violinen, Ä9 Bratschen,<lb/> SS Violoneelle und -14 Contrabässe; dagegen von den Holzbläsern vier bei jedem<lb/> Instrument und die Blechinstrumente, mit Ausnahme der Hornisten, deren sechs<lb/> waren, nur einfach besetzt. Das Orchester war überwiegend aus Musikern von<lb/> Düsseldorf, Köln und Elberseld gebildet, das Contingent, welches andre<lb/> rheinische Städte gestellt hatten, trat gegen diese zurück, einzelne waren<lb/> auch aus andern Gegenden hinzugekommen. Als Vorgeiger hatte man<lb/> Herrn Concertmeister David aus Leipzig eingeladen, mit dessen Erfahrung,<lb/> Eifer und Ausdauer an diesem Platz wenige es aufnehmen mögen. In der<lb/> That waren auch die Leistungen der Saiteninstrumente durchaus ganz vortreff-<lb/> lich; der feste und gesunde Charakter, welchen die Klangfarbe des Orchesters<lb/> durch die kräftige Haltung der Saiteninstrumente erhielt, machte in seiner Art<lb/> einen ebenso wohlthätigen Eindruck, als ihn der Chor machte, und beide in<lb/> ihrem Zusammenwirken waren vo» imposanter Macht. Leider kann man nicht<lb/> verhehlen, daß die Blasinstrumente den Saiteninstrumenten in keiner Weise<lb/> gleich standen. Daß eine ausgezeichnete Virtuosität nirgend hervortrat, würde<lb/> man nicht tadeln können, allein sie genügten auch den Anforderungen nicht<lb/> überall, welche man bei Aufführungen dieser Art an Orchesterspieler zu stellen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0012]
heit erwarten darf. Er wußte seine schöne und namentlich in der eigentlichen
Tenorlagc — denn in den tiefern Tönen verliert sie an Kraft — sehr wohl¬
klingende Stimme vortrefflich geltend zu machen und namentlich gelang es
ihm fast durchgehends, eine gewisse Neigung zu weicher Sentimentalität, von
der er sich sonst nicht immer frei hält, zu besiegen und seinem Gesänge den
Charakter einer kräftigen Männlichkeit zu geben. Das Publicum sprach seine
lebhafte Befriedigung durch wiederholten und lauten Beifall aus.
Nicht ganz so befriedigend war die Baßpartie durch Herrn Mitterwurzer
aus Dresden vertreten. Seine Stimme ist mehr Bariton als Baß und in
der Tiefe deshalb nicht ausreichend, auch hatte er das Unglück, nicht immer
rein zu intoniren. Kaum geringer war der Uebelstand, daß er das Theater
nicht vergessen konnte und theils im Vortrag gewisse Unarten, namentlich das
Ueberziehen der Töne und Uebertreibungen, wie man sie in der Oper leider
zu hören gewöhnt worden ist, nicht unterlassen konnte, theils die Gelegenheit,
die Stärke seiner materiellen Stimmmittel geltend zu machen mitunter indis-
cret benutzte. Kurz man vermißte oft die Einfachheit und Würde, durch
welche sich eine wahrhaft künstlerische Bildung bewährt Hätte und Herr Mitter¬
wurzer stellte sich selbst gegen die andern Solisten in den Schatten.
Man war natürlich bedacht gewesen, der imposanten Sängermasse ein
entsprechendes Orchester gegenüberzustellen. Die Saiteninstrumente waren so
stark besetzt, daß sie gegen die Blasinstrumente vollständig die Oberhand be¬
halten und den Kern des Ganzen bilden konnten, wie es sich gehört und wie
man es doch jetzt nicht gar oft hört. Es waren Kö Violinen, Ä9 Bratschen,
SS Violoneelle und -14 Contrabässe; dagegen von den Holzbläsern vier bei jedem
Instrument und die Blechinstrumente, mit Ausnahme der Hornisten, deren sechs
waren, nur einfach besetzt. Das Orchester war überwiegend aus Musikern von
Düsseldorf, Köln und Elberseld gebildet, das Contingent, welches andre
rheinische Städte gestellt hatten, trat gegen diese zurück, einzelne waren
auch aus andern Gegenden hinzugekommen. Als Vorgeiger hatte man
Herrn Concertmeister David aus Leipzig eingeladen, mit dessen Erfahrung,
Eifer und Ausdauer an diesem Platz wenige es aufnehmen mögen. In der
That waren auch die Leistungen der Saiteninstrumente durchaus ganz vortreff-
lich; der feste und gesunde Charakter, welchen die Klangfarbe des Orchesters
durch die kräftige Haltung der Saiteninstrumente erhielt, machte in seiner Art
einen ebenso wohlthätigen Eindruck, als ihn der Chor machte, und beide in
ihrem Zusammenwirken waren vo» imposanter Macht. Leider kann man nicht
verhehlen, daß die Blasinstrumente den Saiteninstrumenten in keiner Weise
gleich standen. Daß eine ausgezeichnete Virtuosität nirgend hervortrat, würde
man nicht tadeln können, allein sie genügten auch den Anforderungen nicht
überall, welche man bei Aufführungen dieser Art an Orchesterspieler zu stellen
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