Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.Diese Einmischungen in die Regierung Cupidos erfordern überhaupt große In einzelnen Fällen nehmen mehre Frauen dasselbe Haus, ja dasselbe , Daß alte Junger" nicht in den Himmel kommen, sondern in Haarsieben Wasser her¬ beitragen müsse", um eine Wiese zwischen Himmel und Erde zu scheuern, ist eine altbekannte Vorstellung, und die Zutheilung von Männern an Mädchen dürste wenigstens unsern Herrn- hutcrn keinen Anlaß zur Verwunderung geben, da die Zusaminenloosung der Paare unter ihnen factisch etwas ganz Aehnliches ist. 12*
Diese Einmischungen in die Regierung Cupidos erfordern überhaupt große In einzelnen Fällen nehmen mehre Frauen dasselbe Haus, ja dasselbe , Daß alte Junger» nicht in den Himmel kommen, sondern in Haarsieben Wasser her¬ beitragen müsse», um eine Wiese zwischen Himmel und Erde zu scheuern, ist eine altbekannte Vorstellung, und die Zutheilung von Männern an Mädchen dürste wenigstens unsern Herrn- hutcrn keinen Anlaß zur Verwunderung geben, da die Zusaminenloosung der Paare unter ihnen factisch etwas ganz Aehnliches ist. 12*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0099" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/99485"/> <p xml:id="ID_315"> Diese Einmischungen in die Regierung Cupidos erfordern überhaupt große<lb/> Vorsicht; denn die Richtersprüche mögen in dieser Beziehung noch so sehr vom<lb/> Verstände dictirt sein, die Leidenschaft wird immer etwas daran auszusetzen finden.<lb/> Allein, wie der Seher die Macht zu binden hat, so ist ihm auch die Macht zu<lb/> lösen verliehen. Er kann die Verheiratheten oder Versiegelten trennen, nach¬<lb/> dem er sie zur Eintracht und Geduld ermahnt und ihnen eine Probezeit gesetzt<lb/> hat, sie aber dabei die Unmöglichkeit eingesehen haben, miteinander zu eristi-<lb/> ren. Aus dieser Gewalt, zu binden und zu lösen, erwächst ein ganz ungemei¬<lb/> nes Ansehen und eine genaue Kenntniß der gesammten häuslichen Angelegen¬<lb/> heiten der Colonie. Das Vertrauen, das man dem Präsidenten in solchen<lb/> delicaten Angelegenheiten zu erweisen genöthigt ist, erzeugt Ehrerbietung und<lb/> Furcht, und, wo das Ehebündniß zum Guten ausschlägt, Liebe zu ihm als<lb/> dem Berather und Freunde. Und da der Friede in der Gemeinde sehr wesent¬<lb/> lich auf dem der Familie beruht, so wacht Aoung mit eifersüchtiger Sorgfalt<lb/> über seine Prärogative und nöthigt die Betheiligten, soweit es irgend thunlich<lb/> ist, ihren Verpflichtungen nachzukommen.</p><lb/> <p xml:id="ID_316" next="#ID_317"> In einzelnen Fällen nehmen mehre Frauen dasselbe Haus, ja dasselbe<lb/> Zimmer ein. Gewöhnlicher aber ist es, die Versiegelten außer dem Hause<lb/> unterzubringen, wo die erste Frau wohnt. Häufig ernähren diese Nebenfrauen<lb/> sich selbst, indem ste nähen oder andere weibliche Arbeiten verrichten. Dies<lb/> nimmt sich unsres Bedünkens noch weniger gut eins, als ein türkischer Harem.<lb/> Aber man darf andrerseits auch nicht vergessen, daß Jesaija geweissagt hat,<lb/> es werde die Zeit kommen,wo sieben Frauen den Saum des Rocks eines Mannes<lb/> fassen und schreien werden: Wir wollen unser eigen Brot essen; nur laß uns<lb/> deinen Namen tragen. Es ist also die Vielweiberei im schlimmsten Falle eine<lb/> Vorausnahme der Zeit, wo „die Schlachten des Herrn" beginnen sollen. Dann<lb/> werden die Weiber als weit reinere Wesen in bei weitem größerer Zahl ver¬<lb/> schont bleiben. Die Männer wird Pestilenz und Schwert hinwegraffen, ihre<lb/> Weiber aber werden — für die Heiligen verschont bleiben, und viele von ihnen<lb/> werden sich genöthigt sehen, denselben Mann zu wählen, um sich hienieden<lb/> einen häuslichen Herd und Rettung vor dem Unterganges, jenseits aber die<lb/> ewige Seligkeit und königliche Ehre zu sichern. Es wird von den Mormonen<lb/> ferner geltend gemacht, daß die Menge der Frauen auf Erden die Menge<lb/> der Männer inj größerer Masse überwiege, als sich aus den Kriegen, den<lb/> Gefahren der See und anderen Ursachen der Verminderung erkläre, daß folg-</p><lb/> <note xml:id="FID_6" place="foot"> , Daß alte Junger» nicht in den Himmel kommen, sondern in Haarsieben Wasser her¬<lb/> beitragen müsse», um eine Wiese zwischen Himmel und Erde zu scheuern, ist eine altbekannte<lb/> Vorstellung, und die Zutheilung von Männern an Mädchen dürste wenigstens unsern Herrn-<lb/> hutcrn keinen Anlaß zur Verwunderung geben, da die Zusaminenloosung der Paare unter ihnen<lb/> factisch etwas ganz Aehnliches ist.</note><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 12*</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0099]
Diese Einmischungen in die Regierung Cupidos erfordern überhaupt große
Vorsicht; denn die Richtersprüche mögen in dieser Beziehung noch so sehr vom
Verstände dictirt sein, die Leidenschaft wird immer etwas daran auszusetzen finden.
Allein, wie der Seher die Macht zu binden hat, so ist ihm auch die Macht zu
lösen verliehen. Er kann die Verheiratheten oder Versiegelten trennen, nach¬
dem er sie zur Eintracht und Geduld ermahnt und ihnen eine Probezeit gesetzt
hat, sie aber dabei die Unmöglichkeit eingesehen haben, miteinander zu eristi-
ren. Aus dieser Gewalt, zu binden und zu lösen, erwächst ein ganz ungemei¬
nes Ansehen und eine genaue Kenntniß der gesammten häuslichen Angelegen¬
heiten der Colonie. Das Vertrauen, das man dem Präsidenten in solchen
delicaten Angelegenheiten zu erweisen genöthigt ist, erzeugt Ehrerbietung und
Furcht, und, wo das Ehebündniß zum Guten ausschlägt, Liebe zu ihm als
dem Berather und Freunde. Und da der Friede in der Gemeinde sehr wesent¬
lich auf dem der Familie beruht, so wacht Aoung mit eifersüchtiger Sorgfalt
über seine Prärogative und nöthigt die Betheiligten, soweit es irgend thunlich
ist, ihren Verpflichtungen nachzukommen.
In einzelnen Fällen nehmen mehre Frauen dasselbe Haus, ja dasselbe
Zimmer ein. Gewöhnlicher aber ist es, die Versiegelten außer dem Hause
unterzubringen, wo die erste Frau wohnt. Häufig ernähren diese Nebenfrauen
sich selbst, indem ste nähen oder andere weibliche Arbeiten verrichten. Dies
nimmt sich unsres Bedünkens noch weniger gut eins, als ein türkischer Harem.
Aber man darf andrerseits auch nicht vergessen, daß Jesaija geweissagt hat,
es werde die Zeit kommen,wo sieben Frauen den Saum des Rocks eines Mannes
fassen und schreien werden: Wir wollen unser eigen Brot essen; nur laß uns
deinen Namen tragen. Es ist also die Vielweiberei im schlimmsten Falle eine
Vorausnahme der Zeit, wo „die Schlachten des Herrn" beginnen sollen. Dann
werden die Weiber als weit reinere Wesen in bei weitem größerer Zahl ver¬
schont bleiben. Die Männer wird Pestilenz und Schwert hinwegraffen, ihre
Weiber aber werden — für die Heiligen verschont bleiben, und viele von ihnen
werden sich genöthigt sehen, denselben Mann zu wählen, um sich hienieden
einen häuslichen Herd und Rettung vor dem Unterganges, jenseits aber die
ewige Seligkeit und königliche Ehre zu sichern. Es wird von den Mormonen
ferner geltend gemacht, daß die Menge der Frauen auf Erden die Menge
der Männer inj größerer Masse überwiege, als sich aus den Kriegen, den
Gefahren der See und anderen Ursachen der Verminderung erkläre, daß folg-
, Daß alte Junger» nicht in den Himmel kommen, sondern in Haarsieben Wasser her¬
beitragen müsse», um eine Wiese zwischen Himmel und Erde zu scheuern, ist eine altbekannte
Vorstellung, und die Zutheilung von Männern an Mädchen dürste wenigstens unsern Herrn-
hutcrn keinen Anlaß zur Verwunderung geben, da die Zusaminenloosung der Paare unter ihnen
factisch etwas ganz Aehnliches ist.
12*
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |