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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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tillerie im Gefecht zeigt sich noch keine Spur. Friedrich der Große war auch
der erste, welcher die reitende Artillerie einführte, indem er die Bedienungs¬
mannschaften beritten machte, wurde die erste Batterie im Lager zu Lands¬
hut in Schlesien errichtet, nachdem schon unter dem großen Kurstürsten der
Cavalerie Geschütze mit doppelter Bespannung beigegeben worden.

Die ganze Armee bildete in dieser Zeit noch ein großes Corps, von
einer Mischung der Waffen, von einer Gliederung der Truppenmasse in kleinere
taktische Körper ist noch keine Rede. Infanterie, Cavalerie und Artillerie waren
im Ganzen betrachtet besondere Massen, von denen jede in der Schlacht ihre
bestimmte Stellung hatte, nicht viel anders, als die Figuren im Schachbret.
Jedes Corps, welches zu speciellen Zweck vom Gros der Armee entsendet
wurde und die Fähigkeit haben sollte, ein Gefecht selbstständig durchzuführen,
das mithin aus allen Waffen bestehen sollte, mußte stets besonders organisirt
werden. Die Einheit des Befehls und das schnelle Ineinandergreifen der ver¬
schiedenartigen Kräfte wurde dadurch sehr erschwert und oft kostbare Zeit verloren.
Der Feldherr mußte bei solchem Sachverhältniß darauf sehen, seine Truppen
immer dicht beieinander zu haben, man marschirte in Colonnen, die Colonnen
nie weiter als eine Viertelmeile voneinander; gab es keine Wege, so mußte
man querfeldein gehen. Dies war nur bei einem Heere möglich, welches nicht
die Stärke unsrer Armeen hatte und welches, wie damals geschah, aus Maga¬
zinen verpflegt wurde und Proviant und Fourage mit sich führte. Auf diese
Weise war die Armee stets bereit, zum Gefecht auszumarschiren, sich schnell zu
entwickeln, alles blieb im engsten Zusammenhang, sie konnte wie eine Division
unsrer Zeit geführt werden.

Wenn zur Schlacht marschirt wurde, bildete man zwar in der Regel
Avantgarden, doch weder in der Stärke, noch in der Mischung der Truppen¬
gattungen, wie heute. Sie hatten den Zweck, den Aufmarsch zu decken, die
leichten Truppen des Feindes zu verjagen und die Aufstellung desselben blo߬
zulegen; eine Einleitung des Gefechts, Verbergung der eignen Maßregeln
wurde nur zum Theil beabsichtigt; oft bestand sie nur aus Husaren und ging
dem Flügel voraus, welcher den Hauptangriff machen sollte. Die Hauptsorge
des Feldherrn, der Punkt, von welchem ein großer Theil der Entscheidung
abhing, war die Wahl deS Schlachtfeldes. Wer in der Vertheidigung den
Angriff des Feindes erwarten wollte, wählte ein Terrain, aus welchem sein
Posttionsgeschütz die Aufstellung des Feindes verhindern konnte und die Aus¬
dehnung seiner langen Schlachtlinie erschwert war, und es war vom höchsten
Werth, eine unangreifbare Stellung zu haben. Der angreifende Theil bedürfte-
ein Schlachtfeld, auf dem er seine Schlachtordnung aufmarschiren lassen konnte,
ein Terrain, in welchem die lange Linie der Infanterie ihre Richtung behalten
konnte; Dörfer, coupirtes Land wurden deshalb vermieden. Was bei den


tillerie im Gefecht zeigt sich noch keine Spur. Friedrich der Große war auch
der erste, welcher die reitende Artillerie einführte, indem er die Bedienungs¬
mannschaften beritten machte, wurde die erste Batterie im Lager zu Lands¬
hut in Schlesien errichtet, nachdem schon unter dem großen Kurstürsten der
Cavalerie Geschütze mit doppelter Bespannung beigegeben worden.

Die ganze Armee bildete in dieser Zeit noch ein großes Corps, von
einer Mischung der Waffen, von einer Gliederung der Truppenmasse in kleinere
taktische Körper ist noch keine Rede. Infanterie, Cavalerie und Artillerie waren
im Ganzen betrachtet besondere Massen, von denen jede in der Schlacht ihre
bestimmte Stellung hatte, nicht viel anders, als die Figuren im Schachbret.
Jedes Corps, welches zu speciellen Zweck vom Gros der Armee entsendet
wurde und die Fähigkeit haben sollte, ein Gefecht selbstständig durchzuführen,
das mithin aus allen Waffen bestehen sollte, mußte stets besonders organisirt
werden. Die Einheit des Befehls und das schnelle Ineinandergreifen der ver¬
schiedenartigen Kräfte wurde dadurch sehr erschwert und oft kostbare Zeit verloren.
Der Feldherr mußte bei solchem Sachverhältniß darauf sehen, seine Truppen
immer dicht beieinander zu haben, man marschirte in Colonnen, die Colonnen
nie weiter als eine Viertelmeile voneinander; gab es keine Wege, so mußte
man querfeldein gehen. Dies war nur bei einem Heere möglich, welches nicht
die Stärke unsrer Armeen hatte und welches, wie damals geschah, aus Maga¬
zinen verpflegt wurde und Proviant und Fourage mit sich führte. Auf diese
Weise war die Armee stets bereit, zum Gefecht auszumarschiren, sich schnell zu
entwickeln, alles blieb im engsten Zusammenhang, sie konnte wie eine Division
unsrer Zeit geführt werden.

Wenn zur Schlacht marschirt wurde, bildete man zwar in der Regel
Avantgarden, doch weder in der Stärke, noch in der Mischung der Truppen¬
gattungen, wie heute. Sie hatten den Zweck, den Aufmarsch zu decken, die
leichten Truppen des Feindes zu verjagen und die Aufstellung desselben blo߬
zulegen; eine Einleitung des Gefechts, Verbergung der eignen Maßregeln
wurde nur zum Theil beabsichtigt; oft bestand sie nur aus Husaren und ging
dem Flügel voraus, welcher den Hauptangriff machen sollte. Die Hauptsorge
des Feldherrn, der Punkt, von welchem ein großer Theil der Entscheidung
abhing, war die Wahl deS Schlachtfeldes. Wer in der Vertheidigung den
Angriff des Feindes erwarten wollte, wählte ein Terrain, aus welchem sein
Posttionsgeschütz die Aufstellung des Feindes verhindern konnte und die Aus¬
dehnung seiner langen Schlachtlinie erschwert war, und es war vom höchsten
Werth, eine unangreifbare Stellung zu haben. Der angreifende Theil bedürfte-
ein Schlachtfeld, auf dem er seine Schlachtordnung aufmarschiren lassen konnte,
ein Terrain, in welchem die lange Linie der Infanterie ihre Richtung behalten
konnte; Dörfer, coupirtes Land wurden deshalb vermieden. Was bei den


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[0516] tillerie im Gefecht zeigt sich noch keine Spur. Friedrich der Große war auch der erste, welcher die reitende Artillerie einführte, indem er die Bedienungs¬ mannschaften beritten machte, wurde die erste Batterie im Lager zu Lands¬ hut in Schlesien errichtet, nachdem schon unter dem großen Kurstürsten der Cavalerie Geschütze mit doppelter Bespannung beigegeben worden. Die ganze Armee bildete in dieser Zeit noch ein großes Corps, von einer Mischung der Waffen, von einer Gliederung der Truppenmasse in kleinere taktische Körper ist noch keine Rede. Infanterie, Cavalerie und Artillerie waren im Ganzen betrachtet besondere Massen, von denen jede in der Schlacht ihre bestimmte Stellung hatte, nicht viel anders, als die Figuren im Schachbret. Jedes Corps, welches zu speciellen Zweck vom Gros der Armee entsendet wurde und die Fähigkeit haben sollte, ein Gefecht selbstständig durchzuführen, das mithin aus allen Waffen bestehen sollte, mußte stets besonders organisirt werden. Die Einheit des Befehls und das schnelle Ineinandergreifen der ver¬ schiedenartigen Kräfte wurde dadurch sehr erschwert und oft kostbare Zeit verloren. Der Feldherr mußte bei solchem Sachverhältniß darauf sehen, seine Truppen immer dicht beieinander zu haben, man marschirte in Colonnen, die Colonnen nie weiter als eine Viertelmeile voneinander; gab es keine Wege, so mußte man querfeldein gehen. Dies war nur bei einem Heere möglich, welches nicht die Stärke unsrer Armeen hatte und welches, wie damals geschah, aus Maga¬ zinen verpflegt wurde und Proviant und Fourage mit sich führte. Auf diese Weise war die Armee stets bereit, zum Gefecht auszumarschiren, sich schnell zu entwickeln, alles blieb im engsten Zusammenhang, sie konnte wie eine Division unsrer Zeit geführt werden. Wenn zur Schlacht marschirt wurde, bildete man zwar in der Regel Avantgarden, doch weder in der Stärke, noch in der Mischung der Truppen¬ gattungen, wie heute. Sie hatten den Zweck, den Aufmarsch zu decken, die leichten Truppen des Feindes zu verjagen und die Aufstellung desselben blo߬ zulegen; eine Einleitung des Gefechts, Verbergung der eignen Maßregeln wurde nur zum Theil beabsichtigt; oft bestand sie nur aus Husaren und ging dem Flügel voraus, welcher den Hauptangriff machen sollte. Die Hauptsorge des Feldherrn, der Punkt, von welchem ein großer Theil der Entscheidung abhing, war die Wahl deS Schlachtfeldes. Wer in der Vertheidigung den Angriff des Feindes erwarten wollte, wählte ein Terrain, aus welchem sein Posttionsgeschütz die Aufstellung des Feindes verhindern konnte und die Aus¬ dehnung seiner langen Schlachtlinie erschwert war, und es war vom höchsten Werth, eine unangreifbare Stellung zu haben. Der angreifende Theil bedürfte- ein Schlachtfeld, auf dem er seine Schlachtordnung aufmarschiren lassen konnte, ein Terrain, in welchem die lange Linie der Infanterie ihre Richtung behalten konnte; Dörfer, coupirtes Land wurden deshalb vermieden. Was bei den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/516>, abgerufen am 03.07.2024.