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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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Durch diese Veränderungen der Bewaffnung und Truppeneinrichtung war
der Kampf in der Schlacht ein anderer geworden. Zur Zeit der Ritter und der
Landsknechte bestand die Schlacht in einem starken Stoß der beiden Heeresmassen
auseinander, der Gegner wurde niedergerannt und im Nahgefecht getödtet, es
war ein Kampf der Einzelnen gegen Einzelne. Jetzt wurde die Hauptsache,
den Gegner aus der Ferne niederzuschießen, und erst wenn er wankend ge¬
worden war vollendete die physische Gewalt der andringenden Masse seine
Niederlage. Der Hauptkampf war ein Ferngefecht der Jnfanteriereihen gegen¬
einander geworden. Es kam darauf an, sich dem Feinde in Ordnung, fest ge¬
schlossen zu nähern. Selbst die Cavalerie vernachlässigte, was ihr eigentlicher
Vorzug war, Schnelligkeit und Energie des Choes und suchte in dem Ge¬
brauche des Feuergewehrs sich so viel als möglich zu vervollkommnen. So
fand Friedrich der Große die Kriegführung. Der Glanz der Reiterei war ver¬
schwunden, das Jnsanteriefeuer beherrschte vie Schlacht. Aber die Muskete
der Infanterie war im Ganzen schlecht, der Soldat im Allgemeinen ungeschickt,
unter den Schüssen verhältnißmäßig sehr wenige treffend. Der Kolben des
Steinschloßgewehrs war noch gerade, erst der Dessauer erfand den eisernen
Ladstock. So kam man darauf, die Veränderung der Waffe ausschließlich auf
das schnelle Feuern zu richten, um durch die Quantität der Schüsse ein
Uebergewicht über den Feind zu erreichen. Die Ladungsgriffc wurden mir der
größten Sorgfalt eingeübt, die Preußen setzten es durch, in einer Minute
fünfmal zu schießen. In der Schlacht marschirte die Infanterie stets in zwei
Treffen auf, das Treffen in drei Gliedern. Die Evolutionen und Griffe, die
Dressur der preußischen Truppen wurde bis zu einer bewunderungswürdigen
Fertigkeit gebracht, in langen Linien wie auf dem Paradeplatz, ohne Schwan¬
kungen stand und bewegte sich die Infanterie im feindlichen Feuer. Friedrich
der Große wurde auch der neue Schöpfer der Cavalerie, die preußische Reiterei
des siebenjährigen Krieges steht noch heute unübertroffen da und wird in ihren
Thaten schwerlich von einer Reiterei der Welt je übertroffen werden. Voll¬
kommenes Reiten und Fechten zu Pferde, das Feuern ganz verboten, nur bei
der Verfolgung gestattet, nie eine Attake des Feindes stehend erwarten, im
vollen Galopp, fest geschlossen angreifen, sich schnell wieder sammeln, das
waren die Vorzüge, welche der große König seiyer Cavalerie gegenüber der
schweren Reiterei der Oestreicher gab. Die Artillerie wurde von ihm stark ver¬
mehrt, sie wurde in Bataillonsgeschütze und das schwere Posttionsgcschütz ein¬
getheilt. Die Bataillonsgeschütze wurden vor die Jnfanteriefront gezogen uno
mußten vorgehen bis ins Kleingewehrfeuer. Die schwere Artillerie war noch
sehr unbeweglich, sie suchte beim Beginn der Schlacht günstige Aufstellungs¬
punkte und rückte dann wol einmal vor. Im Ganzen aber waren die Batterien
an ihre Stelle im Treffen gefesselt; von einem eigentlichen Manöver der Ar-
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Durch diese Veränderungen der Bewaffnung und Truppeneinrichtung war
der Kampf in der Schlacht ein anderer geworden. Zur Zeit der Ritter und der
Landsknechte bestand die Schlacht in einem starken Stoß der beiden Heeresmassen
auseinander, der Gegner wurde niedergerannt und im Nahgefecht getödtet, es
war ein Kampf der Einzelnen gegen Einzelne. Jetzt wurde die Hauptsache,
den Gegner aus der Ferne niederzuschießen, und erst wenn er wankend ge¬
worden war vollendete die physische Gewalt der andringenden Masse seine
Niederlage. Der Hauptkampf war ein Ferngefecht der Jnfanteriereihen gegen¬
einander geworden. Es kam darauf an, sich dem Feinde in Ordnung, fest ge¬
schlossen zu nähern. Selbst die Cavalerie vernachlässigte, was ihr eigentlicher
Vorzug war, Schnelligkeit und Energie des Choes und suchte in dem Ge¬
brauche des Feuergewehrs sich so viel als möglich zu vervollkommnen. So
fand Friedrich der Große die Kriegführung. Der Glanz der Reiterei war ver¬
schwunden, das Jnsanteriefeuer beherrschte vie Schlacht. Aber die Muskete
der Infanterie war im Ganzen schlecht, der Soldat im Allgemeinen ungeschickt,
unter den Schüssen verhältnißmäßig sehr wenige treffend. Der Kolben des
Steinschloßgewehrs war noch gerade, erst der Dessauer erfand den eisernen
Ladstock. So kam man darauf, die Veränderung der Waffe ausschließlich auf
das schnelle Feuern zu richten, um durch die Quantität der Schüsse ein
Uebergewicht über den Feind zu erreichen. Die Ladungsgriffc wurden mir der
größten Sorgfalt eingeübt, die Preußen setzten es durch, in einer Minute
fünfmal zu schießen. In der Schlacht marschirte die Infanterie stets in zwei
Treffen auf, das Treffen in drei Gliedern. Die Evolutionen und Griffe, die
Dressur der preußischen Truppen wurde bis zu einer bewunderungswürdigen
Fertigkeit gebracht, in langen Linien wie auf dem Paradeplatz, ohne Schwan¬
kungen stand und bewegte sich die Infanterie im feindlichen Feuer. Friedrich
der Große wurde auch der neue Schöpfer der Cavalerie, die preußische Reiterei
des siebenjährigen Krieges steht noch heute unübertroffen da und wird in ihren
Thaten schwerlich von einer Reiterei der Welt je übertroffen werden. Voll¬
kommenes Reiten und Fechten zu Pferde, das Feuern ganz verboten, nur bei
der Verfolgung gestattet, nie eine Attake des Feindes stehend erwarten, im
vollen Galopp, fest geschlossen angreifen, sich schnell wieder sammeln, das
waren die Vorzüge, welche der große König seiyer Cavalerie gegenüber der
schweren Reiterei der Oestreicher gab. Die Artillerie wurde von ihm stark ver¬
mehrt, sie wurde in Bataillonsgeschütze und das schwere Posttionsgcschütz ein¬
getheilt. Die Bataillonsgeschütze wurden vor die Jnfanteriefront gezogen uno
mußten vorgehen bis ins Kleingewehrfeuer. Die schwere Artillerie war noch
sehr unbeweglich, sie suchte beim Beginn der Schlacht günstige Aufstellungs¬
punkte und rückte dann wol einmal vor. Im Ganzen aber waren die Batterien
an ihre Stelle im Treffen gefesselt; von einem eigentlichen Manöver der Ar-
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[0515] Durch diese Veränderungen der Bewaffnung und Truppeneinrichtung war der Kampf in der Schlacht ein anderer geworden. Zur Zeit der Ritter und der Landsknechte bestand die Schlacht in einem starken Stoß der beiden Heeresmassen auseinander, der Gegner wurde niedergerannt und im Nahgefecht getödtet, es war ein Kampf der Einzelnen gegen Einzelne. Jetzt wurde die Hauptsache, den Gegner aus der Ferne niederzuschießen, und erst wenn er wankend ge¬ worden war vollendete die physische Gewalt der andringenden Masse seine Niederlage. Der Hauptkampf war ein Ferngefecht der Jnfanteriereihen gegen¬ einander geworden. Es kam darauf an, sich dem Feinde in Ordnung, fest ge¬ schlossen zu nähern. Selbst die Cavalerie vernachlässigte, was ihr eigentlicher Vorzug war, Schnelligkeit und Energie des Choes und suchte in dem Ge¬ brauche des Feuergewehrs sich so viel als möglich zu vervollkommnen. So fand Friedrich der Große die Kriegführung. Der Glanz der Reiterei war ver¬ schwunden, das Jnsanteriefeuer beherrschte vie Schlacht. Aber die Muskete der Infanterie war im Ganzen schlecht, der Soldat im Allgemeinen ungeschickt, unter den Schüssen verhältnißmäßig sehr wenige treffend. Der Kolben des Steinschloßgewehrs war noch gerade, erst der Dessauer erfand den eisernen Ladstock. So kam man darauf, die Veränderung der Waffe ausschließlich auf das schnelle Feuern zu richten, um durch die Quantität der Schüsse ein Uebergewicht über den Feind zu erreichen. Die Ladungsgriffc wurden mir der größten Sorgfalt eingeübt, die Preußen setzten es durch, in einer Minute fünfmal zu schießen. In der Schlacht marschirte die Infanterie stets in zwei Treffen auf, das Treffen in drei Gliedern. Die Evolutionen und Griffe, die Dressur der preußischen Truppen wurde bis zu einer bewunderungswürdigen Fertigkeit gebracht, in langen Linien wie auf dem Paradeplatz, ohne Schwan¬ kungen stand und bewegte sich die Infanterie im feindlichen Feuer. Friedrich der Große wurde auch der neue Schöpfer der Cavalerie, die preußische Reiterei des siebenjährigen Krieges steht noch heute unübertroffen da und wird in ihren Thaten schwerlich von einer Reiterei der Welt je übertroffen werden. Voll¬ kommenes Reiten und Fechten zu Pferde, das Feuern ganz verboten, nur bei der Verfolgung gestattet, nie eine Attake des Feindes stehend erwarten, im vollen Galopp, fest geschlossen angreifen, sich schnell wieder sammeln, das waren die Vorzüge, welche der große König seiyer Cavalerie gegenüber der schweren Reiterei der Oestreicher gab. Die Artillerie wurde von ihm stark ver¬ mehrt, sie wurde in Bataillonsgeschütze und das schwere Posttionsgcschütz ein¬ getheilt. Die Bataillonsgeschütze wurden vor die Jnfanteriefront gezogen uno mußten vorgehen bis ins Kleingewehrfeuer. Die schwere Artillerie war noch sehr unbeweglich, sie suchte beim Beginn der Schlacht günstige Aufstellungs¬ punkte und rückte dann wol einmal vor. Im Ganzen aber waren die Batterien an ihre Stelle im Treffen gefesselt; von einem eigentlichen Manöver der Ar- ' 64* ..

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/515>, abgerufen am 03.07.2024.