Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

fällt die Erfindung der Dragoner, einer reitenden Infanterie, welche Musketen
mit Luntenschloß, Seitengewehre, auch wol Spieße, jedoch keine Schutzwaffen
trugen. Im Ganzen war die Cavalerie schwer bewaffnet und wurde zur Schlacht
unnöthigerweise fünf Glieder tief aufgestellt. Unter Moritz von Oranien hatte
sie gelernt, im Treffen Evolutionen, Schwenkungen in Schwadronen und kleinen
Abtheilungen auszuführen und fest geschlossen zu bleiben. Die Artillerie war
damals noch eine wenig bewegliche Hilfswaffe. Die Feldgeschütze wäre" von
sehr verschiedenem Kaliber, und hatten nach Nohrlänge und Kugelgewicht sehr
verschiedene Namen. Das Feuern ging langsam, noch langsamer war die Auf¬
stellung und Bewegung. -- In der damaligen Schlachtordnung nahm die
Infanterie meist die Mitte ein, während die Cavalerie auf die Flügel gestellt
wurde. Die Artillerie wurde bei Eröffnung der Schlacht .gewöhnlich vor der
Infanterie aufgefahren. Die Kriege wurden in einer Anzahl von kleinen Ge¬
fechten geführt, mit wenig zahlreichen Truppenkörpern.

Der dreißigjähiige Krieg und die darauf folgenden Feldzüge des 17. Jahr¬
hunderts, vor allem das Feldherrntalent Gustav Adolphs brachten in diese
Einrichtung des Heerwesens große Veränderungen. Die Infanterie empfand
oas Uebergewicht des Feuergewehrs, die Musketiere erhielten leichtere Musketen
und wurden von den Gabeln befreit, sie bekamen papierne Patronen, und das
Luntenschloß wurde ums Ende des dreißigjährigen Krieges allmälig von dem
Feuerschloß verdrängt, zuerst bei den Franzosen; das Gewehr erhielt ein Bajo¬
nett, welches mit einem hölzernen Stiel auf das Gewehr gesteckt wurde. 1640
begannen die Franzosen die Einführung desselben und nannten die damit ver-
edelten Truppen Füseliere. Diese Erfindung machte die Pikeniere unnöthig;
dagegen erfand man um 1670 in Frankreich die Grenadiere, eine mit Musketen
bewaffnete Truppe, die anfangs bestimmt war, Handgranaten zu werfen. Auch
die ersten Jägercompagnien wurden im Jahre 1631 von den Hessen formirt
und zum Vorpostendienst und kleinen Kriege verwendet. Nach der Verstärkung
des Gewehrfeuers mußte die Aufstellung der Infanterie im Treffen eine weni¬
ger tiefe werden. Die Cavalerie verlor immermehr von ihrer Wichtigkeit. Sie
wurde ebenfalls weniger tief ausgestellt; durch Gustav Adolph nur in drei Glie¬
der. Der Degen wurde ihre Hauptwaffe, auch ihre schwere Rüstung wurde
erleichtert. Die Artillerie wurde leichter und beweglicher, sie lernte schneller
und sicherer feuern, Gustav Adolph vermehrte ihre Zahl sehr, theilte sie in
Batterien, ja er führte sogar vorübergehend lederne Kanonen, Röhren aus
Blech oder zusammengebundenen Eisenstäben, mit Leder 'überzogen und durch
eiserne Ringe zusammengehalten. Auch die Eintheilung der Truppen näherte
sich allmälig der unsrigen, die Infanterie wurde in Regimenter, Bataillone
und Compagnien getheilt. Das Fußvolk focht überall geschlossen, an die
Stelle der großen Tiefe trat eine größere Länge der Schlachtlinie.


fällt die Erfindung der Dragoner, einer reitenden Infanterie, welche Musketen
mit Luntenschloß, Seitengewehre, auch wol Spieße, jedoch keine Schutzwaffen
trugen. Im Ganzen war die Cavalerie schwer bewaffnet und wurde zur Schlacht
unnöthigerweise fünf Glieder tief aufgestellt. Unter Moritz von Oranien hatte
sie gelernt, im Treffen Evolutionen, Schwenkungen in Schwadronen und kleinen
Abtheilungen auszuführen und fest geschlossen zu bleiben. Die Artillerie war
damals noch eine wenig bewegliche Hilfswaffe. Die Feldgeschütze wäre» von
sehr verschiedenem Kaliber, und hatten nach Nohrlänge und Kugelgewicht sehr
verschiedene Namen. Das Feuern ging langsam, noch langsamer war die Auf¬
stellung und Bewegung. — In der damaligen Schlachtordnung nahm die
Infanterie meist die Mitte ein, während die Cavalerie auf die Flügel gestellt
wurde. Die Artillerie wurde bei Eröffnung der Schlacht .gewöhnlich vor der
Infanterie aufgefahren. Die Kriege wurden in einer Anzahl von kleinen Ge¬
fechten geführt, mit wenig zahlreichen Truppenkörpern.

Der dreißigjähiige Krieg und die darauf folgenden Feldzüge des 17. Jahr¬
hunderts, vor allem das Feldherrntalent Gustav Adolphs brachten in diese
Einrichtung des Heerwesens große Veränderungen. Die Infanterie empfand
oas Uebergewicht des Feuergewehrs, die Musketiere erhielten leichtere Musketen
und wurden von den Gabeln befreit, sie bekamen papierne Patronen, und das
Luntenschloß wurde ums Ende des dreißigjährigen Krieges allmälig von dem
Feuerschloß verdrängt, zuerst bei den Franzosen; das Gewehr erhielt ein Bajo¬
nett, welches mit einem hölzernen Stiel auf das Gewehr gesteckt wurde. 1640
begannen die Franzosen die Einführung desselben und nannten die damit ver-
edelten Truppen Füseliere. Diese Erfindung machte die Pikeniere unnöthig;
dagegen erfand man um 1670 in Frankreich die Grenadiere, eine mit Musketen
bewaffnete Truppe, die anfangs bestimmt war, Handgranaten zu werfen. Auch
die ersten Jägercompagnien wurden im Jahre 1631 von den Hessen formirt
und zum Vorpostendienst und kleinen Kriege verwendet. Nach der Verstärkung
des Gewehrfeuers mußte die Aufstellung der Infanterie im Treffen eine weni¬
ger tiefe werden. Die Cavalerie verlor immermehr von ihrer Wichtigkeit. Sie
wurde ebenfalls weniger tief ausgestellt; durch Gustav Adolph nur in drei Glie¬
der. Der Degen wurde ihre Hauptwaffe, auch ihre schwere Rüstung wurde
erleichtert. Die Artillerie wurde leichter und beweglicher, sie lernte schneller
und sicherer feuern, Gustav Adolph vermehrte ihre Zahl sehr, theilte sie in
Batterien, ja er führte sogar vorübergehend lederne Kanonen, Röhren aus
Blech oder zusammengebundenen Eisenstäben, mit Leder 'überzogen und durch
eiserne Ringe zusammengehalten. Auch die Eintheilung der Truppen näherte
sich allmälig der unsrigen, die Infanterie wurde in Regimenter, Bataillone
und Compagnien getheilt. Das Fußvolk focht überall geschlossen, an die
Stelle der großen Tiefe trat eine größere Länge der Schlachtlinie.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0514" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/99900"/>
          <p xml:id="ID_1745" prev="#ID_1744"> fällt die Erfindung der Dragoner, einer reitenden Infanterie, welche Musketen<lb/>
mit Luntenschloß, Seitengewehre, auch wol Spieße, jedoch keine Schutzwaffen<lb/>
trugen. Im Ganzen war die Cavalerie schwer bewaffnet und wurde zur Schlacht<lb/>
unnöthigerweise fünf Glieder tief aufgestellt. Unter Moritz von Oranien hatte<lb/>
sie gelernt, im Treffen Evolutionen, Schwenkungen in Schwadronen und kleinen<lb/>
Abtheilungen auszuführen und fest geschlossen zu bleiben. Die Artillerie war<lb/>
damals noch eine wenig bewegliche Hilfswaffe. Die Feldgeschütze wäre» von<lb/>
sehr verschiedenem Kaliber, und hatten nach Nohrlänge und Kugelgewicht sehr<lb/>
verschiedene Namen. Das Feuern ging langsam, noch langsamer war die Auf¬<lb/>
stellung und Bewegung. &#x2014; In der damaligen Schlachtordnung nahm die<lb/>
Infanterie meist die Mitte ein, während die Cavalerie auf die Flügel gestellt<lb/>
wurde. Die Artillerie wurde bei Eröffnung der Schlacht .gewöhnlich vor der<lb/>
Infanterie aufgefahren. Die Kriege wurden in einer Anzahl von kleinen Ge¬<lb/>
fechten geführt, mit wenig zahlreichen Truppenkörpern.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1746"> Der dreißigjähiige Krieg und die darauf folgenden Feldzüge des 17. Jahr¬<lb/>
hunderts, vor allem das Feldherrntalent Gustav Adolphs brachten in diese<lb/>
Einrichtung des Heerwesens große Veränderungen. Die Infanterie empfand<lb/>
oas Uebergewicht des Feuergewehrs, die Musketiere erhielten leichtere Musketen<lb/>
und wurden von den Gabeln befreit, sie bekamen papierne Patronen, und das<lb/>
Luntenschloß wurde ums Ende des dreißigjährigen Krieges allmälig von dem<lb/>
Feuerschloß verdrängt, zuerst bei den Franzosen; das Gewehr erhielt ein Bajo¬<lb/>
nett, welches mit einem hölzernen Stiel auf das Gewehr gesteckt wurde. 1640<lb/>
begannen die Franzosen die Einführung desselben und nannten die damit ver-<lb/>
edelten Truppen Füseliere. Diese Erfindung machte die Pikeniere unnöthig;<lb/>
dagegen erfand man um 1670 in Frankreich die Grenadiere, eine mit Musketen<lb/>
bewaffnete Truppe, die anfangs bestimmt war, Handgranaten zu werfen. Auch<lb/>
die ersten Jägercompagnien wurden im Jahre 1631 von den Hessen formirt<lb/>
und zum Vorpostendienst und kleinen Kriege verwendet. Nach der Verstärkung<lb/>
des Gewehrfeuers mußte die Aufstellung der Infanterie im Treffen eine weni¬<lb/>
ger tiefe werden. Die Cavalerie verlor immermehr von ihrer Wichtigkeit. Sie<lb/>
wurde ebenfalls weniger tief ausgestellt; durch Gustav Adolph nur in drei Glie¬<lb/>
der. Der Degen wurde ihre Hauptwaffe, auch ihre schwere Rüstung wurde<lb/>
erleichtert. Die Artillerie wurde leichter und beweglicher, sie lernte schneller<lb/>
und sicherer feuern, Gustav Adolph vermehrte ihre Zahl sehr, theilte sie in<lb/>
Batterien, ja er führte sogar vorübergehend lederne Kanonen, Röhren aus<lb/>
Blech oder zusammengebundenen Eisenstäben, mit Leder 'überzogen und durch<lb/>
eiserne Ringe zusammengehalten. Auch die Eintheilung der Truppen näherte<lb/>
sich allmälig der unsrigen, die Infanterie wurde in Regimenter, Bataillone<lb/>
und Compagnien getheilt. Das Fußvolk focht überall geschlossen, an die<lb/>
Stelle der großen Tiefe trat eine größere Länge der Schlachtlinie.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0514] fällt die Erfindung der Dragoner, einer reitenden Infanterie, welche Musketen mit Luntenschloß, Seitengewehre, auch wol Spieße, jedoch keine Schutzwaffen trugen. Im Ganzen war die Cavalerie schwer bewaffnet und wurde zur Schlacht unnöthigerweise fünf Glieder tief aufgestellt. Unter Moritz von Oranien hatte sie gelernt, im Treffen Evolutionen, Schwenkungen in Schwadronen und kleinen Abtheilungen auszuführen und fest geschlossen zu bleiben. Die Artillerie war damals noch eine wenig bewegliche Hilfswaffe. Die Feldgeschütze wäre» von sehr verschiedenem Kaliber, und hatten nach Nohrlänge und Kugelgewicht sehr verschiedene Namen. Das Feuern ging langsam, noch langsamer war die Auf¬ stellung und Bewegung. — In der damaligen Schlachtordnung nahm die Infanterie meist die Mitte ein, während die Cavalerie auf die Flügel gestellt wurde. Die Artillerie wurde bei Eröffnung der Schlacht .gewöhnlich vor der Infanterie aufgefahren. Die Kriege wurden in einer Anzahl von kleinen Ge¬ fechten geführt, mit wenig zahlreichen Truppenkörpern. Der dreißigjähiige Krieg und die darauf folgenden Feldzüge des 17. Jahr¬ hunderts, vor allem das Feldherrntalent Gustav Adolphs brachten in diese Einrichtung des Heerwesens große Veränderungen. Die Infanterie empfand oas Uebergewicht des Feuergewehrs, die Musketiere erhielten leichtere Musketen und wurden von den Gabeln befreit, sie bekamen papierne Patronen, und das Luntenschloß wurde ums Ende des dreißigjährigen Krieges allmälig von dem Feuerschloß verdrängt, zuerst bei den Franzosen; das Gewehr erhielt ein Bajo¬ nett, welches mit einem hölzernen Stiel auf das Gewehr gesteckt wurde. 1640 begannen die Franzosen die Einführung desselben und nannten die damit ver- edelten Truppen Füseliere. Diese Erfindung machte die Pikeniere unnöthig; dagegen erfand man um 1670 in Frankreich die Grenadiere, eine mit Musketen bewaffnete Truppe, die anfangs bestimmt war, Handgranaten zu werfen. Auch die ersten Jägercompagnien wurden im Jahre 1631 von den Hessen formirt und zum Vorpostendienst und kleinen Kriege verwendet. Nach der Verstärkung des Gewehrfeuers mußte die Aufstellung der Infanterie im Treffen eine weni¬ ger tiefe werden. Die Cavalerie verlor immermehr von ihrer Wichtigkeit. Sie wurde ebenfalls weniger tief ausgestellt; durch Gustav Adolph nur in drei Glie¬ der. Der Degen wurde ihre Hauptwaffe, auch ihre schwere Rüstung wurde erleichtert. Die Artillerie wurde leichter und beweglicher, sie lernte schneller und sicherer feuern, Gustav Adolph vermehrte ihre Zahl sehr, theilte sie in Batterien, ja er führte sogar vorübergehend lederne Kanonen, Röhren aus Blech oder zusammengebundenen Eisenstäben, mit Leder 'überzogen und durch eiserne Ringe zusammengehalten. Auch die Eintheilung der Truppen näherte sich allmälig der unsrigen, die Infanterie wurde in Regimenter, Bataillone und Compagnien getheilt. Das Fußvolk focht überall geschlossen, an die Stelle der großen Tiefe trat eine größere Länge der Schlachtlinie.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/514
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/514>, abgerufen am 03.07.2024.