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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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stehenden, wie allgemeines Theoretistren sind hier mit Takt vermieden. In
beiden Werken, so verschieden auch ihr Anspruch und ihr Zweck ist, beleben
historische Entwicklungen, Vergleiche und Beispiele aus der Kriegsgeschichte die
vorgetragenen Lehrsätze, in beiden lebt derselbe tüchtige militärische Sinn, welcher
in der preußischen Armee immer noch seine Stätte hat und dieselbe bei wür¬
diger Führung zu einem willkommenen Bundesgenossen und furchtbaren Geg¬
ner machen muß. D. Bl. benutzt die Anzeige dieser Bücher, um seinen fried¬
lichen Lesern einen kurzen Abriß von der kriegerischen Operation zu geben,
welche man eine Schlacht nennt. Wie oft man auch, das Wort gebrauche,
und wie vertraut der Phantasie eines jeden einzelne Theile einer solchen
Action zweier feindlichen Heere sind, so wird es doch Viele geben, welche von
dem innern gesetzlichen Verlauf dieser furchtbaren Thätigkeit keine genaue Vor-
^ Stellung haben. Es versteht sich von selbst, daß bei einer solchen Darstellung
nicht an eine bestimmte Schlacht gedacht, soikdern grade das Gemeinsame und
Regelrechte zusammengestellt wird. In der Wirklichkeit gestaltet sich bald das,
bald jenes Einzelne anders. Zum bessern Verständniß der heutigen Kriegführung
soll einiges über die Schlachtenführung der vergangenen Jahrhunderte voraus¬
geschickt werden. Das Werk Griesheims ist bei allem Folgenden zu Grunde gelegt.

Seit Einführung des Schießpulvers änderte sich allmälig das Verhältniß
der Infanterie zur Cavalerie. Während im Mittelalter die schwergepanzerten
Reiter die Hauptwaffe gebildet hatten, traten jetzt das Fußvolk und die
Artillerie als neue Truppengattungen von bedeutender Wirksamkeit in die
Heeresorganisation ein. Beim Beginn deö dreißigjährigen Krieges bestand
die Infanterie zu zwei Drittheilen aus Pikenträgern (Pikeniere), zu einem
Drittel aus Musketieren. Erstere waren schwer, letztere leicht bewaffnet. Die
Pikeniere trugen den Brustharnisch, eiserne Handschuh und Pickelhauben, die
Musketiere legren bald alle Schutzwaffen ab und behielten nur noch die Sturm¬
hüte. Die Musketen waren schwere ^Gewehre mit langen Röhren und starker
Ladung, deren Kugeln durch jeden Harnisch durchdrangen, die Musketen konn¬
ten ihrer Schwere wegen nur auf einer Gabel, dem Haken, abgefeuert werden,
den der Musketier bei sich trug. Zur Schlacht formirte die Infanterie sich
gewöhnlich in Haufen von 8--10 Mann Tiefe, die Pikeniere standen ge-
chlosscn. die Musketiere mit 3 Fuß Distanz. Es waren wenigstens fünf
Glieder Musketiere nöthig, das Feuer zu unterhalten, denn das Glied, welches
gefeuert hatte, ging zurück, um zu laden. Die Cavalerie halte längst aufge¬
hört ein Privilegium des Adels zu sein, in den niederländischen Kriegen verlor
sie ihre Lanzen und Schilde. Die schweren Reiter waren Kürassiere mit Helm
und Rüstung, mit Reiterstiefeln, langen Pistolen und dem Reiterschwert. Da¬
neben entstanden in den Niederlanden die sogenannten deutschen Reiter, als
leichtere Reiterei nur mit Degen und Pistolen bewaffnet. Um eben diese Zeit


Grenzboten. II. -ILL6. L4

stehenden, wie allgemeines Theoretistren sind hier mit Takt vermieden. In
beiden Werken, so verschieden auch ihr Anspruch und ihr Zweck ist, beleben
historische Entwicklungen, Vergleiche und Beispiele aus der Kriegsgeschichte die
vorgetragenen Lehrsätze, in beiden lebt derselbe tüchtige militärische Sinn, welcher
in der preußischen Armee immer noch seine Stätte hat und dieselbe bei wür¬
diger Führung zu einem willkommenen Bundesgenossen und furchtbaren Geg¬
ner machen muß. D. Bl. benutzt die Anzeige dieser Bücher, um seinen fried¬
lichen Lesern einen kurzen Abriß von der kriegerischen Operation zu geben,
welche man eine Schlacht nennt. Wie oft man auch, das Wort gebrauche,
und wie vertraut der Phantasie eines jeden einzelne Theile einer solchen
Action zweier feindlichen Heere sind, so wird es doch Viele geben, welche von
dem innern gesetzlichen Verlauf dieser furchtbaren Thätigkeit keine genaue Vor-
^ Stellung haben. Es versteht sich von selbst, daß bei einer solchen Darstellung
nicht an eine bestimmte Schlacht gedacht, soikdern grade das Gemeinsame und
Regelrechte zusammengestellt wird. In der Wirklichkeit gestaltet sich bald das,
bald jenes Einzelne anders. Zum bessern Verständniß der heutigen Kriegführung
soll einiges über die Schlachtenführung der vergangenen Jahrhunderte voraus¬
geschickt werden. Das Werk Griesheims ist bei allem Folgenden zu Grunde gelegt.

Seit Einführung des Schießpulvers änderte sich allmälig das Verhältniß
der Infanterie zur Cavalerie. Während im Mittelalter die schwergepanzerten
Reiter die Hauptwaffe gebildet hatten, traten jetzt das Fußvolk und die
Artillerie als neue Truppengattungen von bedeutender Wirksamkeit in die
Heeresorganisation ein. Beim Beginn deö dreißigjährigen Krieges bestand
die Infanterie zu zwei Drittheilen aus Pikenträgern (Pikeniere), zu einem
Drittel aus Musketieren. Erstere waren schwer, letztere leicht bewaffnet. Die
Pikeniere trugen den Brustharnisch, eiserne Handschuh und Pickelhauben, die
Musketiere legren bald alle Schutzwaffen ab und behielten nur noch die Sturm¬
hüte. Die Musketen waren schwere ^Gewehre mit langen Röhren und starker
Ladung, deren Kugeln durch jeden Harnisch durchdrangen, die Musketen konn¬
ten ihrer Schwere wegen nur auf einer Gabel, dem Haken, abgefeuert werden,
den der Musketier bei sich trug. Zur Schlacht formirte die Infanterie sich
gewöhnlich in Haufen von 8—10 Mann Tiefe, die Pikeniere standen ge-
chlosscn. die Musketiere mit 3 Fuß Distanz. Es waren wenigstens fünf
Glieder Musketiere nöthig, das Feuer zu unterhalten, denn das Glied, welches
gefeuert hatte, ging zurück, um zu laden. Die Cavalerie halte längst aufge¬
hört ein Privilegium des Adels zu sein, in den niederländischen Kriegen verlor
sie ihre Lanzen und Schilde. Die schweren Reiter waren Kürassiere mit Helm
und Rüstung, mit Reiterstiefeln, langen Pistolen und dem Reiterschwert. Da¬
neben entstanden in den Niederlanden die sogenannten deutschen Reiter, als
leichtere Reiterei nur mit Degen und Pistolen bewaffnet. Um eben diese Zeit


Grenzboten. II. -ILL6. L4
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[0513] stehenden, wie allgemeines Theoretistren sind hier mit Takt vermieden. In beiden Werken, so verschieden auch ihr Anspruch und ihr Zweck ist, beleben historische Entwicklungen, Vergleiche und Beispiele aus der Kriegsgeschichte die vorgetragenen Lehrsätze, in beiden lebt derselbe tüchtige militärische Sinn, welcher in der preußischen Armee immer noch seine Stätte hat und dieselbe bei wür¬ diger Führung zu einem willkommenen Bundesgenossen und furchtbaren Geg¬ ner machen muß. D. Bl. benutzt die Anzeige dieser Bücher, um seinen fried¬ lichen Lesern einen kurzen Abriß von der kriegerischen Operation zu geben, welche man eine Schlacht nennt. Wie oft man auch, das Wort gebrauche, und wie vertraut der Phantasie eines jeden einzelne Theile einer solchen Action zweier feindlichen Heere sind, so wird es doch Viele geben, welche von dem innern gesetzlichen Verlauf dieser furchtbaren Thätigkeit keine genaue Vor- ^ Stellung haben. Es versteht sich von selbst, daß bei einer solchen Darstellung nicht an eine bestimmte Schlacht gedacht, soikdern grade das Gemeinsame und Regelrechte zusammengestellt wird. In der Wirklichkeit gestaltet sich bald das, bald jenes Einzelne anders. Zum bessern Verständniß der heutigen Kriegführung soll einiges über die Schlachtenführung der vergangenen Jahrhunderte voraus¬ geschickt werden. Das Werk Griesheims ist bei allem Folgenden zu Grunde gelegt. Seit Einführung des Schießpulvers änderte sich allmälig das Verhältniß der Infanterie zur Cavalerie. Während im Mittelalter die schwergepanzerten Reiter die Hauptwaffe gebildet hatten, traten jetzt das Fußvolk und die Artillerie als neue Truppengattungen von bedeutender Wirksamkeit in die Heeresorganisation ein. Beim Beginn deö dreißigjährigen Krieges bestand die Infanterie zu zwei Drittheilen aus Pikenträgern (Pikeniere), zu einem Drittel aus Musketieren. Erstere waren schwer, letztere leicht bewaffnet. Die Pikeniere trugen den Brustharnisch, eiserne Handschuh und Pickelhauben, die Musketiere legren bald alle Schutzwaffen ab und behielten nur noch die Sturm¬ hüte. Die Musketen waren schwere ^Gewehre mit langen Röhren und starker Ladung, deren Kugeln durch jeden Harnisch durchdrangen, die Musketen konn¬ ten ihrer Schwere wegen nur auf einer Gabel, dem Haken, abgefeuert werden, den der Musketier bei sich trug. Zur Schlacht formirte die Infanterie sich gewöhnlich in Haufen von 8—10 Mann Tiefe, die Pikeniere standen ge- chlosscn. die Musketiere mit 3 Fuß Distanz. Es waren wenigstens fünf Glieder Musketiere nöthig, das Feuer zu unterhalten, denn das Glied, welches gefeuert hatte, ging zurück, um zu laden. Die Cavalerie halte längst aufge¬ hört ein Privilegium des Adels zu sein, in den niederländischen Kriegen verlor sie ihre Lanzen und Schilde. Die schweren Reiter waren Kürassiere mit Helm und Rüstung, mit Reiterstiefeln, langen Pistolen und dem Reiterschwert. Da¬ neben entstanden in den Niederlanden die sogenannten deutschen Reiter, als leichtere Reiterei nur mit Degen und Pistolen bewaffnet. Um eben diese Zeit Grenzboten. II. -ILL6. L4

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/513>, abgerufen am 03.07.2024.