Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.große Werth des hinterlassenen Werkes wird in der preußischen Armee auch Das zweite Werk, dessen Verfasser den Ruf eines tüchtigen und gebildeten große Werth des hinterlassenen Werkes wird in der preußischen Armee auch Das zweite Werk, dessen Verfasser den Ruf eines tüchtigen und gebildeten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0512" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/99898"/> <p xml:id="ID_1741" prev="#ID_1740"> große Werth des hinterlassenen Werkes wird in der preußischen Armee auch<lb/> von denen anerkannt, welche die Gegner einzelner Ansichten des Verstorbenen<lb/> sind. Die klare, präcise und ruhige Verarbeitung des schwierigen Stoffes,<lb/> seine Bekanntschaft mit der Organisation fremder Heere und das verständige,<lb/> praktische und freie Urtheil sichern dem Werk einen bleibenden Werth. Mit<lb/> Freimuth sind auch die Mängel, welche er an dem preußischen Heerwesen zu<lb/> rügen hat, nicht verschwiegen, und wenn einzelnen seiner Forderungen die<lb/> Majorität der' maßgebenden Autoritäten nicht beipflichten wird, so rritt<lb/> seine persönliche Ansicht doch niemals mit der Schroffheit auf, welche blind<lb/> gegen die relative Berechtigung der entgegengesetzten Ueberzeugungen macht.<lb/> Auch Nichtmilitärs werden in dem Buche Belehrung in Menge finden, denn<lb/> dasselbe enthält in systematischer Darstellung aller taktischen Verhältnisse auch<lb/> eine große Zahl interessanter Ausführungen, welche namentlich in unsrer<lb/> kriegerischen Zeit das allgemeinste Interesse beanspruchen dürfen. Um nur<lb/> Einzelnes herauszuheben, man ist z. B. geneigt, die Zahl der dienstfähigen<lb/> Männer im Verhältniß zur Einwohnerzahl eines Staates für viel höher an¬<lb/> zunehmen, als sie in Wirklichkeit ist. Durch die statistischen Angaben Gries-<lb/> heims wird schlagend nachgewiesen, in welchem Nachtheil der Staat mit ge-<lb/> ringerer Bevölkerung gegen einen menschenreicheren bei längerem Kriege ist.<lb/> In Preußen z. B. befinden sich aus -100 Seelen nur 4 Männer von 20 — 24 Jah¬<lb/> ren und nur-I von 20 Jahren. Im Jahr -1841 fanden sich auf 14,3-16,000 Ein¬<lb/> wohner 630,000 Menschen von 20—24 Jahren, darunter -165,170 zwan¬<lb/> zigjährige. Es würde indeß zu einem ganz falschen Schluß führen, wenn<lb/> man glauben wollte, daß der vierundzwanzigste Mensch zum Ersatz des Heeres<lb/> benutzt werden könnte. Der Ausfall an körperlich Unfähigen ist sehr groß. So<lb/> waren im Jahre 1841 von jenen 630,000 Männern nur 487,500 disponibel,<lb/> davon waren zu schwach 134,500 Mann, zu klein 124,290, also knegötüchtig<lb/> 87,510 Mann. Wenn seitdem auch die Einwohnerzahl des preußischen Staats<lb/> sich fast um zwei Millionen vermehrt hat, so übersteigt doch die Anzahl der<lb/> Männer, welche alljährlich zur Ergänzung des Heeres eingestellt werden<lb/> können, die Zahl von 100,000 noch nichl, wobei allerdings zu berücksichtigen<lb/> ist, daß in Preußen das für Diensttüchtigkeit angenommene Zollmaß der<lb/> Rekruten nach einer hundertjährigen Tradition noch zu hoch angenommen ist,<lb/> so daß man jedenfalls bei einem größern Kriege davon wird abgehen müssen.<lb/> Mit Recht tadelt Griesheim dies Bestreben große Soldaten zu haben als eine<lb/> unpraktische Pedanterie. —</p><lb/> <p xml:id="ID_1742" next="#ID_1743"> Das zweite Werk, dessen Verfasser den Ruf eines tüchtigen und gebildeten<lb/> Offiziers hat, ist ein kurzes, übersichtliches Lehrbuch für den praktischen Dienst. —<lb/> Es soll den Offizier in den Stand setzen, nach den bei seiner Waffe bestehenden<lb/> Borschriften das Vorhandene zu gebrauchen. Eine Kritik des gesetzlich Be-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0512]
große Werth des hinterlassenen Werkes wird in der preußischen Armee auch
von denen anerkannt, welche die Gegner einzelner Ansichten des Verstorbenen
sind. Die klare, präcise und ruhige Verarbeitung des schwierigen Stoffes,
seine Bekanntschaft mit der Organisation fremder Heere und das verständige,
praktische und freie Urtheil sichern dem Werk einen bleibenden Werth. Mit
Freimuth sind auch die Mängel, welche er an dem preußischen Heerwesen zu
rügen hat, nicht verschwiegen, und wenn einzelnen seiner Forderungen die
Majorität der' maßgebenden Autoritäten nicht beipflichten wird, so rritt
seine persönliche Ansicht doch niemals mit der Schroffheit auf, welche blind
gegen die relative Berechtigung der entgegengesetzten Ueberzeugungen macht.
Auch Nichtmilitärs werden in dem Buche Belehrung in Menge finden, denn
dasselbe enthält in systematischer Darstellung aller taktischen Verhältnisse auch
eine große Zahl interessanter Ausführungen, welche namentlich in unsrer
kriegerischen Zeit das allgemeinste Interesse beanspruchen dürfen. Um nur
Einzelnes herauszuheben, man ist z. B. geneigt, die Zahl der dienstfähigen
Männer im Verhältniß zur Einwohnerzahl eines Staates für viel höher an¬
zunehmen, als sie in Wirklichkeit ist. Durch die statistischen Angaben Gries-
heims wird schlagend nachgewiesen, in welchem Nachtheil der Staat mit ge-
ringerer Bevölkerung gegen einen menschenreicheren bei längerem Kriege ist.
In Preußen z. B. befinden sich aus -100 Seelen nur 4 Männer von 20 — 24 Jah¬
ren und nur-I von 20 Jahren. Im Jahr -1841 fanden sich auf 14,3-16,000 Ein¬
wohner 630,000 Menschen von 20—24 Jahren, darunter -165,170 zwan¬
zigjährige. Es würde indeß zu einem ganz falschen Schluß führen, wenn
man glauben wollte, daß der vierundzwanzigste Mensch zum Ersatz des Heeres
benutzt werden könnte. Der Ausfall an körperlich Unfähigen ist sehr groß. So
waren im Jahre 1841 von jenen 630,000 Männern nur 487,500 disponibel,
davon waren zu schwach 134,500 Mann, zu klein 124,290, also knegötüchtig
87,510 Mann. Wenn seitdem auch die Einwohnerzahl des preußischen Staats
sich fast um zwei Millionen vermehrt hat, so übersteigt doch die Anzahl der
Männer, welche alljährlich zur Ergänzung des Heeres eingestellt werden
können, die Zahl von 100,000 noch nichl, wobei allerdings zu berücksichtigen
ist, daß in Preußen das für Diensttüchtigkeit angenommene Zollmaß der
Rekruten nach einer hundertjährigen Tradition noch zu hoch angenommen ist,
so daß man jedenfalls bei einem größern Kriege davon wird abgehen müssen.
Mit Recht tadelt Griesheim dies Bestreben große Soldaten zu haben als eine
unpraktische Pedanterie. —
Das zweite Werk, dessen Verfasser den Ruf eines tüchtigen und gebildeten
Offiziers hat, ist ein kurzes, übersichtliches Lehrbuch für den praktischen Dienst. —
Es soll den Offizier in den Stand setzen, nach den bei seiner Waffe bestehenden
Borschriften das Vorhandene zu gebrauchen. Eine Kritik des gesetzlich Be-
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