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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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damaligen Standpunkte stehen, sich allmälig vom Schauplatz zurückziehe" möchten.
Wir theilen ganz die Abneigung der rechten Seite gegen alle unnützen Adressen
und theilen ganz und gar nicht die Ansicht deö Herrn von Auerswald, daß
es dem gemüthlichen Verhältniß zwischen Krone und Volk entspräche, wenn
eine recht lebhafte Correspondenz zwischen beiden Mächten eingeführt würde.
Wir müssen vollkommen dem Ministerpräsidenten beipflichten, daß es der Würde
der Kammer nicht ziemt, Monologe zu halten, und daß eine Opposition, die
den Staat sittlich kräftigen wolle, > sich klar und unumwunden aussprechen
müsse. Die Form der Bitten - und Beschwerden paßte für den vereinigten
Landtag von -1847, aber sie paßt nicht mehr für die Kammern -- oder für
die Häuser, denn wir erinnern uns nicht genau, welcher von diesen Bezeich-
nungen man zuletzt den Vorzug gegeben hat.

Sehr richtig bemerkt Herr von Manteuffel, daß die preußischen Kammern
wol schwerlich jemals die auswärtige Politik des Staats lenken würden. Dazu
ist überhaupt, die Kammer keines Staats berufen. Freilich ist damit noch nicht
gesagt, daß das Volk und dessen Repräsentant, die Kammer, sich um die aus¬
wärtige Politik überhaupt nicht zu bekümmern habe. Ob das preußische Land
durch die Politik seiner Negierung in Gefahr kommt, von den Franzosen,
Oestreichern u. f. w. verwüstet, geplündert, zerstückelt und unterdrückt zu wer¬
den, das ist eine Frage, welche daS preußische Volk bedeutend mehr inter-
essiren muß, als die Frage, ob die Runkelrüben Schutzzölle verlangen oder nicht.

Das preußische Heer hat über diese Fragen keine Stimme abzugeben,
sondern es soll, muß und wird dahin gehen, wohin sein Souverän es schickt.
Dagegen ist den Landesvertretern durch die Form der Verfassung selbst die
Art und Weise vorgezeichnet, wie sie die Sympathien des Landes zur Geltung
zu bringen haben.

Ein unzweifelhaft.anerkanntes Recht der Kammer ist es, neue Auflagen
und Anleihen zu bewilligen oder zu verwerfen. Sie kann dabei entweder den
Maßstab anwenden, ob der bestimmte Zweck der Ausgabe ihr angemessen er¬
scheint oder nicht, oder wo sie darüber kein Urtheil hat, muß sie die Wahr¬
scheinlichkeitsrechnung, d. h. die bisherige Erfahrung von dem Charakter der
Männer, denen sie ihr Vertrauen schenken soll, in Anwendung bringen. Nun
hat der Chef des auswärtigen Amtes erklärt, über die Art und Weise, wie
er den geforderten Credit anwenden will, keine Auskunft geben zu können.
Wenn nun seine bisherige Politik von der Art war, daß sie die Verwendung
der Gelder in dem Sinne, wie sie der Nutzen des Staats erfordert, unwahr¬
scheinlich macht, so blieb denjenigen Kammermitgliedern, welche dieser Ueber¬
zeugung waren, nichts übrig, als den Credit zu verweigern. Wenn sie zur
weitern Information des Staatsoberhaupts oder auch zu ihrer eignen Recht¬
fertigung vor dem Lande noch in irgendeiner Form eine Motivirung dieses


damaligen Standpunkte stehen, sich allmälig vom Schauplatz zurückziehe» möchten.
Wir theilen ganz die Abneigung der rechten Seite gegen alle unnützen Adressen
und theilen ganz und gar nicht die Ansicht deö Herrn von Auerswald, daß
es dem gemüthlichen Verhältniß zwischen Krone und Volk entspräche, wenn
eine recht lebhafte Correspondenz zwischen beiden Mächten eingeführt würde.
Wir müssen vollkommen dem Ministerpräsidenten beipflichten, daß es der Würde
der Kammer nicht ziemt, Monologe zu halten, und daß eine Opposition, die
den Staat sittlich kräftigen wolle, > sich klar und unumwunden aussprechen
müsse. Die Form der Bitten - und Beschwerden paßte für den vereinigten
Landtag von -1847, aber sie paßt nicht mehr für die Kammern — oder für
die Häuser, denn wir erinnern uns nicht genau, welcher von diesen Bezeich-
nungen man zuletzt den Vorzug gegeben hat.

Sehr richtig bemerkt Herr von Manteuffel, daß die preußischen Kammern
wol schwerlich jemals die auswärtige Politik des Staats lenken würden. Dazu
ist überhaupt, die Kammer keines Staats berufen. Freilich ist damit noch nicht
gesagt, daß das Volk und dessen Repräsentant, die Kammer, sich um die aus¬
wärtige Politik überhaupt nicht zu bekümmern habe. Ob das preußische Land
durch die Politik seiner Negierung in Gefahr kommt, von den Franzosen,
Oestreichern u. f. w. verwüstet, geplündert, zerstückelt und unterdrückt zu wer¬
den, das ist eine Frage, welche daS preußische Volk bedeutend mehr inter-
essiren muß, als die Frage, ob die Runkelrüben Schutzzölle verlangen oder nicht.

Das preußische Heer hat über diese Fragen keine Stimme abzugeben,
sondern es soll, muß und wird dahin gehen, wohin sein Souverän es schickt.
Dagegen ist den Landesvertretern durch die Form der Verfassung selbst die
Art und Weise vorgezeichnet, wie sie die Sympathien des Landes zur Geltung
zu bringen haben.

Ein unzweifelhaft.anerkanntes Recht der Kammer ist es, neue Auflagen
und Anleihen zu bewilligen oder zu verwerfen. Sie kann dabei entweder den
Maßstab anwenden, ob der bestimmte Zweck der Ausgabe ihr angemessen er¬
scheint oder nicht, oder wo sie darüber kein Urtheil hat, muß sie die Wahr¬
scheinlichkeitsrechnung, d. h. die bisherige Erfahrung von dem Charakter der
Männer, denen sie ihr Vertrauen schenken soll, in Anwendung bringen. Nun
hat der Chef des auswärtigen Amtes erklärt, über die Art und Weise, wie
er den geforderten Credit anwenden will, keine Auskunft geben zu können.
Wenn nun seine bisherige Politik von der Art war, daß sie die Verwendung
der Gelder in dem Sinne, wie sie der Nutzen des Staats erfordert, unwahr¬
scheinlich macht, so blieb denjenigen Kammermitgliedern, welche dieser Ueber¬
zeugung waren, nichts übrig, als den Credit zu verweigern. Wenn sie zur
weitern Information des Staatsoberhaupts oder auch zu ihrer eignen Recht¬
fertigung vor dem Lande noch in irgendeiner Form eine Motivirung dieses


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/40>, abgerufen am 01.07.2024.