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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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spiele und die dagegen abstechende Dürftigkeit der gewöhnlichen Ausstattung
wird vermieden. Die Leistungen der Schauspieler werden um so viel besser, daß
man dieselben Künstler in dem jetzigen Zustand und in diesem geregelten oft
kaum wiedererkennen wird. Denn die Festigkeit des Instituts bat auch eine
größere Ordnung des Repertoirs zur Folge, einen sorgfältigern Mechanismus
der Vrobeu und der Scenirung. Es wird möglich, jedem Stück eine größere
Sorgfalt zu widmen, es wird leicht, besondern Fleiß und Kraft auf einzelne
schwierigere Aufgaben zu wenden. Das höhere Drama, welches fast ganz vom
Repertoir unserer Stadttheater verschwunden ist, kann wieder gepflegt werden,
und das Ansehen solcher Stücke wird für den gebildeten Zuschauer nicht mehr
eine Qual sein.

Wenn diese Vortheile auch denen einleuchtend sind, welche kein größeres
Interesse am Theater haben, so wird dagegen eine Commune leicht geneigt
sein, die Verantwortlichkeit zu scheuen, welche der städtischen Kasse möglicher¬
weise durch die Garantie des festen Etats entstehen könnte. Dieses Bedenken,
so natürlich bei einer städtischen Corporation, wird sich aber überall als unnütz
ausweisen, wo man den festen Etat des Theaters nach den Verhältnissen der
Stadt zu normiren weiß. Das leipziger Theater z. B. hatte zur Zeit
Schmidts einen Etat, welcher in einzelnen Jahren 80,000 Thaler wol über¬
stieg. Der gegenwärtige dürste 60,000 nicht erreichen, und es ist kaum anzu¬
nehmen, daß bei der gegenwärtigen Verwaltung die Einnahmen auch nur
diese Ausgabenhöhe decken. Nun ist es aber möglich, selbst mit einem ge¬
ringern Etat, vielleicht mit LS.000, wenn derselbe garantirt ist, ein besseres
Theater herzustellen, als jetzt mit 7ü,000. In Leipzig wenigstens hat die Com¬
mune keinen Grund, zu besorgen, daß bei einer verständigen Verwaltung dieser
Etat durch die Einnahmen nicht gedeckt werden sollte. Hat doch sogar das
Jahr 48, das schlechteste Theaterjahr, welches Deutschland seit der Herrschaft
der Franzosen erlebt hat, grade in der Zeit, in welcher die Directionsverhält-
uisse ungeordnet waren, und wo die Schauspieler aus Theilung spielten, noch
bewiesen, daß es möglich ist, in Leipzig ein solches Institut durch sich selbst
zu erhalten. Aehnliche Erfahrungen hat man in mehrern andern Städten gemacht.

Aber der passende Mann, welcher im Stande ist, als Director ein solches
Unternehmen einzurichten und zu erhalten, er wird nicht zu finden sein? Auch
dieser Einwurf ist ungegründet. Nur muß man sich klar machen, welche Er¬
fordernisse eine leitende Persönlichkeit, die bis zu einem gewissen Grade als
Beamter -der Stadt betrachtet werden kann, haben muß. Das Regiment so¬
genannter geistreicher Schriftsteller, Dramaturgen :e. hat sich im Allgemeinen
als zweckwidrig bewiesen. Wenigstens für ein Stadttheater ist dasselbe mit
großen Bedenken verbunden. Man kann mit Erfolg dramatischer Schriftsteller
gewesen sein, und doch sehr wenig verstehen, Schauspieler zu leiten und ein


spiele und die dagegen abstechende Dürftigkeit der gewöhnlichen Ausstattung
wird vermieden. Die Leistungen der Schauspieler werden um so viel besser, daß
man dieselben Künstler in dem jetzigen Zustand und in diesem geregelten oft
kaum wiedererkennen wird. Denn die Festigkeit des Instituts bat auch eine
größere Ordnung des Repertoirs zur Folge, einen sorgfältigern Mechanismus
der Vrobeu und der Scenirung. Es wird möglich, jedem Stück eine größere
Sorgfalt zu widmen, es wird leicht, besondern Fleiß und Kraft auf einzelne
schwierigere Aufgaben zu wenden. Das höhere Drama, welches fast ganz vom
Repertoir unserer Stadttheater verschwunden ist, kann wieder gepflegt werden,
und das Ansehen solcher Stücke wird für den gebildeten Zuschauer nicht mehr
eine Qual sein.

Wenn diese Vortheile auch denen einleuchtend sind, welche kein größeres
Interesse am Theater haben, so wird dagegen eine Commune leicht geneigt
sein, die Verantwortlichkeit zu scheuen, welche der städtischen Kasse möglicher¬
weise durch die Garantie des festen Etats entstehen könnte. Dieses Bedenken,
so natürlich bei einer städtischen Corporation, wird sich aber überall als unnütz
ausweisen, wo man den festen Etat des Theaters nach den Verhältnissen der
Stadt zu normiren weiß. Das leipziger Theater z. B. hatte zur Zeit
Schmidts einen Etat, welcher in einzelnen Jahren 80,000 Thaler wol über¬
stieg. Der gegenwärtige dürste 60,000 nicht erreichen, und es ist kaum anzu¬
nehmen, daß bei der gegenwärtigen Verwaltung die Einnahmen auch nur
diese Ausgabenhöhe decken. Nun ist es aber möglich, selbst mit einem ge¬
ringern Etat, vielleicht mit LS.000, wenn derselbe garantirt ist, ein besseres
Theater herzustellen, als jetzt mit 7ü,000. In Leipzig wenigstens hat die Com¬
mune keinen Grund, zu besorgen, daß bei einer verständigen Verwaltung dieser
Etat durch die Einnahmen nicht gedeckt werden sollte. Hat doch sogar das
Jahr 48, das schlechteste Theaterjahr, welches Deutschland seit der Herrschaft
der Franzosen erlebt hat, grade in der Zeit, in welcher die Directionsverhält-
uisse ungeordnet waren, und wo die Schauspieler aus Theilung spielten, noch
bewiesen, daß es möglich ist, in Leipzig ein solches Institut durch sich selbst
zu erhalten. Aehnliche Erfahrungen hat man in mehrern andern Städten gemacht.

Aber der passende Mann, welcher im Stande ist, als Director ein solches
Unternehmen einzurichten und zu erhalten, er wird nicht zu finden sein? Auch
dieser Einwurf ist ungegründet. Nur muß man sich klar machen, welche Er¬
fordernisse eine leitende Persönlichkeit, die bis zu einem gewissen Grade als
Beamter -der Stadt betrachtet werden kann, haben muß. Das Regiment so¬
genannter geistreicher Schriftsteller, Dramaturgen :e. hat sich im Allgemeinen
als zweckwidrig bewiesen. Wenigstens für ein Stadttheater ist dasselbe mit
großen Bedenken verbunden. Man kann mit Erfolg dramatischer Schriftsteller
gewesen sein, und doch sehr wenig verstehen, Schauspieler zu leiten und ein


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/388>, abgerufen am 03.07.2024.