Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.großes Institut zu verwalten. Ja selbst die ästhetische Kunstbildung der Herren, Ein Stadttheater soll kein Institut sein, aus welchem die Kunst neue großes Institut zu verwalten. Ja selbst die ästhetische Kunstbildung der Herren, Ein Stadttheater soll kein Institut sein, aus welchem die Kunst neue <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0389" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/99775"/> <p xml:id="ID_1313" prev="#ID_1312"> großes Institut zu verwalten. Ja selbst die ästhetische Kunstbildung der Herren,<lb/> welche über Theater zu schreiben wissen, würde sich grade den Schauspielern<lb/> gegenüber oft als ungenügend beweisen, und was auf dem Papier und als<lb/> Phrase recht stattlich klingt, ist, wie die Sachen bei uns stehen, auch bei nam¬<lb/> haften Schriftstellern oft nur der Deckmantel der Unwissenheit, wenigstens<lb/> einer Unkenntnis? der Schauspielkunst. Schon Eduard Devrient hat vortrefflich<lb/> in seiner Geschichte der deutschen Schauspielkunst ausgeführt, wie wenig Segen<lb/> die Theaterleitung durch dramatische Schriftsteller und Kritiker, welche nicht<lb/> selbst ausübende Künstler waren, der deutschen Bühne bis jetzt gebracht hat.<lb/> Im besten Fall ist begegnet, daß solche Dichter sich nach einigen Jahren er¬<lb/> müdet und enttäuscht von der Bühne zurückzogen, und mit Unrecht der Misöre<lb/> der Theaterzustände aufbürdeten, was zumeist ihrer ungeschickten Behandlung<lb/> oder souveränen Verachtung der Wirklichkeit zur Last fiel. Einzelne Ausnahmen,<lb/> welche wir noch jetzt sehen, stoßen diese Regel nicht um, die vorzugsweise für<lb/> städtische Bühnen gilt. Dagegen gibt es unter unsern ältern Schauspielern,<lb/> welche Negietalente bewiesen haben, allerdings noch einige, deren tüchtige<lb/> Persönlichkeit einer Commune die Garantien gibt, daß sie verständig, mit<lb/> ernstem Willen, zum Nutzen sür die Kunst und nicht zum Schaden der Theater¬<lb/> kasse ihr Amt verwalten werden. Es kommt bei der Leitung eines Stadt¬<lb/> theaters weniger daraus an, daß der Director ein geistreicher und enthusiastischer<lb/> Aesthetiker, als daß er ein erfahrner, gescheidter Künstler sei, der, obgleich er<lb/> selbst dem Spiel entsagt hat, doch die Technik seines Geschäftes genau versteht,<lb/> und im Stande ist, seinen Schauspielern zu imponiren und die complicirte<lb/> Verwaltung des Instituts zu leiten. Wol aber muß er die Bürgschaften der<lb/> persönlichen Integrität, einer ernsten Liebe zu seiner Kunst und einer zu¬<lb/> reichenden gesellschaftlichen und dramatischen Bildung geben. Und ganz arm<lb/> sind wir an solchen Männern noch nicht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1314" next="#ID_1315"> Ein Stadttheater soll kein Institut sein, aus welchem die Kunst neue<lb/> gewagte Experimente und kühne Versuche macht. Es soll ein solides, tüchtiges,<lb/> bürgerliches Unternehmen sein, soll dem Publicum, welches das Geld hergibt, so¬<lb/> weit die Kunst dies ohne Entwürdigung darf, gefällig sein, es soll auch brav<lb/> einnehmen, damit es ehrlich bestehen kann. Ein geistvoller Fürst mag an<lb/> seinem Hoftheater Kunsterperimente wagen und neue zweifelhafte Richtungen<lb/> protegiren, ein Stadttheater soll mit dem vorhandenen sicheren Vorrath der<lb/> Kunst operiren, mehr auf solide, als brillante Arbeit sehn, und doch auch dem<lb/> Geschmack des Tages einige Rechnung tragen, und wo es gegen ihn ankämpfen<lb/> muß, soll dies bescheiden, vorsichtig und allmälig geschehn. Es soll gute<lb/> Einnahmen machen. Mag man dies für einen Zwang oder Vortheil<lb/> halten, das ganze Sachverhältniß zwingt dazu. Deshalb ist es vortheilhaft,<lb/> daß der Director'eines Stadttheaters außer seinem etatsmäßigen Gehalt auch</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0389]
großes Institut zu verwalten. Ja selbst die ästhetische Kunstbildung der Herren,
welche über Theater zu schreiben wissen, würde sich grade den Schauspielern
gegenüber oft als ungenügend beweisen, und was auf dem Papier und als
Phrase recht stattlich klingt, ist, wie die Sachen bei uns stehen, auch bei nam¬
haften Schriftstellern oft nur der Deckmantel der Unwissenheit, wenigstens
einer Unkenntnis? der Schauspielkunst. Schon Eduard Devrient hat vortrefflich
in seiner Geschichte der deutschen Schauspielkunst ausgeführt, wie wenig Segen
die Theaterleitung durch dramatische Schriftsteller und Kritiker, welche nicht
selbst ausübende Künstler waren, der deutschen Bühne bis jetzt gebracht hat.
Im besten Fall ist begegnet, daß solche Dichter sich nach einigen Jahren er¬
müdet und enttäuscht von der Bühne zurückzogen, und mit Unrecht der Misöre
der Theaterzustände aufbürdeten, was zumeist ihrer ungeschickten Behandlung
oder souveränen Verachtung der Wirklichkeit zur Last fiel. Einzelne Ausnahmen,
welche wir noch jetzt sehen, stoßen diese Regel nicht um, die vorzugsweise für
städtische Bühnen gilt. Dagegen gibt es unter unsern ältern Schauspielern,
welche Negietalente bewiesen haben, allerdings noch einige, deren tüchtige
Persönlichkeit einer Commune die Garantien gibt, daß sie verständig, mit
ernstem Willen, zum Nutzen sür die Kunst und nicht zum Schaden der Theater¬
kasse ihr Amt verwalten werden. Es kommt bei der Leitung eines Stadt¬
theaters weniger daraus an, daß der Director ein geistreicher und enthusiastischer
Aesthetiker, als daß er ein erfahrner, gescheidter Künstler sei, der, obgleich er
selbst dem Spiel entsagt hat, doch die Technik seines Geschäftes genau versteht,
und im Stande ist, seinen Schauspielern zu imponiren und die complicirte
Verwaltung des Instituts zu leiten. Wol aber muß er die Bürgschaften der
persönlichen Integrität, einer ernsten Liebe zu seiner Kunst und einer zu¬
reichenden gesellschaftlichen und dramatischen Bildung geben. Und ganz arm
sind wir an solchen Männern noch nicht.
Ein Stadttheater soll kein Institut sein, aus welchem die Kunst neue
gewagte Experimente und kühne Versuche macht. Es soll ein solides, tüchtiges,
bürgerliches Unternehmen sein, soll dem Publicum, welches das Geld hergibt, so¬
weit die Kunst dies ohne Entwürdigung darf, gefällig sein, es soll auch brav
einnehmen, damit es ehrlich bestehen kann. Ein geistvoller Fürst mag an
seinem Hoftheater Kunsterperimente wagen und neue zweifelhafte Richtungen
protegiren, ein Stadttheater soll mit dem vorhandenen sicheren Vorrath der
Kunst operiren, mehr auf solide, als brillante Arbeit sehn, und doch auch dem
Geschmack des Tages einige Rechnung tragen, und wo es gegen ihn ankämpfen
muß, soll dies bescheiden, vorsichtig und allmälig geschehn. Es soll gute
Einnahmen machen. Mag man dies für einen Zwang oder Vortheil
halten, das ganze Sachverhältniß zwingt dazu. Deshalb ist es vortheilhaft,
daß der Director'eines Stadttheaters außer seinem etatsmäßigen Gehalt auch
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