Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

dreister und roher Gesell dem Publicum zu bieten wagt, das ist an vielen Or¬
ten lebhafter empfunden, als beklagt worden.

Gegen diese unsichere und trostlose Baudenwirthschaft gibt es aber ein
Mittel, nur eines, welches sich in den beiden Sätzen formuliren läßt:

das Stadttheater muß die Sicherheit eines festen Etats haben,

das Stadttheater muß die Dauerhaftigkeit eines städtischen
Instituts haben.

Beides wird möglich durch eine veränderte Organisation, ohne daß der
städtischen Commune Kosten daraus erwachsen, und in der Regel ohne bedenk¬
liches Risico für dieselbe"

Nach dem mittlern Durchschnitt der Einnahmen etwa von den letzten zehn
Jahren wird der Ausgabeetat des Stadttheaters festgestellt. Diesen Etat ga-
rantirt die Gemeinde. An die Spitze des Theaters wird ein Director gestellt
mit festem Gehalt und mit der Anwartschaft auf einen Theil, etwa ein Drittel
oder Viertel der etwaigen Ueberschüsse der Jahreseinnahme. Er hat die'sou¬
veräne Leitung des Instituts, nur die Kasse steht unter -directer Verwaltung
der Stadt. Der gewählte Dirigent muß ein erfahrener Praktiker sein, der selbst
ausübender Künstler gewesen. -- Die Bordseite dieser Einrichtung sind folgende.

Zuerst wird dadurch die Möglichkeit gegeben, eine feste und sichere ge¬
schäftliche Ordnung in die Verwaltung zu bringen. Das Theater wird, ein
dauerhaftes, von einer Pachtzeit unabhängiges Unternehmen, bei welchem sich
genau berechnen läßt, wieviel für Gage, sür Decorationen, für Honorar :c.
ausgegeben werden kann. Darnach wird der ganze Zuschnitt des Instituts be¬
messen. Der darstellende Künstler erlangt dadurch die Sicherheit, welche er
jetzt bei keinem Stadttheater hat, daß er nicht in drei bis sechs Jahren wieder
in die Lage kommen muß, ein neues Engagement zu suchen. Er kann unter
Umständen auf Lebenszeit engagirt werden und hat den Vortheil, an sein
Alter, sein Familienleben, die Erziehung seiner Kinder mit größerer Ruhe den¬
ken zu können. Er wird sehr oft mit einer geringern Gage in sichern Verhält¬
nissen zufrieden sein können. Daß das der Fall ist, zeigt jeder Vergleich der Gagen,
welche bei einem Hoftheater zweiter Größe und bei einem Stadttheater Künst¬
lern von gleicher Brauchbarkeit gezahlt werden. --Das ewige Wechseln der Schau¬
spieler wird dadurch verhindert, ein fester Stamm, namentlich für zweite und dritte
Fächer, erhalten, und was vor allem wichtig ist, die Ausbildung junger Talente er¬
möglicht. In das ganze Institut kommt schon dadurch eine anständigere Haltung,
es bildet sich ein besseres Verhältniß zwischen den Darstellern und dem Publi¬
cum. Die Schauspieler leben sich mit einander ein, es entsteht größere Einheit
des Stils, des Zusammenspiels, des Tempos. Das Publicum gewöhnt sich
bald, an Ausstattung und Leistungen ein bestimmtes Maß anzulegen, die Ver¬
wöhnung durch einzelne übermäßig glänzende Darstellungen, durch gehäufte Gast-


dreister und roher Gesell dem Publicum zu bieten wagt, das ist an vielen Or¬
ten lebhafter empfunden, als beklagt worden.

Gegen diese unsichere und trostlose Baudenwirthschaft gibt es aber ein
Mittel, nur eines, welches sich in den beiden Sätzen formuliren läßt:

das Stadttheater muß die Sicherheit eines festen Etats haben,

das Stadttheater muß die Dauerhaftigkeit eines städtischen
Instituts haben.

Beides wird möglich durch eine veränderte Organisation, ohne daß der
städtischen Commune Kosten daraus erwachsen, und in der Regel ohne bedenk¬
liches Risico für dieselbe«

Nach dem mittlern Durchschnitt der Einnahmen etwa von den letzten zehn
Jahren wird der Ausgabeetat des Stadttheaters festgestellt. Diesen Etat ga-
rantirt die Gemeinde. An die Spitze des Theaters wird ein Director gestellt
mit festem Gehalt und mit der Anwartschaft auf einen Theil, etwa ein Drittel
oder Viertel der etwaigen Ueberschüsse der Jahreseinnahme. Er hat die'sou¬
veräne Leitung des Instituts, nur die Kasse steht unter -directer Verwaltung
der Stadt. Der gewählte Dirigent muß ein erfahrener Praktiker sein, der selbst
ausübender Künstler gewesen. — Die Bordseite dieser Einrichtung sind folgende.

Zuerst wird dadurch die Möglichkeit gegeben, eine feste und sichere ge¬
schäftliche Ordnung in die Verwaltung zu bringen. Das Theater wird, ein
dauerhaftes, von einer Pachtzeit unabhängiges Unternehmen, bei welchem sich
genau berechnen läßt, wieviel für Gage, sür Decorationen, für Honorar :c.
ausgegeben werden kann. Darnach wird der ganze Zuschnitt des Instituts be¬
messen. Der darstellende Künstler erlangt dadurch die Sicherheit, welche er
jetzt bei keinem Stadttheater hat, daß er nicht in drei bis sechs Jahren wieder
in die Lage kommen muß, ein neues Engagement zu suchen. Er kann unter
Umständen auf Lebenszeit engagirt werden und hat den Vortheil, an sein
Alter, sein Familienleben, die Erziehung seiner Kinder mit größerer Ruhe den¬
ken zu können. Er wird sehr oft mit einer geringern Gage in sichern Verhält¬
nissen zufrieden sein können. Daß das der Fall ist, zeigt jeder Vergleich der Gagen,
welche bei einem Hoftheater zweiter Größe und bei einem Stadttheater Künst¬
lern von gleicher Brauchbarkeit gezahlt werden. —Das ewige Wechseln der Schau¬
spieler wird dadurch verhindert, ein fester Stamm, namentlich für zweite und dritte
Fächer, erhalten, und was vor allem wichtig ist, die Ausbildung junger Talente er¬
möglicht. In das ganze Institut kommt schon dadurch eine anständigere Haltung,
es bildet sich ein besseres Verhältniß zwischen den Darstellern und dem Publi¬
cum. Die Schauspieler leben sich mit einander ein, es entsteht größere Einheit
des Stils, des Zusammenspiels, des Tempos. Das Publicum gewöhnt sich
bald, an Ausstattung und Leistungen ein bestimmtes Maß anzulegen, die Ver¬
wöhnung durch einzelne übermäßig glänzende Darstellungen, durch gehäufte Gast-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0387" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/99773"/>
          <p xml:id="ID_1303" prev="#ID_1302"> dreister und roher Gesell dem Publicum zu bieten wagt, das ist an vielen Or¬<lb/>
ten lebhafter empfunden, als beklagt worden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1304"> Gegen diese unsichere und trostlose Baudenwirthschaft gibt es aber ein<lb/>
Mittel, nur eines, welches sich in den beiden Sätzen formuliren läßt:</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1305"> das Stadttheater muß die Sicherheit eines festen Etats haben,</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1306"> das Stadttheater muß die Dauerhaftigkeit eines städtischen<lb/>
Instituts haben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1307"> Beides wird möglich durch eine veränderte Organisation, ohne daß der<lb/>
städtischen Commune Kosten daraus erwachsen, und in der Regel ohne bedenk¬<lb/>
liches Risico für dieselbe«</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1308"> Nach dem mittlern Durchschnitt der Einnahmen etwa von den letzten zehn<lb/>
Jahren wird der Ausgabeetat des Stadttheaters festgestellt. Diesen Etat ga-<lb/>
rantirt die Gemeinde. An die Spitze des Theaters wird ein Director gestellt<lb/>
mit festem Gehalt und mit der Anwartschaft auf einen Theil, etwa ein Drittel<lb/>
oder Viertel der etwaigen Ueberschüsse der Jahreseinnahme. Er hat die'sou¬<lb/>
veräne Leitung des Instituts, nur die Kasse steht unter -directer Verwaltung<lb/>
der Stadt. Der gewählte Dirigent muß ein erfahrener Praktiker sein, der selbst<lb/>
ausübender Künstler gewesen. &#x2014; Die Bordseite dieser Einrichtung sind folgende.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1309" next="#ID_1310"> Zuerst wird dadurch die Möglichkeit gegeben, eine feste und sichere ge¬<lb/>
schäftliche Ordnung in die Verwaltung zu bringen. Das Theater wird, ein<lb/>
dauerhaftes, von einer Pachtzeit unabhängiges Unternehmen, bei welchem sich<lb/>
genau berechnen läßt, wieviel für Gage, sür Decorationen, für Honorar :c.<lb/>
ausgegeben werden kann. Darnach wird der ganze Zuschnitt des Instituts be¬<lb/>
messen. Der darstellende Künstler erlangt dadurch die Sicherheit, welche er<lb/>
jetzt bei keinem Stadttheater hat, daß er nicht in drei bis sechs Jahren wieder<lb/>
in die Lage kommen muß, ein neues Engagement zu suchen. Er kann unter<lb/>
Umständen auf Lebenszeit engagirt werden und hat den Vortheil, an sein<lb/>
Alter, sein Familienleben, die Erziehung seiner Kinder mit größerer Ruhe den¬<lb/>
ken zu können. Er wird sehr oft mit einer geringern Gage in sichern Verhält¬<lb/>
nissen zufrieden sein können. Daß das der Fall ist, zeigt jeder Vergleich der Gagen,<lb/>
welche bei einem Hoftheater zweiter Größe und bei einem Stadttheater Künst¬<lb/>
lern von gleicher Brauchbarkeit gezahlt werden. &#x2014;Das ewige Wechseln der Schau¬<lb/>
spieler wird dadurch verhindert, ein fester Stamm, namentlich für zweite und dritte<lb/>
Fächer, erhalten, und was vor allem wichtig ist, die Ausbildung junger Talente er¬<lb/>
möglicht. In das ganze Institut kommt schon dadurch eine anständigere Haltung,<lb/>
es bildet sich ein besseres Verhältniß zwischen den Darstellern und dem Publi¬<lb/>
cum. Die Schauspieler leben sich mit einander ein, es entsteht größere Einheit<lb/>
des Stils, des Zusammenspiels, des Tempos. Das Publicum gewöhnt sich<lb/>
bald, an Ausstattung und Leistungen ein bestimmtes Maß anzulegen, die Ver¬<lb/>
wöhnung durch einzelne übermäßig glänzende Darstellungen, durch gehäufte Gast-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0387] dreister und roher Gesell dem Publicum zu bieten wagt, das ist an vielen Or¬ ten lebhafter empfunden, als beklagt worden. Gegen diese unsichere und trostlose Baudenwirthschaft gibt es aber ein Mittel, nur eines, welches sich in den beiden Sätzen formuliren läßt: das Stadttheater muß die Sicherheit eines festen Etats haben, das Stadttheater muß die Dauerhaftigkeit eines städtischen Instituts haben. Beides wird möglich durch eine veränderte Organisation, ohne daß der städtischen Commune Kosten daraus erwachsen, und in der Regel ohne bedenk¬ liches Risico für dieselbe« Nach dem mittlern Durchschnitt der Einnahmen etwa von den letzten zehn Jahren wird der Ausgabeetat des Stadttheaters festgestellt. Diesen Etat ga- rantirt die Gemeinde. An die Spitze des Theaters wird ein Director gestellt mit festem Gehalt und mit der Anwartschaft auf einen Theil, etwa ein Drittel oder Viertel der etwaigen Ueberschüsse der Jahreseinnahme. Er hat die'sou¬ veräne Leitung des Instituts, nur die Kasse steht unter -directer Verwaltung der Stadt. Der gewählte Dirigent muß ein erfahrener Praktiker sein, der selbst ausübender Künstler gewesen. — Die Bordseite dieser Einrichtung sind folgende. Zuerst wird dadurch die Möglichkeit gegeben, eine feste und sichere ge¬ schäftliche Ordnung in die Verwaltung zu bringen. Das Theater wird, ein dauerhaftes, von einer Pachtzeit unabhängiges Unternehmen, bei welchem sich genau berechnen läßt, wieviel für Gage, sür Decorationen, für Honorar :c. ausgegeben werden kann. Darnach wird der ganze Zuschnitt des Instituts be¬ messen. Der darstellende Künstler erlangt dadurch die Sicherheit, welche er jetzt bei keinem Stadttheater hat, daß er nicht in drei bis sechs Jahren wieder in die Lage kommen muß, ein neues Engagement zu suchen. Er kann unter Umständen auf Lebenszeit engagirt werden und hat den Vortheil, an sein Alter, sein Familienleben, die Erziehung seiner Kinder mit größerer Ruhe den¬ ken zu können. Er wird sehr oft mit einer geringern Gage in sichern Verhält¬ nissen zufrieden sein können. Daß das der Fall ist, zeigt jeder Vergleich der Gagen, welche bei einem Hoftheater zweiter Größe und bei einem Stadttheater Künst¬ lern von gleicher Brauchbarkeit gezahlt werden. —Das ewige Wechseln der Schau¬ spieler wird dadurch verhindert, ein fester Stamm, namentlich für zweite und dritte Fächer, erhalten, und was vor allem wichtig ist, die Ausbildung junger Talente er¬ möglicht. In das ganze Institut kommt schon dadurch eine anständigere Haltung, es bildet sich ein besseres Verhältniß zwischen den Darstellern und dem Publi¬ cum. Die Schauspieler leben sich mit einander ein, es entsteht größere Einheit des Stils, des Zusammenspiels, des Tempos. Das Publicum gewöhnt sich bald, an Ausstattung und Leistungen ein bestimmtes Maß anzulegen, die Ver¬ wöhnung durch einzelne übermäßig glänzende Darstellungen, durch gehäufte Gast-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/387
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/387>, abgerufen am 22.07.2024.