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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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Reife entlassenen Zöglingen die Universität verschlossen zu sehen, wurde vielfach
für gerecht erkannt. Nun hatten diese Schulen seit langer Zeit, -- neben der
Vorbildung für "andre Fächer, -- ihren Abiturienten die Berechtigung ver¬
schafft, sich auf der Bauakademie dem Studium des Baufachs zu widmen.
Da in der letzten Zeit eine große Anzahl solcher Anstalten, selbst in kleineren
Städten und mit wenig zureichenden Mitteln entstand, so hatte der Handels¬
minister, dessen Leitung die Bauakademie untergeordnet ist, es sich vorbehalten
müssen, denjenigen unter ihnen, welche einen zweijährigen Cursus sowol sür
die Secunda als für die Prima einrichteten, diese Berechtigung immer erst be¬
sonders zu ertheilen. Infolge dessen haben, um jenes Recht zu gewinnen,
manche 'Städte für ihre Realschulen große Anstrengungen und Opfer nicht ge¬
scheut; noch im letzten Winter waren, wie die Programme ausweisen, Ver¬
fügungen des Herrn von der Heydt in Betreff des Zeichenunterrichts gleich¬
mäßig an die Realschulen und an die Gymnasien gelangt; vor wenigen Wochen
nun erfolgt die Bekanntmachung einer seit 1 Jahren vorbereiteten Verordnung,
durch welche vom Iten October 1868 ab die Zöglinge der Realschulen vom
Besuch der Bauakademie ausgeschlossen sind und nach welcher von jener Zeit
an zum Eintritt in dieselbe das Abitun'enteneramen eines Gymnasiums ge¬
fordert wird. Infolge dessen wird die Anomalie eintreten, daß, da nur zwei
vortragende Räthe .der Bauabtheilung des Ministeriums (Dr. Hagen und Linke)
aus einem Gvmnasium hervorgegangen sind, von den 11 Geheimen Räthen
derselben 9, -- geschweige der an der Spitze stehende Handelsminister, -- ein
Eramen nicht gemacht haben, welches jetzt von einem jeden Anfänger im Fach
verlangt wird. Daß die größere Zahl der Räthe des Ministeriums diese
Maßregel nicht beantragt haben kann, liegt aus der Hand. Zwar ist angeb¬
lich der Grund der Verordnung die Weigerung des Nnterrichtsministers, die
formellen Bestimmungen über das Abiturienteneramen aus dem Jahre-I83>2 so
zu stellen, daß dem Andrang Unbefähigter, namentlich aus' den Provinzial-
realschulcn zur Bauakademie.Einhalt gethan werden könne; aber grade auf
diese Weise ist es möglich geworden, der Realschulbildung eine ihrer Spitzen
abzubrechen, ohne sich den Schein zu geben, sie benachtheiligen zu wollen.
Um diese Verfügung zu erklären, genügt es eben, sich zu erinnern, daß vor
einigen Jahren die Realschulen ein Uebergewicht über die Gymnasien erlangen
zu wollen schienen, daß namentlich die Städte mit der Gründung und Aus¬
stattung solcher Anstalten überall großen Eifer zu zeigen anfingen, und daß
aus denselben, nach Aeußerungen ihrer Leiter, ein unabhängiger, gebil¬
deter und vorurtheilsfreier Bürgerstand hervorgehen sollte, der in der Be¬
sprechung und Handhabung aller öffentlichen Angelegenheiten dem unter der
Zucht des Disciplinargesetzes gehaltenen Beamtenstande gegenüber ein gefähr¬
liches Gegengewicht in die Wagschale hätte legen können. Die Realschule


Reife entlassenen Zöglingen die Universität verschlossen zu sehen, wurde vielfach
für gerecht erkannt. Nun hatten diese Schulen seit langer Zeit, — neben der
Vorbildung für "andre Fächer, — ihren Abiturienten die Berechtigung ver¬
schafft, sich auf der Bauakademie dem Studium des Baufachs zu widmen.
Da in der letzten Zeit eine große Anzahl solcher Anstalten, selbst in kleineren
Städten und mit wenig zureichenden Mitteln entstand, so hatte der Handels¬
minister, dessen Leitung die Bauakademie untergeordnet ist, es sich vorbehalten
müssen, denjenigen unter ihnen, welche einen zweijährigen Cursus sowol sür
die Secunda als für die Prima einrichteten, diese Berechtigung immer erst be¬
sonders zu ertheilen. Infolge dessen haben, um jenes Recht zu gewinnen,
manche 'Städte für ihre Realschulen große Anstrengungen und Opfer nicht ge¬
scheut; noch im letzten Winter waren, wie die Programme ausweisen, Ver¬
fügungen des Herrn von der Heydt in Betreff des Zeichenunterrichts gleich¬
mäßig an die Realschulen und an die Gymnasien gelangt; vor wenigen Wochen
nun erfolgt die Bekanntmachung einer seit 1 Jahren vorbereiteten Verordnung,
durch welche vom Iten October 1868 ab die Zöglinge der Realschulen vom
Besuch der Bauakademie ausgeschlossen sind und nach welcher von jener Zeit
an zum Eintritt in dieselbe das Abitun'enteneramen eines Gymnasiums ge¬
fordert wird. Infolge dessen wird die Anomalie eintreten, daß, da nur zwei
vortragende Räthe .der Bauabtheilung des Ministeriums (Dr. Hagen und Linke)
aus einem Gvmnasium hervorgegangen sind, von den 11 Geheimen Räthen
derselben 9, — geschweige der an der Spitze stehende Handelsminister, — ein
Eramen nicht gemacht haben, welches jetzt von einem jeden Anfänger im Fach
verlangt wird. Daß die größere Zahl der Räthe des Ministeriums diese
Maßregel nicht beantragt haben kann, liegt aus der Hand. Zwar ist angeb¬
lich der Grund der Verordnung die Weigerung des Nnterrichtsministers, die
formellen Bestimmungen über das Abiturienteneramen aus dem Jahre-I83>2 so
zu stellen, daß dem Andrang Unbefähigter, namentlich aus' den Provinzial-
realschulcn zur Bauakademie.Einhalt gethan werden könne; aber grade auf
diese Weise ist es möglich geworden, der Realschulbildung eine ihrer Spitzen
abzubrechen, ohne sich den Schein zu geben, sie benachtheiligen zu wollen.
Um diese Verfügung zu erklären, genügt es eben, sich zu erinnern, daß vor
einigen Jahren die Realschulen ein Uebergewicht über die Gymnasien erlangen
zu wollen schienen, daß namentlich die Städte mit der Gründung und Aus¬
stattung solcher Anstalten überall großen Eifer zu zeigen anfingen, und daß
aus denselben, nach Aeußerungen ihrer Leiter, ein unabhängiger, gebil¬
deter und vorurtheilsfreier Bürgerstand hervorgehen sollte, der in der Be¬
sprechung und Handhabung aller öffentlichen Angelegenheiten dem unter der
Zucht des Disciplinargesetzes gehaltenen Beamtenstande gegenüber ein gefähr¬
liches Gegengewicht in die Wagschale hätte legen können. Die Realschule


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[0380] Reife entlassenen Zöglingen die Universität verschlossen zu sehen, wurde vielfach für gerecht erkannt. Nun hatten diese Schulen seit langer Zeit, — neben der Vorbildung für "andre Fächer, — ihren Abiturienten die Berechtigung ver¬ schafft, sich auf der Bauakademie dem Studium des Baufachs zu widmen. Da in der letzten Zeit eine große Anzahl solcher Anstalten, selbst in kleineren Städten und mit wenig zureichenden Mitteln entstand, so hatte der Handels¬ minister, dessen Leitung die Bauakademie untergeordnet ist, es sich vorbehalten müssen, denjenigen unter ihnen, welche einen zweijährigen Cursus sowol sür die Secunda als für die Prima einrichteten, diese Berechtigung immer erst be¬ sonders zu ertheilen. Infolge dessen haben, um jenes Recht zu gewinnen, manche 'Städte für ihre Realschulen große Anstrengungen und Opfer nicht ge¬ scheut; noch im letzten Winter waren, wie die Programme ausweisen, Ver¬ fügungen des Herrn von der Heydt in Betreff des Zeichenunterrichts gleich¬ mäßig an die Realschulen und an die Gymnasien gelangt; vor wenigen Wochen nun erfolgt die Bekanntmachung einer seit 1 Jahren vorbereiteten Verordnung, durch welche vom Iten October 1868 ab die Zöglinge der Realschulen vom Besuch der Bauakademie ausgeschlossen sind und nach welcher von jener Zeit an zum Eintritt in dieselbe das Abitun'enteneramen eines Gymnasiums ge¬ fordert wird. Infolge dessen wird die Anomalie eintreten, daß, da nur zwei vortragende Räthe .der Bauabtheilung des Ministeriums (Dr. Hagen und Linke) aus einem Gvmnasium hervorgegangen sind, von den 11 Geheimen Räthen derselben 9, — geschweige der an der Spitze stehende Handelsminister, — ein Eramen nicht gemacht haben, welches jetzt von einem jeden Anfänger im Fach verlangt wird. Daß die größere Zahl der Räthe des Ministeriums diese Maßregel nicht beantragt haben kann, liegt aus der Hand. Zwar ist angeb¬ lich der Grund der Verordnung die Weigerung des Nnterrichtsministers, die formellen Bestimmungen über das Abiturienteneramen aus dem Jahre-I83>2 so zu stellen, daß dem Andrang Unbefähigter, namentlich aus' den Provinzial- realschulcn zur Bauakademie.Einhalt gethan werden könne; aber grade auf diese Weise ist es möglich geworden, der Realschulbildung eine ihrer Spitzen abzubrechen, ohne sich den Schein zu geben, sie benachtheiligen zu wollen. Um diese Verfügung zu erklären, genügt es eben, sich zu erinnern, daß vor einigen Jahren die Realschulen ein Uebergewicht über die Gymnasien erlangen zu wollen schienen, daß namentlich die Städte mit der Gründung und Aus¬ stattung solcher Anstalten überall großen Eifer zu zeigen anfingen, und daß aus denselben, nach Aeußerungen ihrer Leiter, ein unabhängiger, gebil¬ deter und vorurtheilsfreier Bürgerstand hervorgehen sollte, der in der Be¬ sprechung und Handhabung aller öffentlichen Angelegenheiten dem unter der Zucht des Disciplinargesetzes gehaltenen Beamtenstande gegenüber ein gefähr¬ liches Gegengewicht in die Wagschale hätte legen können. Die Realschule

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/380>, abgerufen am 01.10.2024.