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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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Menschenjagd "och die Prügelstrafen, womit man die Sitte ausrotten wollte,
vermochten den Pfingstgesang verstummen zu machen. Es gab oft blutige
Kämpfe mit den Landdragonern und Gensdarmen; auch zwischen den einzelnen
Sängcrzügen kam es nicht selten zur Schlägerei und Blut und Eier flössen
durcheinander. Die Mollweise des Pftngstliedes ist uralt. Leider artet es bei
den nächtlichen Umzügen häufig in ein Schreien aus; denn der Polizei zum
Trotz singen die Bursche so laut und herzhaft, als es die Kraft ihrer Lungen
erlaubt, und dabei wird von Der Reinheit des Torganges natürlich oft abge¬
wichen. Noch mehr aus der Art geschlagen sind die Worte der Gesänge. Nur
die Kehrstrophe und einige unverstandene.Beifügungen mahnen an die Zeit, in
welcher die Sitte ihren Ursprung hat. Fast in jeder Gemeinde lauten die
Strophen anders. Die gewöhnlichste Lesart ist folgende:


Nun gebt uns doch das Pels-El (Pfiugstci)
Fel! Roscnblümclei!
Wir schlagen's in der Pfau" entzwei,
Wir bringen euch den lieben Mai,
Fel! Noseublümelciu!
Hei du wackres Mädel.

Nun folgt zwischen den Kehrworten eine Aufzählung genießbarer Sachen.
Doch auffallender Weise erscheint dazwischen noch das Pferdehaupt.


Nun gebt uns einen Pfcrdskopp,
Fel! Noscnblümclein.
Wir stippen auf der Stang ihn opp.

Fällt die Eiergabe in einem Hause reichlich aus, so werden nach der nämlichen
Melodie einige Dankstrophen gesungen:


Der N. N. ist ein braver Mann
Er gibt den Jungen, was er kann
Fel! Rosenblniuclcin!
Der Mai wirds ihm vergelten
Im Garten und im Felde.

Beweist man sich dagegen karg, so wird eine Art Fluchvers gesungen:


Der Mai schickt eine Ent' aufs Hans,
Die kracht dem Schelm die Augen aus
Fel! Nosenblümclci"!
Der Mai schickt einen Fuchs in'n Stall,
Der holt ihm seine Hühner all.

Zum Bettlergesange entartet, hat das Psingstlied fast in jedem Dorfe eine
andere Fassung. Nur die Melodie, die Auffassung des Mai als einer Person,
welche belohnt und bestraft, das El und das Roßhaupt kehren, allenthalben
wieder. Die Bedeutung des letztern ist den ländlichen Sängern natürlich un¬
bekannt. Aber gerade hierin liegt ein. Hinweis auf die ursprüngliche Gestalt
des ganzen Brauchs. DaS Roß galt unsern Vorfahren als ein den Göttern
besonders angenehmes Geschöpf. Es war Hauptgegenstand der Opferspenden,
die darin bestanden, daß man das Thier abschlachtete, den Kopf sammt der


Menschenjagd "och die Prügelstrafen, womit man die Sitte ausrotten wollte,
vermochten den Pfingstgesang verstummen zu machen. Es gab oft blutige
Kämpfe mit den Landdragonern und Gensdarmen; auch zwischen den einzelnen
Sängcrzügen kam es nicht selten zur Schlägerei und Blut und Eier flössen
durcheinander. Die Mollweise des Pftngstliedes ist uralt. Leider artet es bei
den nächtlichen Umzügen häufig in ein Schreien aus; denn der Polizei zum
Trotz singen die Bursche so laut und herzhaft, als es die Kraft ihrer Lungen
erlaubt, und dabei wird von Der Reinheit des Torganges natürlich oft abge¬
wichen. Noch mehr aus der Art geschlagen sind die Worte der Gesänge. Nur
die Kehrstrophe und einige unverstandene.Beifügungen mahnen an die Zeit, in
welcher die Sitte ihren Ursprung hat. Fast in jeder Gemeinde lauten die
Strophen anders. Die gewöhnlichste Lesart ist folgende:


Nun gebt uns doch das Pels-El (Pfiugstci)
Fel! Roscnblümclei!
Wir schlagen's in der Pfau» entzwei,
Wir bringen euch den lieben Mai,
Fel! Noseublümelciu!
Hei du wackres Mädel.

Nun folgt zwischen den Kehrworten eine Aufzählung genießbarer Sachen.
Doch auffallender Weise erscheint dazwischen noch das Pferdehaupt.


Nun gebt uns einen Pfcrdskopp,
Fel! Noscnblümclein.
Wir stippen auf der Stang ihn opp.

Fällt die Eiergabe in einem Hause reichlich aus, so werden nach der nämlichen
Melodie einige Dankstrophen gesungen:


Der N. N. ist ein braver Mann
Er gibt den Jungen, was er kann
Fel! Rosenblniuclcin!
Der Mai wirds ihm vergelten
Im Garten und im Felde.

Beweist man sich dagegen karg, so wird eine Art Fluchvers gesungen:


Der Mai schickt eine Ent' aufs Hans,
Die kracht dem Schelm die Augen aus
Fel! Nosenblümclci»!
Der Mai schickt einen Fuchs in'n Stall,
Der holt ihm seine Hühner all.

Zum Bettlergesange entartet, hat das Psingstlied fast in jedem Dorfe eine
andere Fassung. Nur die Melodie, die Auffassung des Mai als einer Person,
welche belohnt und bestraft, das El und das Roßhaupt kehren, allenthalben
wieder. Die Bedeutung des letztern ist den ländlichen Sängern natürlich un¬
bekannt. Aber gerade hierin liegt ein. Hinweis auf die ursprüngliche Gestalt
des ganzen Brauchs. DaS Roß galt unsern Vorfahren als ein den Göttern
besonders angenehmes Geschöpf. Es war Hauptgegenstand der Opferspenden,
die darin bestanden, daß man das Thier abschlachtete, den Kopf sammt der


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[0342] Menschenjagd "och die Prügelstrafen, womit man die Sitte ausrotten wollte, vermochten den Pfingstgesang verstummen zu machen. Es gab oft blutige Kämpfe mit den Landdragonern und Gensdarmen; auch zwischen den einzelnen Sängcrzügen kam es nicht selten zur Schlägerei und Blut und Eier flössen durcheinander. Die Mollweise des Pftngstliedes ist uralt. Leider artet es bei den nächtlichen Umzügen häufig in ein Schreien aus; denn der Polizei zum Trotz singen die Bursche so laut und herzhaft, als es die Kraft ihrer Lungen erlaubt, und dabei wird von Der Reinheit des Torganges natürlich oft abge¬ wichen. Noch mehr aus der Art geschlagen sind die Worte der Gesänge. Nur die Kehrstrophe und einige unverstandene.Beifügungen mahnen an die Zeit, in welcher die Sitte ihren Ursprung hat. Fast in jeder Gemeinde lauten die Strophen anders. Die gewöhnlichste Lesart ist folgende: Nun gebt uns doch das Pels-El (Pfiugstci) Fel! Roscnblümclei! Wir schlagen's in der Pfau» entzwei, Wir bringen euch den lieben Mai, Fel! Noseublümelciu! Hei du wackres Mädel. Nun folgt zwischen den Kehrworten eine Aufzählung genießbarer Sachen. Doch auffallender Weise erscheint dazwischen noch das Pferdehaupt. Nun gebt uns einen Pfcrdskopp, Fel! Noscnblümclein. Wir stippen auf der Stang ihn opp. Fällt die Eiergabe in einem Hause reichlich aus, so werden nach der nämlichen Melodie einige Dankstrophen gesungen: Der N. N. ist ein braver Mann Er gibt den Jungen, was er kann Fel! Rosenblniuclcin! Der Mai wirds ihm vergelten Im Garten und im Felde. Beweist man sich dagegen karg, so wird eine Art Fluchvers gesungen: Der Mai schickt eine Ent' aufs Hans, Die kracht dem Schelm die Augen aus Fel! Nosenblümclci»! Der Mai schickt einen Fuchs in'n Stall, Der holt ihm seine Hühner all. Zum Bettlergesange entartet, hat das Psingstlied fast in jedem Dorfe eine andere Fassung. Nur die Melodie, die Auffassung des Mai als einer Person, welche belohnt und bestraft, das El und das Roßhaupt kehren, allenthalben wieder. Die Bedeutung des letztern ist den ländlichen Sängern natürlich un¬ bekannt. Aber gerade hierin liegt ein. Hinweis auf die ursprüngliche Gestalt des ganzen Brauchs. DaS Roß galt unsern Vorfahren als ein den Göttern besonders angenehmes Geschöpf. Es war Hauptgegenstand der Opferspenden, die darin bestanden, daß man das Thier abschlachtete, den Kopf sammt der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/342>, abgerufen am 22.07.2024.