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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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mit Walker übersetzt hat, und der durch fleißige Pferdediebstähle in Meriko zu
Vermögen und Ansehen unter seinem Volke gelangt ist, hat sich sogar durch
die Taufe in einen Heiligen vom jüngsten Tage verwandeln lassen. Er ist
ein schmucker Bursche, ein vollendeter Reiter, ein trefflicher Schütz und ein un¬
gewöhnlich guter Kenner von Pferdefleisch. Eine. Menge junger Rothhäute er¬
kennen ihn als Befehlshaber an, und sie sind ihm sogar gefolgt, als er sich
entschloß, dem Herumschweifen und Rauben zu entsagen und sich in ver Nieder¬
lassung von San Pele als Ackerbauer und Viehzüchter niederzulassen. Die
Mormonen betrachten- ihn als Erstlingsfrucht der überzeugenden Kraft ihrer
Religion und thun ihm alle erdenkbare Ehre an. Allein ehe sie sichs versehen,
kann er in seine alten Sünden zurückverfallen und die Absicht seiner Freunde,
ihn zum Oberhaupt des ganzen Stammes zu machen, auf immer vereiteln.

Im übrigen ist die Geschichte der Latterday-Saints, wie gesagt, seit ihrer
Festsetzung in den Felsengebirgen eine Geschichte ununterbrochenen Gedeihens
gewesen, und zwar haben sie dies großentheils der bewundernswerthen Umsicht
ihrer Führer zu danken, die, wie im nächsten Artikel zu zeigen sein wird, nicht
blos ihre geistlichen, sondern auch ihre weltlichen Angelegenheiten ordnen und
leiten.

Das Becken des großen Salzsees ist eine dürre, für den Anbau nur an
seinen Rändern und in seinen Seitenthälern geeignete Wüste, die von allen
Seiten durch hohe, schroffe und nur an einigen Stellen zugängliche Bergketten
eingeschlossen ist. Es hat nur im Gebirge und an den Flußufern Wald, eignet
sich in seinen Seitenthälern vorzüglich zur Viehzucht, ist aber von seinen jetzigen
Bewohnern durch Drainirung an verschiedenen Punkten auch auf beträchtliche
Strecken in Ackerland verwandelt worden. Der Mais will nicht recht gedeihen,
dagegen wird viel Weizen gebaut, und die Kartoffel kommt vortrefflich fort.
In den Gebirgen ist Ueberfluß an Wild, in den raschfließenden klaren Bächen
der Schluchten schwimmen die köstlichsten Fische, in dem Nohrdickicht der
Salzmarschen nisten zahllose Enten und Gänse, und von den Inseln der
Salzseen holen die Hirtenbuben ganze Kähne voll Eier, welche die Möven,
die Reiher, die Pelikane und die Kraniche dort legen. Man berechnet, daß der
Acker unter den Pflug genommenen Landes hier 2000 Pfund Weizenmehl gibt,
und so darf man annehmen, daß die Quadratmeile ungefähr 4000 Menschen
ernähren wird, wobei die eine Hälfte der Acker, die sie enthält, als Weideland
abgezogen ist und das Bedürfniß an Fleisch deckt. Darnach würde das Territo¬
rium in seinen bewohnbaren Strichen etwa eine Million Menschen ernähren
können. Bedenkt man dazu, daß dasselbe sich nach Süden über den Rand des
großen Bassins in Gegenden erstreckt, wo die Baumwollenstaude und das
Zuckerrohr gedeihen, daß es allenthalben eine Fülle von Eisenstein und uner¬
schöpfliche Steinkohlenlager in seinem Schoße birgt, daß es die trefflichsten


mit Walker übersetzt hat, und der durch fleißige Pferdediebstähle in Meriko zu
Vermögen und Ansehen unter seinem Volke gelangt ist, hat sich sogar durch
die Taufe in einen Heiligen vom jüngsten Tage verwandeln lassen. Er ist
ein schmucker Bursche, ein vollendeter Reiter, ein trefflicher Schütz und ein un¬
gewöhnlich guter Kenner von Pferdefleisch. Eine. Menge junger Rothhäute er¬
kennen ihn als Befehlshaber an, und sie sind ihm sogar gefolgt, als er sich
entschloß, dem Herumschweifen und Rauben zu entsagen und sich in ver Nieder¬
lassung von San Pele als Ackerbauer und Viehzüchter niederzulassen. Die
Mormonen betrachten- ihn als Erstlingsfrucht der überzeugenden Kraft ihrer
Religion und thun ihm alle erdenkbare Ehre an. Allein ehe sie sichs versehen,
kann er in seine alten Sünden zurückverfallen und die Absicht seiner Freunde,
ihn zum Oberhaupt des ganzen Stammes zu machen, auf immer vereiteln.

Im übrigen ist die Geschichte der Latterday-Saints, wie gesagt, seit ihrer
Festsetzung in den Felsengebirgen eine Geschichte ununterbrochenen Gedeihens
gewesen, und zwar haben sie dies großentheils der bewundernswerthen Umsicht
ihrer Führer zu danken, die, wie im nächsten Artikel zu zeigen sein wird, nicht
blos ihre geistlichen, sondern auch ihre weltlichen Angelegenheiten ordnen und
leiten.

Das Becken des großen Salzsees ist eine dürre, für den Anbau nur an
seinen Rändern und in seinen Seitenthälern geeignete Wüste, die von allen
Seiten durch hohe, schroffe und nur an einigen Stellen zugängliche Bergketten
eingeschlossen ist. Es hat nur im Gebirge und an den Flußufern Wald, eignet
sich in seinen Seitenthälern vorzüglich zur Viehzucht, ist aber von seinen jetzigen
Bewohnern durch Drainirung an verschiedenen Punkten auch auf beträchtliche
Strecken in Ackerland verwandelt worden. Der Mais will nicht recht gedeihen,
dagegen wird viel Weizen gebaut, und die Kartoffel kommt vortrefflich fort.
In den Gebirgen ist Ueberfluß an Wild, in den raschfließenden klaren Bächen
der Schluchten schwimmen die köstlichsten Fische, in dem Nohrdickicht der
Salzmarschen nisten zahllose Enten und Gänse, und von den Inseln der
Salzseen holen die Hirtenbuben ganze Kähne voll Eier, welche die Möven,
die Reiher, die Pelikane und die Kraniche dort legen. Man berechnet, daß der
Acker unter den Pflug genommenen Landes hier 2000 Pfund Weizenmehl gibt,
und so darf man annehmen, daß die Quadratmeile ungefähr 4000 Menschen
ernähren wird, wobei die eine Hälfte der Acker, die sie enthält, als Weideland
abgezogen ist und das Bedürfniß an Fleisch deckt. Darnach würde das Territo¬
rium in seinen bewohnbaren Strichen etwa eine Million Menschen ernähren
können. Bedenkt man dazu, daß dasselbe sich nach Süden über den Rand des
großen Bassins in Gegenden erstreckt, wo die Baumwollenstaude und das
Zuckerrohr gedeihen, daß es allenthalben eine Fülle von Eisenstein und uner¬
schöpfliche Steinkohlenlager in seinem Schoße birgt, daß es die trefflichsten


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[0034] mit Walker übersetzt hat, und der durch fleißige Pferdediebstähle in Meriko zu Vermögen und Ansehen unter seinem Volke gelangt ist, hat sich sogar durch die Taufe in einen Heiligen vom jüngsten Tage verwandeln lassen. Er ist ein schmucker Bursche, ein vollendeter Reiter, ein trefflicher Schütz und ein un¬ gewöhnlich guter Kenner von Pferdefleisch. Eine. Menge junger Rothhäute er¬ kennen ihn als Befehlshaber an, und sie sind ihm sogar gefolgt, als er sich entschloß, dem Herumschweifen und Rauben zu entsagen und sich in ver Nieder¬ lassung von San Pele als Ackerbauer und Viehzüchter niederzulassen. Die Mormonen betrachten- ihn als Erstlingsfrucht der überzeugenden Kraft ihrer Religion und thun ihm alle erdenkbare Ehre an. Allein ehe sie sichs versehen, kann er in seine alten Sünden zurückverfallen und die Absicht seiner Freunde, ihn zum Oberhaupt des ganzen Stammes zu machen, auf immer vereiteln. Im übrigen ist die Geschichte der Latterday-Saints, wie gesagt, seit ihrer Festsetzung in den Felsengebirgen eine Geschichte ununterbrochenen Gedeihens gewesen, und zwar haben sie dies großentheils der bewundernswerthen Umsicht ihrer Führer zu danken, die, wie im nächsten Artikel zu zeigen sein wird, nicht blos ihre geistlichen, sondern auch ihre weltlichen Angelegenheiten ordnen und leiten. Das Becken des großen Salzsees ist eine dürre, für den Anbau nur an seinen Rändern und in seinen Seitenthälern geeignete Wüste, die von allen Seiten durch hohe, schroffe und nur an einigen Stellen zugängliche Bergketten eingeschlossen ist. Es hat nur im Gebirge und an den Flußufern Wald, eignet sich in seinen Seitenthälern vorzüglich zur Viehzucht, ist aber von seinen jetzigen Bewohnern durch Drainirung an verschiedenen Punkten auch auf beträchtliche Strecken in Ackerland verwandelt worden. Der Mais will nicht recht gedeihen, dagegen wird viel Weizen gebaut, und die Kartoffel kommt vortrefflich fort. In den Gebirgen ist Ueberfluß an Wild, in den raschfließenden klaren Bächen der Schluchten schwimmen die köstlichsten Fische, in dem Nohrdickicht der Salzmarschen nisten zahllose Enten und Gänse, und von den Inseln der Salzseen holen die Hirtenbuben ganze Kähne voll Eier, welche die Möven, die Reiher, die Pelikane und die Kraniche dort legen. Man berechnet, daß der Acker unter den Pflug genommenen Landes hier 2000 Pfund Weizenmehl gibt, und so darf man annehmen, daß die Quadratmeile ungefähr 4000 Menschen ernähren wird, wobei die eine Hälfte der Acker, die sie enthält, als Weideland abgezogen ist und das Bedürfniß an Fleisch deckt. Darnach würde das Territo¬ rium in seinen bewohnbaren Strichen etwa eine Million Menschen ernähren können. Bedenkt man dazu, daß dasselbe sich nach Süden über den Rand des großen Bassins in Gegenden erstreckt, wo die Baumwollenstaude und das Zuckerrohr gedeihen, daß es allenthalben eine Fülle von Eisenstein und uner¬ schöpfliche Steinkohlenlager in seinem Schoße birgt, daß es die trefflichsten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/34>, abgerufen am 01.07.2024.