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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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ihnen befohlen, die Waffen niederzulegen. Sie weigerten sich dessen und stießen
Drohungen aus. Da gaben die Mormonen Feuer auf sie, und beinahe alle
wurden getödtet. Der Rest versuchte, nachdem er die Vorpostenkette durchbrochen,
sich über die Eisdecke des Sees zu retten. Sie wurden jedoch von Reitern
verfolgt und sämmtlich niedergemacht.

Im nächsten Jahre erhielten die Utahs eine abermalige Züchtigung, wo¬
bei einer ihrer Häuptlinge, Patowils mit Namen, gefangen genommen und auf¬
geknüpft wurde. Dieses summarische Verfahren hat einen solchen Eindruck aus
sie gemacht, daß sie sich seitdem ruhig verhalten haben. ' Sie hatten im ganzen
etwa 40 Todte verloren, und die Kriegsbande des alten "Stick in the Head",
eines berühmten Führers, war so geschwächt, daß er sich gezwungen sah, um
Frieden zu bitten. Eine große Menge Gefangene wurden gemacht, meist Frauen
und Kinder. Man brachte sie unter den Kanonen des Forts Mal) in Zellen
unter, bis sie unter die im Thale angesiedelten Familien vertheilt werden
konnten. Es wurden ihnen Nahrungsmittel gereicht, und es war eine Freude,
sie, die Halbverhungerten, schmausen zu sehen. Der Versuch aber, sie in die
Familien auszunehmen und dort an ein civilisirtes Leben zu gewöhnen, schlug
gänzlich fehl; denn sobald der Sommer kam, verließen sie die Farmer und
flohen nach ihrer schneeigen Heimat im Gebirge zurück.

Nach dem Buche Mormon sind die Indianer Nachkommen der Lamaniten
Und ein zwar vom wahren Gotte abgefallenes und entartetes, aber der Barm¬
herzigkeit des Himmels noch keineswegs ganz entrücktes Geschlecht. Sie wer¬
den vielmehr einst durch die Heiligen vom jüngsten Tage bekehrt und dann in
ihr Erbe wieder eingesetzt werden. Hierauf bezügliche Weissagungen enthält
das "vook ok OovU-iuv ana coveoavls" mehre, und Smith hat zu verschiedenen
Malen den Stämmen in Missouri sein Evangelium gepredigt und ihnen Be¬
lehrung über ihre Vergangenheit und Zukunft zu Theil werden lassen. In
Betracht dessen ist es freilich seltsam, daß seine Jünger, deren Mission es wäre,
die Rothhäute durch das Schwert des Geistes zu bezwingen, so rasch bei der
Hand waren, sie mit leiblichen Waffen zu unterjochen. Aber freilich, Empfind¬
samkeit und Rücksichtnahme ist den Indianern gegenüber nirgends am Platze,
und 'überdies bleiben die Mormonen trotz jener üblen Erfahrung dabei, daß
die Wilden einst die Weissagung ihres Propheten erfüllen werden, nach welcher
"ein Volk an Einem Tage geboren werben" und die Lamaniten durch Gottes
Gnade sich wieder in eine Nation von schönem Aeußeren und weißer Hautfarbe
verwandeln sollen. Und in der That, ein kleiner Anfang zwar nicht zur Häu¬
tung, aber zur Bekehrung ist gemacht. Derjenige von den Häuptlingen der
Utahs, welcher gegenwärtig das stärkste Kriegsgefolge um sich versammelt und
infolge dessen auf alle übrigen Horden den meisten Einfluß übt, ist ein Freund
der Mormonen, und ein Halbbruder von ihm, dessen indianischen Rainen man


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ihnen befohlen, die Waffen niederzulegen. Sie weigerten sich dessen und stießen
Drohungen aus. Da gaben die Mormonen Feuer auf sie, und beinahe alle
wurden getödtet. Der Rest versuchte, nachdem er die Vorpostenkette durchbrochen,
sich über die Eisdecke des Sees zu retten. Sie wurden jedoch von Reitern
verfolgt und sämmtlich niedergemacht.

Im nächsten Jahre erhielten die Utahs eine abermalige Züchtigung, wo¬
bei einer ihrer Häuptlinge, Patowils mit Namen, gefangen genommen und auf¬
geknüpft wurde. Dieses summarische Verfahren hat einen solchen Eindruck aus
sie gemacht, daß sie sich seitdem ruhig verhalten haben. ' Sie hatten im ganzen
etwa 40 Todte verloren, und die Kriegsbande des alten „Stick in the Head",
eines berühmten Führers, war so geschwächt, daß er sich gezwungen sah, um
Frieden zu bitten. Eine große Menge Gefangene wurden gemacht, meist Frauen
und Kinder. Man brachte sie unter den Kanonen des Forts Mal) in Zellen
unter, bis sie unter die im Thale angesiedelten Familien vertheilt werden
konnten. Es wurden ihnen Nahrungsmittel gereicht, und es war eine Freude,
sie, die Halbverhungerten, schmausen zu sehen. Der Versuch aber, sie in die
Familien auszunehmen und dort an ein civilisirtes Leben zu gewöhnen, schlug
gänzlich fehl; denn sobald der Sommer kam, verließen sie die Farmer und
flohen nach ihrer schneeigen Heimat im Gebirge zurück.

Nach dem Buche Mormon sind die Indianer Nachkommen der Lamaniten
Und ein zwar vom wahren Gotte abgefallenes und entartetes, aber der Barm¬
herzigkeit des Himmels noch keineswegs ganz entrücktes Geschlecht. Sie wer¬
den vielmehr einst durch die Heiligen vom jüngsten Tage bekehrt und dann in
ihr Erbe wieder eingesetzt werden. Hierauf bezügliche Weissagungen enthält
das „vook ok OovU-iuv ana coveoavls" mehre, und Smith hat zu verschiedenen
Malen den Stämmen in Missouri sein Evangelium gepredigt und ihnen Be¬
lehrung über ihre Vergangenheit und Zukunft zu Theil werden lassen. In
Betracht dessen ist es freilich seltsam, daß seine Jünger, deren Mission es wäre,
die Rothhäute durch das Schwert des Geistes zu bezwingen, so rasch bei der
Hand waren, sie mit leiblichen Waffen zu unterjochen. Aber freilich, Empfind¬
samkeit und Rücksichtnahme ist den Indianern gegenüber nirgends am Platze,
und 'überdies bleiben die Mormonen trotz jener üblen Erfahrung dabei, daß
die Wilden einst die Weissagung ihres Propheten erfüllen werden, nach welcher
„ein Volk an Einem Tage geboren werben" und die Lamaniten durch Gottes
Gnade sich wieder in eine Nation von schönem Aeußeren und weißer Hautfarbe
verwandeln sollen. Und in der That, ein kleiner Anfang zwar nicht zur Häu¬
tung, aber zur Bekehrung ist gemacht. Derjenige von den Häuptlingen der
Utahs, welcher gegenwärtig das stärkste Kriegsgefolge um sich versammelt und
infolge dessen auf alle übrigen Horden den meisten Einfluß übt, ist ein Freund
der Mormonen, und ein Halbbruder von ihm, dessen indianischen Rainen man


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/33>, abgerufen am 01.07.2024.