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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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Weiden zur Schafzucht besitzt, und daß seine Thäler und Schluchten überall
Wasserkraft zur Anlegung von Fabriken haben, so ist nicht zu bezweifeln, daß
sich hier ein reicher und mächtiger Staat entwickeln kann.

- Die Hauptstadt, das neue Jerusalem, liegt in einem 120 englische Meilen
langen und circa 40 Meilen breiten, von steilen Bergen begrenzten Thale
zwischen dem großen Salzsee und einem Süßwassersee, den die Mormonen, die
in, ihren Verhältnissen überall Wiederholungen der Geschichte Israels sehen,
den See Liberias genannt haben, wie auch der schöne Fluß, der nicht fern
von der Stadt strömt, von ihnen der Jordan des Westens getauft worden ist.
Neujerusalem liegt ferner auf dem geradesten Wege etwa 1100 englische Meilen
vom Mississippi und 530 Meilen von San Francisco. Es hat sich rasch aus
einer Zeltstäbe in eine regelmäßige Stadt von Ziegelhäusern verwandelt. Seine
Straßen sind' breit und gerade. Sie werden von kleinen Kanälen durchschnitten,
die den Einwohnern das klare Wasser der Berge zuführen. Da jeder Ansiedler
eine Baustelle von einem Viertelacker zugetheilt bekommt, so stehen die Häuser
weit auseinander, und die Stadt, welche jetzt ungefähr 12,000 Einwohner zählt,
nimmt einen Raum von vier englischen Q-uadratmeilen ein. Von öffentlichen
Gebäuden ist die Bvwery, das gegenwärtige Bethaus der Sekte, das Rathhaus
und die Universität zu nennen, an welcher letzteren besonders dem Sprachen¬
studium große Aufmerksamkeit gewidmet und unter anderem auch Deutsch ge¬
lehrt wird. In der Mitte der Stadt ist ein gewaltiger Platz-freigelassen, auf
den man aus dem rothen Sandstein der Berge am Red Butte einen Tempel
zu erbauen beabsichtigt "größer und schöner als die Welt einen gesehen und
nur dem an Glanz und Ausdehnung nachstehend, welchen die Kirche dereinst
errichten wird, wenn Gott sein Volk nach Missouri heimführt, wo nach Josephs
des Sehers Weissagung bei Jndependence in der Grafschaft Jackson das wahre
Zion des tausendjährigen Reichs sich erheben soll."

Von dieser Muttercolonie haben sich in den letzten Jahren vier andere
abgezweigt, und Städtchen, die rasch zunehmen, haben sich bereits auf einer Linie
von 200 englischen Meilen Ausdehnung vom Bor Eider Creek im Norden bis
nach dem kleinen Salzsee im Süden und von dort bis San Diego erhoben.
Da wo die Sierra Nevada sich wendet, ist ein Ramado gekauft und in eine
Station verwandelt worden, der bald mehre folgen sollen, bis endlich eine
Kette von Posten hergestellt ist, die sich bis an die Küste des stillen Oceans
erstrecken und den Verkehr mit den Gemeinden auf den Sandwichsinseln sehr
erleichtern wird.

Alle Anordnungen zeugen von den großartigsten Plänen. Die Aus¬
wanderung aus England ist vortrefflich geordnet. Die aus Dänemark nicht
minder. Daß Deutschland den Mormonen noch kein Contingent geliefert hat,
-se lediglich der Polizei zu danken, welche die Sendboten Yonngs, als sie


Weiden zur Schafzucht besitzt, und daß seine Thäler und Schluchten überall
Wasserkraft zur Anlegung von Fabriken haben, so ist nicht zu bezweifeln, daß
sich hier ein reicher und mächtiger Staat entwickeln kann.

- Die Hauptstadt, das neue Jerusalem, liegt in einem 120 englische Meilen
langen und circa 40 Meilen breiten, von steilen Bergen begrenzten Thale
zwischen dem großen Salzsee und einem Süßwassersee, den die Mormonen, die
in, ihren Verhältnissen überall Wiederholungen der Geschichte Israels sehen,
den See Liberias genannt haben, wie auch der schöne Fluß, der nicht fern
von der Stadt strömt, von ihnen der Jordan des Westens getauft worden ist.
Neujerusalem liegt ferner auf dem geradesten Wege etwa 1100 englische Meilen
vom Mississippi und 530 Meilen von San Francisco. Es hat sich rasch aus
einer Zeltstäbe in eine regelmäßige Stadt von Ziegelhäusern verwandelt. Seine
Straßen sind' breit und gerade. Sie werden von kleinen Kanälen durchschnitten,
die den Einwohnern das klare Wasser der Berge zuführen. Da jeder Ansiedler
eine Baustelle von einem Viertelacker zugetheilt bekommt, so stehen die Häuser
weit auseinander, und die Stadt, welche jetzt ungefähr 12,000 Einwohner zählt,
nimmt einen Raum von vier englischen Q-uadratmeilen ein. Von öffentlichen
Gebäuden ist die Bvwery, das gegenwärtige Bethaus der Sekte, das Rathhaus
und die Universität zu nennen, an welcher letzteren besonders dem Sprachen¬
studium große Aufmerksamkeit gewidmet und unter anderem auch Deutsch ge¬
lehrt wird. In der Mitte der Stadt ist ein gewaltiger Platz-freigelassen, auf
den man aus dem rothen Sandstein der Berge am Red Butte einen Tempel
zu erbauen beabsichtigt „größer und schöner als die Welt einen gesehen und
nur dem an Glanz und Ausdehnung nachstehend, welchen die Kirche dereinst
errichten wird, wenn Gott sein Volk nach Missouri heimführt, wo nach Josephs
des Sehers Weissagung bei Jndependence in der Grafschaft Jackson das wahre
Zion des tausendjährigen Reichs sich erheben soll."

Von dieser Muttercolonie haben sich in den letzten Jahren vier andere
abgezweigt, und Städtchen, die rasch zunehmen, haben sich bereits auf einer Linie
von 200 englischen Meilen Ausdehnung vom Bor Eider Creek im Norden bis
nach dem kleinen Salzsee im Süden und von dort bis San Diego erhoben.
Da wo die Sierra Nevada sich wendet, ist ein Ramado gekauft und in eine
Station verwandelt worden, der bald mehre folgen sollen, bis endlich eine
Kette von Posten hergestellt ist, die sich bis an die Küste des stillen Oceans
erstrecken und den Verkehr mit den Gemeinden auf den Sandwichsinseln sehr
erleichtern wird.

Alle Anordnungen zeugen von den großartigsten Plänen. Die Aus¬
wanderung aus England ist vortrefflich geordnet. Die aus Dänemark nicht
minder. Daß Deutschland den Mormonen noch kein Contingent geliefert hat,
-se lediglich der Polizei zu danken, welche die Sendboten Yonngs, als sie


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[0035] Weiden zur Schafzucht besitzt, und daß seine Thäler und Schluchten überall Wasserkraft zur Anlegung von Fabriken haben, so ist nicht zu bezweifeln, daß sich hier ein reicher und mächtiger Staat entwickeln kann. - Die Hauptstadt, das neue Jerusalem, liegt in einem 120 englische Meilen langen und circa 40 Meilen breiten, von steilen Bergen begrenzten Thale zwischen dem großen Salzsee und einem Süßwassersee, den die Mormonen, die in, ihren Verhältnissen überall Wiederholungen der Geschichte Israels sehen, den See Liberias genannt haben, wie auch der schöne Fluß, der nicht fern von der Stadt strömt, von ihnen der Jordan des Westens getauft worden ist. Neujerusalem liegt ferner auf dem geradesten Wege etwa 1100 englische Meilen vom Mississippi und 530 Meilen von San Francisco. Es hat sich rasch aus einer Zeltstäbe in eine regelmäßige Stadt von Ziegelhäusern verwandelt. Seine Straßen sind' breit und gerade. Sie werden von kleinen Kanälen durchschnitten, die den Einwohnern das klare Wasser der Berge zuführen. Da jeder Ansiedler eine Baustelle von einem Viertelacker zugetheilt bekommt, so stehen die Häuser weit auseinander, und die Stadt, welche jetzt ungefähr 12,000 Einwohner zählt, nimmt einen Raum von vier englischen Q-uadratmeilen ein. Von öffentlichen Gebäuden ist die Bvwery, das gegenwärtige Bethaus der Sekte, das Rathhaus und die Universität zu nennen, an welcher letzteren besonders dem Sprachen¬ studium große Aufmerksamkeit gewidmet und unter anderem auch Deutsch ge¬ lehrt wird. In der Mitte der Stadt ist ein gewaltiger Platz-freigelassen, auf den man aus dem rothen Sandstein der Berge am Red Butte einen Tempel zu erbauen beabsichtigt „größer und schöner als die Welt einen gesehen und nur dem an Glanz und Ausdehnung nachstehend, welchen die Kirche dereinst errichten wird, wenn Gott sein Volk nach Missouri heimführt, wo nach Josephs des Sehers Weissagung bei Jndependence in der Grafschaft Jackson das wahre Zion des tausendjährigen Reichs sich erheben soll." Von dieser Muttercolonie haben sich in den letzten Jahren vier andere abgezweigt, und Städtchen, die rasch zunehmen, haben sich bereits auf einer Linie von 200 englischen Meilen Ausdehnung vom Bor Eider Creek im Norden bis nach dem kleinen Salzsee im Süden und von dort bis San Diego erhoben. Da wo die Sierra Nevada sich wendet, ist ein Ramado gekauft und in eine Station verwandelt worden, der bald mehre folgen sollen, bis endlich eine Kette von Posten hergestellt ist, die sich bis an die Küste des stillen Oceans erstrecken und den Verkehr mit den Gemeinden auf den Sandwichsinseln sehr erleichtern wird. Alle Anordnungen zeugen von den großartigsten Plänen. Die Aus¬ wanderung aus England ist vortrefflich geordnet. Die aus Dänemark nicht minder. Daß Deutschland den Mormonen noch kein Contingent geliefert hat, -se lediglich der Polizei zu danken, welche die Sendboten Yonngs, als sie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/35>, abgerufen am 01.07.2024.