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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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ein Neigen um diese Maitanne, An andern schwäbischen Orten ist nur das
Pflanzen von Maien, nicht der Tanz geblieben. So in verschiedenen Dörfern
bei Ulm, Edinger und im Schwarzwald, wo man geliebte Mädchen, hin und
wieder auch den Pfarrer und den Schulzen durch Ausrichtung einer Birke vor
der Thür ehrt. Die Bauern auf dem Walde von W'elzheim und Geschwend
pflanzen in der Walpurgisnacht ebensoviele Tannen als Pferde, und ebensoviel"
Birken als Rinder im Stalle sind, auf die Düngerstätte. Auch die Töchter und
Mägde des Hofes werden durch dorthin gesteckte grüne Zweige, die mit Bändern
geschmückt sind, geehrt. An vielen Orten Schwabens ferner ist der erste Mai
ein Kinderfest, wobei der Maikönig wieder auftaucht und die Kleinen, die mit
Moos- und Blumenkränzen geschmückt sind und Zweige von Birken, Pappeln
und Eichen in den Händen tragen, unter Musik und Gesang in die Kirche,
sodann aber auf einen freien Platz zu Schmaus und Spiel sührt. Endlich ist
in Vaichingen an der Enz der Maitag ein großes Fest, wobei es Wettkämpfe
gibt und' an dessen Schluß früher von Burschen in Frauenkleidern und Mädchen
in Mannskleidern "der Maien vergraben^ wurde --- eine Ceremonie, die viel¬
leicht ein leiser Anklang an Balders Tod, avahrscheinlicher aber eine Umkehr
des Gebrauchs, ist bei dem andere Gegenden am Sonntage Lätare den vom
Sommer besiegten Winter oder Tod begraben.

In Geldern pflanzt man zu Walpurgis Maien, die gleich unsrer Weih-
nachtstannc mit Kerzen besteckt werden. Selbst einzelne Striche Frankreichs kennen
derartige Feste und im Jssredepartement wählen die Kinder dabei ganz wie in
Schwaben einen Maikönig. Vor allem aber wurde in dem von Angeln und
Sachsen bev'ölkerren England bis aus die letzten Jahrzehnte der erste Mai fest¬
lich begangen. Wir meinen die sogenannten Maygames oder Maygings. Bei
denselben zogen kurz vor Mitternacht die jungen Leute mit Hornmusik aus dem
Dorfe in den Wald, wo sie Zweige von den Bäumen brachen und sie mit
Sträußen und Kränzen zierten, um sie bei Sonnenaufgang in die Fenster zu
stellen. Außerdem aber brachten sie aus dem Wald einen großen.Baum, eng,^-
pole genannt. Zwanzig, ja vierzig Joch Ochsen, deren Hörner mit Blumen
umwunden waren, zogen ihn ins Dorf, wo er aufgerichtet und um ihn getanzt
wurde. Den Vorsitz bei dem Feste führten ein Lord und eine Lady of the May.
Wir erinnern dabei an das wunderliebliche Gedicht Tamysons i)ne<zu
ol tkiz IVIa^". Sodann aber ist der Auszug zu erwähnen, welchen die londoner
Schornsteinfeger noch vor zwanzig Jahren am ersten Mai hielten. Einer von
den Gesellen jedes Meisters wurde in ein kegelförmiges Laubgeflecht gesteckt,
welches Kops und Leib verhüllte und nur die Beine frei ließ. Ein andrer
wurde als Mädchen verkleidet. Jener hieß .lavk in t.Ks Kreeri (Hans im
Laub), dieser I.acZ^. Unter dem Portritt dieser Beiden tanzten die mit
Goldflittern geschmückten Essenkehrer durch die Gassen ihres Kirchspiels, während


ein Neigen um diese Maitanne, An andern schwäbischen Orten ist nur das
Pflanzen von Maien, nicht der Tanz geblieben. So in verschiedenen Dörfern
bei Ulm, Edinger und im Schwarzwald, wo man geliebte Mädchen, hin und
wieder auch den Pfarrer und den Schulzen durch Ausrichtung einer Birke vor
der Thür ehrt. Die Bauern auf dem Walde von W'elzheim und Geschwend
pflanzen in der Walpurgisnacht ebensoviele Tannen als Pferde, und ebensoviel«
Birken als Rinder im Stalle sind, auf die Düngerstätte. Auch die Töchter und
Mägde des Hofes werden durch dorthin gesteckte grüne Zweige, die mit Bändern
geschmückt sind, geehrt. An vielen Orten Schwabens ferner ist der erste Mai
ein Kinderfest, wobei der Maikönig wieder auftaucht und die Kleinen, die mit
Moos- und Blumenkränzen geschmückt sind und Zweige von Birken, Pappeln
und Eichen in den Händen tragen, unter Musik und Gesang in die Kirche,
sodann aber auf einen freien Platz zu Schmaus und Spiel sührt. Endlich ist
in Vaichingen an der Enz der Maitag ein großes Fest, wobei es Wettkämpfe
gibt und' an dessen Schluß früher von Burschen in Frauenkleidern und Mädchen
in Mannskleidern „der Maien vergraben^ wurde —- eine Ceremonie, die viel¬
leicht ein leiser Anklang an Balders Tod, avahrscheinlicher aber eine Umkehr
des Gebrauchs, ist bei dem andere Gegenden am Sonntage Lätare den vom
Sommer besiegten Winter oder Tod begraben.

In Geldern pflanzt man zu Walpurgis Maien, die gleich unsrer Weih-
nachtstannc mit Kerzen besteckt werden. Selbst einzelne Striche Frankreichs kennen
derartige Feste und im Jssredepartement wählen die Kinder dabei ganz wie in
Schwaben einen Maikönig. Vor allem aber wurde in dem von Angeln und
Sachsen bev'ölkerren England bis aus die letzten Jahrzehnte der erste Mai fest¬
lich begangen. Wir meinen die sogenannten Maygames oder Maygings. Bei
denselben zogen kurz vor Mitternacht die jungen Leute mit Hornmusik aus dem
Dorfe in den Wald, wo sie Zweige von den Bäumen brachen und sie mit
Sträußen und Kränzen zierten, um sie bei Sonnenaufgang in die Fenster zu
stellen. Außerdem aber brachten sie aus dem Wald einen großen.Baum, eng,^-
pole genannt. Zwanzig, ja vierzig Joch Ochsen, deren Hörner mit Blumen
umwunden waren, zogen ihn ins Dorf, wo er aufgerichtet und um ihn getanzt
wurde. Den Vorsitz bei dem Feste führten ein Lord und eine Lady of the May.
Wir erinnern dabei an das wunderliebliche Gedicht Tamysons i)ne<zu
ol tkiz IVIa^". Sodann aber ist der Auszug zu erwähnen, welchen die londoner
Schornsteinfeger noch vor zwanzig Jahren am ersten Mai hielten. Einer von
den Gesellen jedes Meisters wurde in ein kegelförmiges Laubgeflecht gesteckt,
welches Kops und Leib verhüllte und nur die Beine frei ließ. Ein andrer
wurde als Mädchen verkleidet. Jener hieß .lavk in t.Ks Kreeri (Hans im
Laub), dieser I.acZ^. Unter dem Portritt dieser Beiden tanzten die mit
Goldflittern geschmückten Essenkehrer durch die Gassen ihres Kirchspiels, während


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[0334] ein Neigen um diese Maitanne, An andern schwäbischen Orten ist nur das Pflanzen von Maien, nicht der Tanz geblieben. So in verschiedenen Dörfern bei Ulm, Edinger und im Schwarzwald, wo man geliebte Mädchen, hin und wieder auch den Pfarrer und den Schulzen durch Ausrichtung einer Birke vor der Thür ehrt. Die Bauern auf dem Walde von W'elzheim und Geschwend pflanzen in der Walpurgisnacht ebensoviele Tannen als Pferde, und ebensoviel« Birken als Rinder im Stalle sind, auf die Düngerstätte. Auch die Töchter und Mägde des Hofes werden durch dorthin gesteckte grüne Zweige, die mit Bändern geschmückt sind, geehrt. An vielen Orten Schwabens ferner ist der erste Mai ein Kinderfest, wobei der Maikönig wieder auftaucht und die Kleinen, die mit Moos- und Blumenkränzen geschmückt sind und Zweige von Birken, Pappeln und Eichen in den Händen tragen, unter Musik und Gesang in die Kirche, sodann aber auf einen freien Platz zu Schmaus und Spiel sührt. Endlich ist in Vaichingen an der Enz der Maitag ein großes Fest, wobei es Wettkämpfe gibt und' an dessen Schluß früher von Burschen in Frauenkleidern und Mädchen in Mannskleidern „der Maien vergraben^ wurde —- eine Ceremonie, die viel¬ leicht ein leiser Anklang an Balders Tod, avahrscheinlicher aber eine Umkehr des Gebrauchs, ist bei dem andere Gegenden am Sonntage Lätare den vom Sommer besiegten Winter oder Tod begraben. In Geldern pflanzt man zu Walpurgis Maien, die gleich unsrer Weih- nachtstannc mit Kerzen besteckt werden. Selbst einzelne Striche Frankreichs kennen derartige Feste und im Jssredepartement wählen die Kinder dabei ganz wie in Schwaben einen Maikönig. Vor allem aber wurde in dem von Angeln und Sachsen bev'ölkerren England bis aus die letzten Jahrzehnte der erste Mai fest¬ lich begangen. Wir meinen die sogenannten Maygames oder Maygings. Bei denselben zogen kurz vor Mitternacht die jungen Leute mit Hornmusik aus dem Dorfe in den Wald, wo sie Zweige von den Bäumen brachen und sie mit Sträußen und Kränzen zierten, um sie bei Sonnenaufgang in die Fenster zu stellen. Außerdem aber brachten sie aus dem Wald einen großen.Baum, eng,^- pole genannt. Zwanzig, ja vierzig Joch Ochsen, deren Hörner mit Blumen umwunden waren, zogen ihn ins Dorf, wo er aufgerichtet und um ihn getanzt wurde. Den Vorsitz bei dem Feste führten ein Lord und eine Lady of the May. Wir erinnern dabei an das wunderliebliche Gedicht Tamysons i)ne<zu ol tkiz IVIa^". Sodann aber ist der Auszug zu erwähnen, welchen die londoner Schornsteinfeger noch vor zwanzig Jahren am ersten Mai hielten. Einer von den Gesellen jedes Meisters wurde in ein kegelförmiges Laubgeflecht gesteckt, welches Kops und Leib verhüllte und nur die Beine frei ließ. Ein andrer wurde als Mädchen verkleidet. Jener hieß .lavk in t.Ks Kreeri (Hans im Laub), dieser I.acZ^. Unter dem Portritt dieser Beiden tanzten die mit Goldflittern geschmückten Essenkehrer durch die Gassen ihres Kirchspiels, während

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/334>, abgerufen am 03.07.2024.