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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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einer von ihnen mit einer Schöpfkelle und einer Salzmäste von den Zuschauern
Geld einsammelte, welches nachher im Wirthshause vertrunken wurde -- e/ne
Sitte, die mit mehren deutschen übereinstimmt. So wirb bei Willingshausen
in Niederhessen ein Knabe über und über in Laub eingeflochten und muß als
"Bär" tanzen, was auch an den schwäbischen Fastnachtsbären erinnert, der
seinerseits wieder an den Eber deS Fro (siehe unsern frühern Aussatz) und -- da
von den Göttern häufig nur die Attribute im Gedächtniß blieben -- an diesen
Gott der Saaten selbst gemahnt. Ebenfalls hierher gehört der ,,Grüne Mann"
und der "Lattichkönig" thüringischer Dörfer, über welche das Nähere bei Grimm
nachzulesen ist.

Im Oberbergschen sind die Maibrunnenfeste in der Erinnnerung des Volks
geblieben, doch kommt nur noch wenig davon zur Aufführung. Am Maiabend
werden die Trinkquellen gereinigt und Lämpchen und Kerzen dabei angezündet,
an die benachbarten Bäume befestigt und unter dem Absingen von Liedern
bewacht. Am andern Morgen pflückt man zum Schmucke Blumen und win¬
det Kränze davon, die man um den Rand des Brunnens legt. Sodann
fügt man Eier hinzu, aus denen man am Nachmittage Kuchen bäckt. Das
Anputzen der Brunnen geschieht unter Liedern, von denen wir im Folgenden
zwei Proben mittheilen:,


Blume" im Thal, Mädchen im Saal,
Fröhlich ist der Male!

-I. "
Der liebe Male ziehet ein
Mit Lied und Sonnenschein.
Er bringt Blümlein roth "ut weiß,
Wir Segen die Brunnen ihm rein
Im Male, im Male juchhei!
Der Male bringt Vöglein jung und alt
Im griiueu. grünen Wald.
, Brunnen gefegt!
Dreizehn Eier, so ists recht!
(§s si^ ^i" flücker Vogel
Er flog vo" ferne herbcie ,
Er singt in seinem Sinne
^ singt von Sonne und Male.
Sonn und Mai komme herein,
Bringen die schonen Blanblnmclein.


In andern niederrheinischen Strichen kommen am Morgen deS ersten Mai
die Kinder mit Zweigen und Sträußen und "singen den Mai ins Haus:"


Wir bringen Euch den Mai' in't Hut
lind holen uns 'neu malen Fut u. s. w.

worauf die Sänger erst mit Wasser begossen und bann mit Geld oder Eiern
beschenkt werden. Jedenfalls hängt dieser Brauch mit dem Quellendienste
zusammen, von dem später noch ein Beispiel mitgetheilt werben soll.

Ferner gehören hierher die Beziehungen, welche das Fest auflas Vieh hatte.
Eine Probe davon wurde im Obigen gegeben. Andre Beispiele sind folgende:
In Schleswig schmückt man am ersten Mai das Stadtvieh mit Kränzen aus
Buchenlaub. Im würtembergischen Orte Buchau bekränzt man am Abend
desselben Tages die zwei schönsten Kühe, wenn sie von der Weide heimkehren.
In Westphalen findet die sogenannte Rindertaufe statt. Die Stirke, das heißt


einer von ihnen mit einer Schöpfkelle und einer Salzmäste von den Zuschauern
Geld einsammelte, welches nachher im Wirthshause vertrunken wurde — e/ne
Sitte, die mit mehren deutschen übereinstimmt. So wirb bei Willingshausen
in Niederhessen ein Knabe über und über in Laub eingeflochten und muß als
„Bär" tanzen, was auch an den schwäbischen Fastnachtsbären erinnert, der
seinerseits wieder an den Eber deS Fro (siehe unsern frühern Aussatz) und — da
von den Göttern häufig nur die Attribute im Gedächtniß blieben — an diesen
Gott der Saaten selbst gemahnt. Ebenfalls hierher gehört der ,,Grüne Mann"
und der „Lattichkönig" thüringischer Dörfer, über welche das Nähere bei Grimm
nachzulesen ist.

Im Oberbergschen sind die Maibrunnenfeste in der Erinnnerung des Volks
geblieben, doch kommt nur noch wenig davon zur Aufführung. Am Maiabend
werden die Trinkquellen gereinigt und Lämpchen und Kerzen dabei angezündet,
an die benachbarten Bäume befestigt und unter dem Absingen von Liedern
bewacht. Am andern Morgen pflückt man zum Schmucke Blumen und win¬
det Kränze davon, die man um den Rand des Brunnens legt. Sodann
fügt man Eier hinzu, aus denen man am Nachmittage Kuchen bäckt. Das
Anputzen der Brunnen geschieht unter Liedern, von denen wir im Folgenden
zwei Proben mittheilen:,


Blume» im Thal, Mädchen im Saal,
Fröhlich ist der Male!

-I. "
Der liebe Male ziehet ein
Mit Lied und Sonnenschein.
Er bringt Blümlein roth »ut weiß,
Wir Segen die Brunnen ihm rein
Im Male, im Male juchhei!
Der Male bringt Vöglein jung und alt
Im griiueu. grünen Wald.
, Brunnen gefegt!
Dreizehn Eier, so ists recht!
(§s si^ ^i» flücker Vogel
Er flog vo» ferne herbcie ,
Er singt in seinem Sinne
^ singt von Sonne und Male.
Sonn und Mai komme herein,
Bringen die schonen Blanblnmclein.


In andern niederrheinischen Strichen kommen am Morgen deS ersten Mai
die Kinder mit Zweigen und Sträußen und „singen den Mai ins Haus:"


Wir bringen Euch den Mai' in't Hut
lind holen uns 'neu malen Fut u. s. w.

worauf die Sänger erst mit Wasser begossen und bann mit Geld oder Eiern
beschenkt werden. Jedenfalls hängt dieser Brauch mit dem Quellendienste
zusammen, von dem später noch ein Beispiel mitgetheilt werben soll.

Ferner gehören hierher die Beziehungen, welche das Fest auflas Vieh hatte.
Eine Probe davon wurde im Obigen gegeben. Andre Beispiele sind folgende:
In Schleswig schmückt man am ersten Mai das Stadtvieh mit Kränzen aus
Buchenlaub. Im würtembergischen Orte Buchau bekränzt man am Abend
desselben Tages die zwei schönsten Kühe, wenn sie von der Weide heimkehren.
In Westphalen findet die sogenannte Rindertaufe statt. Die Stirke, das heißt


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[0335] einer von ihnen mit einer Schöpfkelle und einer Salzmäste von den Zuschauern Geld einsammelte, welches nachher im Wirthshause vertrunken wurde — e/ne Sitte, die mit mehren deutschen übereinstimmt. So wirb bei Willingshausen in Niederhessen ein Knabe über und über in Laub eingeflochten und muß als „Bär" tanzen, was auch an den schwäbischen Fastnachtsbären erinnert, der seinerseits wieder an den Eber deS Fro (siehe unsern frühern Aussatz) und — da von den Göttern häufig nur die Attribute im Gedächtniß blieben — an diesen Gott der Saaten selbst gemahnt. Ebenfalls hierher gehört der ,,Grüne Mann" und der „Lattichkönig" thüringischer Dörfer, über welche das Nähere bei Grimm nachzulesen ist. Im Oberbergschen sind die Maibrunnenfeste in der Erinnnerung des Volks geblieben, doch kommt nur noch wenig davon zur Aufführung. Am Maiabend werden die Trinkquellen gereinigt und Lämpchen und Kerzen dabei angezündet, an die benachbarten Bäume befestigt und unter dem Absingen von Liedern bewacht. Am andern Morgen pflückt man zum Schmucke Blumen und win¬ det Kränze davon, die man um den Rand des Brunnens legt. Sodann fügt man Eier hinzu, aus denen man am Nachmittage Kuchen bäckt. Das Anputzen der Brunnen geschieht unter Liedern, von denen wir im Folgenden zwei Proben mittheilen:, Blume» im Thal, Mädchen im Saal, Fröhlich ist der Male! -I. " Der liebe Male ziehet ein Mit Lied und Sonnenschein. Er bringt Blümlein roth »ut weiß, Wir Segen die Brunnen ihm rein Im Male, im Male juchhei! Der Male bringt Vöglein jung und alt Im griiueu. grünen Wald. , Brunnen gefegt! Dreizehn Eier, so ists recht! (§s si^ ^i» flücker Vogel Er flog vo» ferne herbcie , Er singt in seinem Sinne ^ singt von Sonne und Male. Sonn und Mai komme herein, Bringen die schonen Blanblnmclein. In andern niederrheinischen Strichen kommen am Morgen deS ersten Mai die Kinder mit Zweigen und Sträußen und „singen den Mai ins Haus:" Wir bringen Euch den Mai' in't Hut lind holen uns 'neu malen Fut u. s. w. worauf die Sänger erst mit Wasser begossen und bann mit Geld oder Eiern beschenkt werden. Jedenfalls hängt dieser Brauch mit dem Quellendienste zusammen, von dem später noch ein Beispiel mitgetheilt werben soll. Ferner gehören hierher die Beziehungen, welche das Fest auflas Vieh hatte. Eine Probe davon wurde im Obigen gegeben. Andre Beispiele sind folgende: In Schleswig schmückt man am ersten Mai das Stadtvieh mit Kränzen aus Buchenlaub. Im würtembergischen Orte Buchau bekränzt man am Abend desselben Tages die zwei schönsten Kühe, wenn sie von der Weide heimkehren. In Westphalen findet die sogenannte Rindertaufe statt. Die Stirke, das heißt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/335>, abgerufen am 01.07.2024.