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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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hinter sich hatten. Hier begann der beschwerlichere Theil ihres Zugs. Sie
umgingen die Felskanten und Klippengipfel des Fremonts Peak, arbeiteten
sich bergauf und thalab, bahnten sich durch unwegsame Schluchten und Klüfte
ihren Pfad und stiegen endlich, sehr erschöpft zwar, aber ohne einen Mann
verloren M haben, hinunter in die Gegend, wo der Jndianerstamm der Aldas
damals seine'Wohnsitze hatte und wo sie in dem weiten Kessel, in welchem
der große Salzsee fruchtbare und namentlich an schönen Viehweiden reiche Ufer
bespült, sich niederließen, um Hütten zu machen. Sie hatten erreicht, was sie
wollten. Zeitig genug eingetroffen, um für eine, den nächsten Herbst zu er¬
wartende Ernte ihr Wälschkorn zu bestellen, verloren sie, nachdem der Boden
ritualmäßig gesegnet worden, keinen Augenblick, das ausgesuchte Land zu
Pflügen, zu besäen und einzuzäunen. Der Vorhut folgte aus dem Hauptlager
im Osten, während des Sommers ein Heerhaufen von etwa 4000 Heiligen
mit ü66 Wagen. Im Herbste stießen zu ihnen die inzwischen abgedankter
Soldaten eines Bataillons, welches General Kearney in Iowa unter ihnen
ausgehoben hatte, um zur Eroberung Californiens zu helfen. Bald nachher
kamen Glaubensbrüder von den Sandwichsinseln an, wo der eifrige und be¬
gabte Apostel Peter Partey Pratt unter den Eingebornen viele Proselhten
gemacht hatte. Im Frühlinge und Sommer von 1848 endlich zogen beinahe
alle noch am Missouri verweilenden Mormonen in einer Aufeinanderfolge zahl¬
reicher Trupps, ausgeruht und gekräftigt durch eine gesegnete Ernte, den
Brüdern in Mal) nach und im nächsten Jahre noch organistrte man sich nach
den Gesetzen der Union zu einem Territorium.

Seitdem ist die Einwanderung aus den Vereinigten Staaten, wo jetzt nur
noch wenige Mormonen weilen, aus England, wo die Latterday-Saints im
Jahre -I8L0 gegen vierzigtausend Kirchenmitglieder zählten, und aus Dänemark
und Norwegen, wo sie ebenfalls mehre Gemeinden gestiftet haben, ohne Unter¬
suchung Angegangen, und auch außerdem ist die Geschichte der wunderbaren
Sekte f^ör lückenlose Kette glücklicher Ereignisse gewesen. Zwar wurden'sie
anfangs in schrecklicher Weise vou den Heuschrecken der Timpanogaberge heimge-
lucht und die Entdeckung des Goldes in Californien drohte die junge Colonie zu
zerstreuen. Jene Plage jedoch wurde durch die Erscheinung einer Art Möven
abgewendet, welche alle Morgen von den Inseln des Salzsees herzufliegend,
die gefräßigen Saatvertilger in wenigen Tagen verspeisten, und das Goldfieber
wich der Ermahnung der Priester zum Bleiben, ja es wurde sogar zum Segen,
da auf diese Art die 'schichten Elemente, welche schon bei der Heimsuchung
Nauvovö zum guten Theile ausgeworfen wordeu waren, fast ohne Ansnahme ab¬
zogen, die bessern aber, die truppweise und immer nur auf einige Zeit vom Propheten
die Erlaubniß erhielten, zum Besten der Gesammtheit von dem gelben Staube
zu sammeln, große Massen davon zurückbrachten, die meist dahin verwendet


hinter sich hatten. Hier begann der beschwerlichere Theil ihres Zugs. Sie
umgingen die Felskanten und Klippengipfel des Fremonts Peak, arbeiteten
sich bergauf und thalab, bahnten sich durch unwegsame Schluchten und Klüfte
ihren Pfad und stiegen endlich, sehr erschöpft zwar, aber ohne einen Mann
verloren M haben, hinunter in die Gegend, wo der Jndianerstamm der Aldas
damals seine'Wohnsitze hatte und wo sie in dem weiten Kessel, in welchem
der große Salzsee fruchtbare und namentlich an schönen Viehweiden reiche Ufer
bespült, sich niederließen, um Hütten zu machen. Sie hatten erreicht, was sie
wollten. Zeitig genug eingetroffen, um für eine, den nächsten Herbst zu er¬
wartende Ernte ihr Wälschkorn zu bestellen, verloren sie, nachdem der Boden
ritualmäßig gesegnet worden, keinen Augenblick, das ausgesuchte Land zu
Pflügen, zu besäen und einzuzäunen. Der Vorhut folgte aus dem Hauptlager
im Osten, während des Sommers ein Heerhaufen von etwa 4000 Heiligen
mit ü66 Wagen. Im Herbste stießen zu ihnen die inzwischen abgedankter
Soldaten eines Bataillons, welches General Kearney in Iowa unter ihnen
ausgehoben hatte, um zur Eroberung Californiens zu helfen. Bald nachher
kamen Glaubensbrüder von den Sandwichsinseln an, wo der eifrige und be¬
gabte Apostel Peter Partey Pratt unter den Eingebornen viele Proselhten
gemacht hatte. Im Frühlinge und Sommer von 1848 endlich zogen beinahe
alle noch am Missouri verweilenden Mormonen in einer Aufeinanderfolge zahl¬
reicher Trupps, ausgeruht und gekräftigt durch eine gesegnete Ernte, den
Brüdern in Mal) nach und im nächsten Jahre noch organistrte man sich nach
den Gesetzen der Union zu einem Territorium.

Seitdem ist die Einwanderung aus den Vereinigten Staaten, wo jetzt nur
noch wenige Mormonen weilen, aus England, wo die Latterday-Saints im
Jahre -I8L0 gegen vierzigtausend Kirchenmitglieder zählten, und aus Dänemark
und Norwegen, wo sie ebenfalls mehre Gemeinden gestiftet haben, ohne Unter¬
suchung Angegangen, und auch außerdem ist die Geschichte der wunderbaren
Sekte f^ör lückenlose Kette glücklicher Ereignisse gewesen. Zwar wurden'sie
anfangs in schrecklicher Weise vou den Heuschrecken der Timpanogaberge heimge-
lucht und die Entdeckung des Goldes in Californien drohte die junge Colonie zu
zerstreuen. Jene Plage jedoch wurde durch die Erscheinung einer Art Möven
abgewendet, welche alle Morgen von den Inseln des Salzsees herzufliegend,
die gefräßigen Saatvertilger in wenigen Tagen verspeisten, und das Goldfieber
wich der Ermahnung der Priester zum Bleiben, ja es wurde sogar zum Segen,
da auf diese Art die 'schichten Elemente, welche schon bei der Heimsuchung
Nauvovö zum guten Theile ausgeworfen wordeu waren, fast ohne Ansnahme ab¬
zogen, die bessern aber, die truppweise und immer nur auf einige Zeit vom Propheten
die Erlaubniß erhielten, zum Besten der Gesammtheit von dem gelben Staube
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/31>, abgerufen am 01.07.2024.