Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.eingeführt werden, was nur die Wirkung einer Redefigur hat, durch welche die eingeführt werden, was nur die Wirkung einer Redefigur hat, durch welche die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0293" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/99679"/> <p xml:id="ID_1011" prev="#ID_1010" next="#ID_1012"> eingeführt werden, was nur die Wirkung einer Redefigur hat, durch welche die<lb/> Darstellung um etwas lebendiger wird. Daß diese Reden, gegen die ursprüng¬<lb/> liche Ballade gehalten, meistens matt und farblos sind, liegt wol zum Theil<lb/> an der Ungeschicklichkeit der Bearbeitung, zum Theil aber auch an dem unver¬<lb/> meidlichen Uebelstand, daß dasjenige, was in der Ballade ihrem Charakter ge¬<lb/> mäß nur kurz angedeutet wird, hier zum Dialog ausgedehnt werden soll. Alle<lb/> diese Uebelstände der poetischen Behandlung wirken auch auf die musikalische<lb/> Gestaltung ungünstig ein. An sich ist die Ballade für die Composition eben ihrer<lb/> lyrischen Stimmung wegen geeignet, die Aufgabe des Musikers aber kann<lb/> keine andere sein, als die des Dichters, den Grundton dieser das Ganze durch¬<lb/> dringenden Stimmung zu finden und in einer Weise wiederzugeben, daß er<lb/> durch die Composition überall durchklingt und die Ausführung des Einzelnen<lb/> bedingt, ohne die Freiheit derselben aufzuheben. Grade dieses erste und wesent¬<lb/> lichste Erfordernis) wird aber durch die oben charakterisirte Zerstücklung der<lb/> Ballade aufgehoben, den eigentlichen Ton der Ballade kann auch der Musiker<lb/> nun nicht mehr treffen, und wird daher auch ein innerlich zusammenhängendes<lb/> Ganze nicht herstellen. Die schärfere Charakteristik der einzelnen Momente<lb/> bietet dafür keinen Ersatz; die rechte Wirkung wahrhaft dramatischer Musik<lb/> wird nicht erreicht, weil auch musikalisch diese BeHandlungsweise als eine<lb/> ziemlich willkürliche Anwendung äußerer Darstellungsmittel ohne innere<lb/> Nothwendigkeit, ohne den stetigen, innerlich motivirten Fortschritt erscheint,<lb/> welcher das Wesen des Dramatischen ausmacht. Die knappe Behandlung<lb/> des Stoffes, welche aus der Natur der Ballade hervorgeht, und wenn sie<lb/> Unverkümmert bleibt, auch der musikalischen Gestaltung günstig ist, wird<lb/> in dieser Verarbeitung dem Musiker eine Fessel, indem sie ihn an der Alls¬<lb/> führung in großen, breiten Formen hindert, welche musikalische Conceptionen<lb/> von Bedeutung und Gehalt verlangen, und ihn somit auf das Beste und<lb/> Schönste seiner Kunst verzichten heißt. Denn in diesen Balladen gehen die<lb/> Chöre sowie die längeren Solopartien, der Anlage wie dem Umsange nach, nicht<lb/> über die einfache Liedform hinaus. Dies ist aber schon an sich nicht bedeutend<lb/> genug, um einen großen Rahmen allein zu füllen, sondern muß, wenn Lied an<lb/> Lied gereiht wird, monoton werden; dann aber kommt das durchaus unkünstlerische<lb/> Mißverhältniß zwischen den aufgewandten Mitteln und der Form hinzu, indem<lb/> große Orchestermussen aufgeboten werden, welche daS Lied nicht sowol unter¬<lb/> stützen, als erdrücken. Und in ähnlicher Weise wird durch die auf die Spitze<lb/> getriebene Charakteristik deS Einzelnen in den dramatisirten Partien eine Span¬<lb/> nung erregt, welche in den liedartigen Theilen keine entsprechende Lösung und<lb/> Befriedigung findet. Es ist daher gewiß nicht zu wünschen, daß dieses Genre<lb/> weiter ausgebildet werde, welches sicher nur ein mißlungener Versuch ist, einem</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0293]
eingeführt werden, was nur die Wirkung einer Redefigur hat, durch welche die
Darstellung um etwas lebendiger wird. Daß diese Reden, gegen die ursprüng¬
liche Ballade gehalten, meistens matt und farblos sind, liegt wol zum Theil
an der Ungeschicklichkeit der Bearbeitung, zum Theil aber auch an dem unver¬
meidlichen Uebelstand, daß dasjenige, was in der Ballade ihrem Charakter ge¬
mäß nur kurz angedeutet wird, hier zum Dialog ausgedehnt werden soll. Alle
diese Uebelstände der poetischen Behandlung wirken auch auf die musikalische
Gestaltung ungünstig ein. An sich ist die Ballade für die Composition eben ihrer
lyrischen Stimmung wegen geeignet, die Aufgabe des Musikers aber kann
keine andere sein, als die des Dichters, den Grundton dieser das Ganze durch¬
dringenden Stimmung zu finden und in einer Weise wiederzugeben, daß er
durch die Composition überall durchklingt und die Ausführung des Einzelnen
bedingt, ohne die Freiheit derselben aufzuheben. Grade dieses erste und wesent¬
lichste Erfordernis) wird aber durch die oben charakterisirte Zerstücklung der
Ballade aufgehoben, den eigentlichen Ton der Ballade kann auch der Musiker
nun nicht mehr treffen, und wird daher auch ein innerlich zusammenhängendes
Ganze nicht herstellen. Die schärfere Charakteristik der einzelnen Momente
bietet dafür keinen Ersatz; die rechte Wirkung wahrhaft dramatischer Musik
wird nicht erreicht, weil auch musikalisch diese BeHandlungsweise als eine
ziemlich willkürliche Anwendung äußerer Darstellungsmittel ohne innere
Nothwendigkeit, ohne den stetigen, innerlich motivirten Fortschritt erscheint,
welcher das Wesen des Dramatischen ausmacht. Die knappe Behandlung
des Stoffes, welche aus der Natur der Ballade hervorgeht, und wenn sie
Unverkümmert bleibt, auch der musikalischen Gestaltung günstig ist, wird
in dieser Verarbeitung dem Musiker eine Fessel, indem sie ihn an der Alls¬
führung in großen, breiten Formen hindert, welche musikalische Conceptionen
von Bedeutung und Gehalt verlangen, und ihn somit auf das Beste und
Schönste seiner Kunst verzichten heißt. Denn in diesen Balladen gehen die
Chöre sowie die längeren Solopartien, der Anlage wie dem Umsange nach, nicht
über die einfache Liedform hinaus. Dies ist aber schon an sich nicht bedeutend
genug, um einen großen Rahmen allein zu füllen, sondern muß, wenn Lied an
Lied gereiht wird, monoton werden; dann aber kommt das durchaus unkünstlerische
Mißverhältniß zwischen den aufgewandten Mitteln und der Form hinzu, indem
große Orchestermussen aufgeboten werden, welche daS Lied nicht sowol unter¬
stützen, als erdrücken. Und in ähnlicher Weise wird durch die auf die Spitze
getriebene Charakteristik deS Einzelnen in den dramatisirten Partien eine Span¬
nung erregt, welche in den liedartigen Theilen keine entsprechende Lösung und
Befriedigung findet. Es ist daher gewiß nicht zu wünschen, daß dieses Genre
weiter ausgebildet werde, welches sicher nur ein mißlungener Versuch ist, einem
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