Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.begreiflicherweise den Nachbarn ebensosehr, als die Entfremdung mehrer Kühe Infolge der Grausamkeiten und Ungerechtigkeiten, die man sich bei dieser Smith war ein Betrüger, daneben aber auch ein Mann von Talenten, Vor allem aber erregte der prachtvolle Tempel, den Smith von dem Zehnten begreiflicherweise den Nachbarn ebensosehr, als die Entfremdung mehrer Kühe Infolge der Grausamkeiten und Ungerechtigkeiten, die man sich bei dieser Smith war ein Betrüger, daneben aber auch ein Mann von Talenten, Vor allem aber erregte der prachtvolle Tempel, den Smith von dem Zehnten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0026" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/99412"/> <p xml:id="ID_63" prev="#ID_62"> begreiflicherweise den Nachbarn ebensosehr, als die Entfremdung mehrer Kühe<lb/> und Schweine, welche die Mormonen in Anticipation jenes verheißenen Tages<lb/> sich zuzueignen für gut befunden hatten, und man nöthigte die Heiligen, zunächst<lb/> nach einem andern Bezirke auszuwandern. Drei Jahre später aber, im Herbste<lb/> 1839, zwang man sie durch einen förmlichen kleinen Krieg, zu welchem die<lb/> Miliz des Staates aufgeboten werden mußte, auf das gegenüberliegende Ufer<lb/> des Mississippi nach dem Staate Illinois abzuziehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_64"> Infolge der Grausamkeiten und Ungerechtigkeiten, die man sich bei dieser<lb/> Austreibung der Mormonen von Seilen der Behörden erlaubt hatte, sowie<lb/> in Betracht der tüchtigen Arbeitskräfte, die sie als Gesammtheit repräsentirten,<lb/> wurden sie in Illinois sehr zuvorkommend aufgenommen, und bald erwuchs<lb/> unter den Händen der aus allen Theilen der Welt und namentlich aus England<lb/> herzuströmenden Gläubigen an einer vorher wüsten Stelle die schone und große<lb/> Stadt Nauvoo.</p><lb/> <p xml:id="ID_65"> Smith war ein Betrüger, daneben aber auch ein Mann von Talenten,<lb/> die er nicht blos in seinem Interesse gebrauchte. Er beherrschte diese zusammen¬<lb/> gewürfelte Menschenmasse vollkomne», wußte die Ehrgeizigen für sich zu ge¬<lb/> winnen oder niederzuhalten, verrieth eine bedeutende Gabe des Organisirens<lb/> und schuf mit seiner Sach- und Menschenkenntnis) manches Ersprießliche, so<lb/> daß die Sekte eine Gestalt gewann, welche man bei einem Vergleiche mit ihrer<lb/> Vergangenheit und dem Grunde, worauf das Ganze ruhte, nicht für möglich<lb/> hätte halten sollen. Die öde Sumpfgegend, wo man sich angesiedelt, wurde<lb/> entwässert und verwandelte sich in ein reichtragendes Mais- und Weizenfeld.<lb/> Ihr Aufblühen lockte eine Menge tüchtiger Handwerker und Kaufleute in die<lb/> Stadt. Eine beträchtliche Anzahl gemeinnütziger Anstalten, darunter sogar<lb/> eine Universität, wurde gegründet, eine wachsame Polizei und eine kleine, aber<lb/> tüchtige Armee zur Vertheidigung gegen das noch immer drohende Volk Mis¬<lb/> souris geschaffen, ein Rathhaus, eine Freimaurerhalle und ein großer Gasthof^<lb/> zu dessen Wirth der „große Jehova" in einer feierlichen Offenbarung seinen<lb/> Knecht „Mr. Smith junior" bestimmte, erhoben sich, und die Mormoneustadt<lb/> ward das Wunder des ganzen Mississippilhales.</p><lb/> <p xml:id="ID_66" next="#ID_67"> Vor allem aber erregte der prachtvolle Tempel, den Smith von dem Zehnten<lb/> der Gläubigen erbauen ließ, allgemeines Staunen. Es war ein 140 Fuß<lb/> langes, 90 Fuß breites uno 70 Fuß l)ödes Gebäude, welches ein Thurm<lb/> von 170 Fuß überragte. Der Stil war ein wunderliches, aber nicht grade<lb/> kleinliches Gemisch griechischer, ägyptischer und florentinischer Architektur mit<lb/> eignen Einfällen, die sich aber in die Form göttlicher Befehle kleideten. Das<lb/> Material war ein weißer, marmorähnlicher Kalkstein. Die Kosten des Baus,<lb/> welcher seltsam zwar, aber immerhin imposant wie ein Symbol des Mormoniö-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0026]
begreiflicherweise den Nachbarn ebensosehr, als die Entfremdung mehrer Kühe
und Schweine, welche die Mormonen in Anticipation jenes verheißenen Tages
sich zuzueignen für gut befunden hatten, und man nöthigte die Heiligen, zunächst
nach einem andern Bezirke auszuwandern. Drei Jahre später aber, im Herbste
1839, zwang man sie durch einen förmlichen kleinen Krieg, zu welchem die
Miliz des Staates aufgeboten werden mußte, auf das gegenüberliegende Ufer
des Mississippi nach dem Staate Illinois abzuziehen.
Infolge der Grausamkeiten und Ungerechtigkeiten, die man sich bei dieser
Austreibung der Mormonen von Seilen der Behörden erlaubt hatte, sowie
in Betracht der tüchtigen Arbeitskräfte, die sie als Gesammtheit repräsentirten,
wurden sie in Illinois sehr zuvorkommend aufgenommen, und bald erwuchs
unter den Händen der aus allen Theilen der Welt und namentlich aus England
herzuströmenden Gläubigen an einer vorher wüsten Stelle die schone und große
Stadt Nauvoo.
Smith war ein Betrüger, daneben aber auch ein Mann von Talenten,
die er nicht blos in seinem Interesse gebrauchte. Er beherrschte diese zusammen¬
gewürfelte Menschenmasse vollkomne», wußte die Ehrgeizigen für sich zu ge¬
winnen oder niederzuhalten, verrieth eine bedeutende Gabe des Organisirens
und schuf mit seiner Sach- und Menschenkenntnis) manches Ersprießliche, so
daß die Sekte eine Gestalt gewann, welche man bei einem Vergleiche mit ihrer
Vergangenheit und dem Grunde, worauf das Ganze ruhte, nicht für möglich
hätte halten sollen. Die öde Sumpfgegend, wo man sich angesiedelt, wurde
entwässert und verwandelte sich in ein reichtragendes Mais- und Weizenfeld.
Ihr Aufblühen lockte eine Menge tüchtiger Handwerker und Kaufleute in die
Stadt. Eine beträchtliche Anzahl gemeinnütziger Anstalten, darunter sogar
eine Universität, wurde gegründet, eine wachsame Polizei und eine kleine, aber
tüchtige Armee zur Vertheidigung gegen das noch immer drohende Volk Mis¬
souris geschaffen, ein Rathhaus, eine Freimaurerhalle und ein großer Gasthof^
zu dessen Wirth der „große Jehova" in einer feierlichen Offenbarung seinen
Knecht „Mr. Smith junior" bestimmte, erhoben sich, und die Mormoneustadt
ward das Wunder des ganzen Mississippilhales.
Vor allem aber erregte der prachtvolle Tempel, den Smith von dem Zehnten
der Gläubigen erbauen ließ, allgemeines Staunen. Es war ein 140 Fuß
langes, 90 Fuß breites uno 70 Fuß l)ödes Gebäude, welches ein Thurm
von 170 Fuß überragte. Der Stil war ein wunderliches, aber nicht grade
kleinliches Gemisch griechischer, ägyptischer und florentinischer Architektur mit
eignen Einfällen, die sich aber in die Form göttlicher Befehle kleideten. Das
Material war ein weißer, marmorähnlicher Kalkstein. Die Kosten des Baus,
welcher seltsam zwar, aber immerhin imposant wie ein Symbol des Mormoniö-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |