Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

hands, welche namentlich bei seinen ersten Werken mit Recht den meisten An¬
stoß gab, war sein Eolorit. Von der Natur hier gewiß verhältnißmäßig we¬
niger begabt, ward ihm unter Cornelius Leitung auch keine Gelegenheit geboten,
sich darin zu vervollkommnen. Der Sinn für die Farbe ist in ihm Verhältniß-
mäßig wenig bedeutend und nicht vorzugsweise ausgebildet. Er ist in dem
technischen Material zu wenig bewandert, um alles, was er auszudrücken
wünscht, auch darstellen zu können.

So ist er denn bei der Zerstörung Jerusalems haeines Wissens dem ersten
größeren Bilde, das er in Oel malte) in manche Fehler und Irrthümer ver¬
fallen. Man sieht die Absicht, durch Farbe zu wirken, ohne daß sich Kaulbach
damals recht der Mittel, diese Wirkung zu erreichen, bewußt gewesen wäre.
Das Bild macht einen ziemlich starkfarbigen, aber unharmonischen Eindruck,
das Eolorit entbehrt des Ernstes uno erscheint bunt und bisweilen süß. Be¬
denkt man aber, wie damals überhaupt in München gemalt wurde, so muß
man doch gestehen, daß selbst in Bezug auf Malerei die Zerstörung Jerusa¬
lems noch mit zu dem Besten gehörte. In jedem Falle unterschied sie sich vor¬
theilhaft von andern Bildern durch eine mehr malerische Wirkung des Ganzen,
auch der einzelnen Gruppen, von der sonst damals in München wenig die
Rede war.

Ein etwas besseres Farbenverständniß zeigt sich in dem darauf folgenden
babylonischen Thurmbau. Wenn die Vorliebe für einzelne starke Farben es
auch noch zu keinem rechten Gesammteindruck kommen läßt, so sind doch ein¬
zelne Figuren vortrefflich colorire und nur in manchen die Farbentöne zu scharf
nuancirt. Ungefähr dasselbe gilt von der zum zweiten Mal auf der Wand
ausgeführten "Zerstörung Jerusalems". Sind hier die Farben sonst zum Theil
harmonischer zueinander gestimmt, auch namentlich in den Gewändern, so
wird die Wirkung wieder gestört durch das helle, kalte Licht und Eolorit der
Engelgruppc über den ausziehenden Christen und der Rachegeister über dem
ewigen Juden. Sonst hat die Farbe mehr Tiefe und Kraft, als auf dem
vorigen. Aber immer noch fehlt dem Ganzen Harmonie und Ernst der Farbe,
sie erscheinen noch bunt und süß; Gruppen und Figuren wirken verhältnißmäßig
zu viel durch die Linien; und doch ist die reine Wirkung der Gruppen und
Massen mehr in den Cartons vorhanden, da in den ausgeführten Bildern die
Licht- und Schattenmassen nicht mit der gehörigen Entschiedenheit voneinander
getrennt sind und da in den vordern Gruppen -- namentlich bei Babel --
die Gegensätze von Licht und Schatten nicht stark genug sind im Verhältniß
zu den ferneren Gruppen.

Ein sehr entschiedener Fortschritt zeigt sich dann in der Blüte.Griechen¬
lands, wo von jenen bunten, süßen Farben nicht mehr vie Rede ist. Sollte
hier etwas auszusetzen sein; so möchte man im Gegentheil Einiges von jenen


hands, welche namentlich bei seinen ersten Werken mit Recht den meisten An¬
stoß gab, war sein Eolorit. Von der Natur hier gewiß verhältnißmäßig we¬
niger begabt, ward ihm unter Cornelius Leitung auch keine Gelegenheit geboten,
sich darin zu vervollkommnen. Der Sinn für die Farbe ist in ihm Verhältniß-
mäßig wenig bedeutend und nicht vorzugsweise ausgebildet. Er ist in dem
technischen Material zu wenig bewandert, um alles, was er auszudrücken
wünscht, auch darstellen zu können.

So ist er denn bei der Zerstörung Jerusalems haeines Wissens dem ersten
größeren Bilde, das er in Oel malte) in manche Fehler und Irrthümer ver¬
fallen. Man sieht die Absicht, durch Farbe zu wirken, ohne daß sich Kaulbach
damals recht der Mittel, diese Wirkung zu erreichen, bewußt gewesen wäre.
Das Bild macht einen ziemlich starkfarbigen, aber unharmonischen Eindruck,
das Eolorit entbehrt des Ernstes uno erscheint bunt und bisweilen süß. Be¬
denkt man aber, wie damals überhaupt in München gemalt wurde, so muß
man doch gestehen, daß selbst in Bezug auf Malerei die Zerstörung Jerusa¬
lems noch mit zu dem Besten gehörte. In jedem Falle unterschied sie sich vor¬
theilhaft von andern Bildern durch eine mehr malerische Wirkung des Ganzen,
auch der einzelnen Gruppen, von der sonst damals in München wenig die
Rede war.

Ein etwas besseres Farbenverständniß zeigt sich in dem darauf folgenden
babylonischen Thurmbau. Wenn die Vorliebe für einzelne starke Farben es
auch noch zu keinem rechten Gesammteindruck kommen läßt, so sind doch ein¬
zelne Figuren vortrefflich colorire und nur in manchen die Farbentöne zu scharf
nuancirt. Ungefähr dasselbe gilt von der zum zweiten Mal auf der Wand
ausgeführten „Zerstörung Jerusalems". Sind hier die Farben sonst zum Theil
harmonischer zueinander gestimmt, auch namentlich in den Gewändern, so
wird die Wirkung wieder gestört durch das helle, kalte Licht und Eolorit der
Engelgruppc über den ausziehenden Christen und der Rachegeister über dem
ewigen Juden. Sonst hat die Farbe mehr Tiefe und Kraft, als auf dem
vorigen. Aber immer noch fehlt dem Ganzen Harmonie und Ernst der Farbe,
sie erscheinen noch bunt und süß; Gruppen und Figuren wirken verhältnißmäßig
zu viel durch die Linien; und doch ist die reine Wirkung der Gruppen und
Massen mehr in den Cartons vorhanden, da in den ausgeführten Bildern die
Licht- und Schattenmassen nicht mit der gehörigen Entschiedenheit voneinander
getrennt sind und da in den vordern Gruppen — namentlich bei Babel —
die Gegensätze von Licht und Schatten nicht stark genug sind im Verhältniß
zu den ferneren Gruppen.

Ein sehr entschiedener Fortschritt zeigt sich dann in der Blüte.Griechen¬
lands, wo von jenen bunten, süßen Farben nicht mehr vie Rede ist. Sollte
hier etwas auszusetzen sein; so möchte man im Gegentheil Einiges von jenen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0020" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/99406"/>
          <p xml:id="ID_42" prev="#ID_41"> hands, welche namentlich bei seinen ersten Werken mit Recht den meisten An¬<lb/>
stoß gab, war sein Eolorit. Von der Natur hier gewiß verhältnißmäßig we¬<lb/>
niger begabt, ward ihm unter Cornelius Leitung auch keine Gelegenheit geboten,<lb/>
sich darin zu vervollkommnen. Der Sinn für die Farbe ist in ihm Verhältniß-<lb/>
mäßig wenig bedeutend und nicht vorzugsweise ausgebildet. Er ist in dem<lb/>
technischen Material zu wenig bewandert, um alles, was er auszudrücken<lb/>
wünscht, auch darstellen zu können.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_43"> So ist er denn bei der Zerstörung Jerusalems haeines Wissens dem ersten<lb/>
größeren Bilde, das er in Oel malte) in manche Fehler und Irrthümer ver¬<lb/>
fallen. Man sieht die Absicht, durch Farbe zu wirken, ohne daß sich Kaulbach<lb/>
damals recht der Mittel, diese Wirkung zu erreichen, bewußt gewesen wäre.<lb/>
Das Bild macht einen ziemlich starkfarbigen, aber unharmonischen Eindruck,<lb/>
das Eolorit entbehrt des Ernstes uno erscheint bunt und bisweilen süß. Be¬<lb/>
denkt man aber, wie damals überhaupt in München gemalt wurde, so muß<lb/>
man doch gestehen, daß selbst in Bezug auf Malerei die Zerstörung Jerusa¬<lb/>
lems noch mit zu dem Besten gehörte. In jedem Falle unterschied sie sich vor¬<lb/>
theilhaft von andern Bildern durch eine mehr malerische Wirkung des Ganzen,<lb/>
auch der einzelnen Gruppen, von der sonst damals in München wenig die<lb/>
Rede war.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_44"> Ein etwas besseres Farbenverständniß zeigt sich in dem darauf folgenden<lb/>
babylonischen Thurmbau. Wenn die Vorliebe für einzelne starke Farben es<lb/>
auch noch zu keinem rechten Gesammteindruck kommen läßt, so sind doch ein¬<lb/>
zelne Figuren vortrefflich colorire und nur in manchen die Farbentöne zu scharf<lb/>
nuancirt. Ungefähr dasselbe gilt von der zum zweiten Mal auf der Wand<lb/>
ausgeführten &#x201E;Zerstörung Jerusalems". Sind hier die Farben sonst zum Theil<lb/>
harmonischer zueinander gestimmt, auch namentlich in den Gewändern, so<lb/>
wird die Wirkung wieder gestört durch das helle, kalte Licht und Eolorit der<lb/>
Engelgruppc über den ausziehenden Christen und der Rachegeister über dem<lb/>
ewigen Juden. Sonst hat die Farbe mehr Tiefe und Kraft, als auf dem<lb/>
vorigen. Aber immer noch fehlt dem Ganzen Harmonie und Ernst der Farbe,<lb/>
sie erscheinen noch bunt und süß; Gruppen und Figuren wirken verhältnißmäßig<lb/>
zu viel durch die Linien; und doch ist die reine Wirkung der Gruppen und<lb/>
Massen mehr in den Cartons vorhanden, da in den ausgeführten Bildern die<lb/>
Licht- und Schattenmassen nicht mit der gehörigen Entschiedenheit voneinander<lb/>
getrennt sind und da in den vordern Gruppen &#x2014; namentlich bei Babel &#x2014;<lb/>
die Gegensätze von Licht und Schatten nicht stark genug sind im Verhältniß<lb/>
zu den ferneren Gruppen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_45" next="#ID_46"> Ein sehr entschiedener Fortschritt zeigt sich dann in der Blüte.Griechen¬<lb/>
lands, wo von jenen bunten, süßen Farben nicht mehr vie Rede ist. Sollte<lb/>
hier etwas auszusetzen sein; so möchte man im Gegentheil Einiges von jenen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0020] hands, welche namentlich bei seinen ersten Werken mit Recht den meisten An¬ stoß gab, war sein Eolorit. Von der Natur hier gewiß verhältnißmäßig we¬ niger begabt, ward ihm unter Cornelius Leitung auch keine Gelegenheit geboten, sich darin zu vervollkommnen. Der Sinn für die Farbe ist in ihm Verhältniß- mäßig wenig bedeutend und nicht vorzugsweise ausgebildet. Er ist in dem technischen Material zu wenig bewandert, um alles, was er auszudrücken wünscht, auch darstellen zu können. So ist er denn bei der Zerstörung Jerusalems haeines Wissens dem ersten größeren Bilde, das er in Oel malte) in manche Fehler und Irrthümer ver¬ fallen. Man sieht die Absicht, durch Farbe zu wirken, ohne daß sich Kaulbach damals recht der Mittel, diese Wirkung zu erreichen, bewußt gewesen wäre. Das Bild macht einen ziemlich starkfarbigen, aber unharmonischen Eindruck, das Eolorit entbehrt des Ernstes uno erscheint bunt und bisweilen süß. Be¬ denkt man aber, wie damals überhaupt in München gemalt wurde, so muß man doch gestehen, daß selbst in Bezug auf Malerei die Zerstörung Jerusa¬ lems noch mit zu dem Besten gehörte. In jedem Falle unterschied sie sich vor¬ theilhaft von andern Bildern durch eine mehr malerische Wirkung des Ganzen, auch der einzelnen Gruppen, von der sonst damals in München wenig die Rede war. Ein etwas besseres Farbenverständniß zeigt sich in dem darauf folgenden babylonischen Thurmbau. Wenn die Vorliebe für einzelne starke Farben es auch noch zu keinem rechten Gesammteindruck kommen läßt, so sind doch ein¬ zelne Figuren vortrefflich colorire und nur in manchen die Farbentöne zu scharf nuancirt. Ungefähr dasselbe gilt von der zum zweiten Mal auf der Wand ausgeführten „Zerstörung Jerusalems". Sind hier die Farben sonst zum Theil harmonischer zueinander gestimmt, auch namentlich in den Gewändern, so wird die Wirkung wieder gestört durch das helle, kalte Licht und Eolorit der Engelgruppc über den ausziehenden Christen und der Rachegeister über dem ewigen Juden. Sonst hat die Farbe mehr Tiefe und Kraft, als auf dem vorigen. Aber immer noch fehlt dem Ganzen Harmonie und Ernst der Farbe, sie erscheinen noch bunt und süß; Gruppen und Figuren wirken verhältnißmäßig zu viel durch die Linien; und doch ist die reine Wirkung der Gruppen und Massen mehr in den Cartons vorhanden, da in den ausgeführten Bildern die Licht- und Schattenmassen nicht mit der gehörigen Entschiedenheit voneinander getrennt sind und da in den vordern Gruppen — namentlich bei Babel — die Gegensätze von Licht und Schatten nicht stark genug sind im Verhältniß zu den ferneren Gruppen. Ein sehr entschiedener Fortschritt zeigt sich dann in der Blüte.Griechen¬ lands, wo von jenen bunten, süßen Farben nicht mehr vie Rede ist. Sollte hier etwas auszusetzen sein; so möchte man im Gegentheil Einiges von jenen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/20
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/20>, abgerufen am 01.07.2024.