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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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Farben zurückwünschen, da das durchweg ernste und gemäßigte Colorit nur zu
sehr der Arische entbehrt. Ein grauer trüber Ton geht durch, wir ersehnen
größere Heiterkeit und -- dem Gegenstand angemessen -- das Colorit an
Fleisch und Gewändern glänzender.

Ist hier Kaulbach schon weiter vorgeschritten, so hat er durch ^seine
Farbenskizze zur Hunnenschlacht, die seit längerer Zeit im neuen Museum zu
sehen ist, alle Erwartungen übertroffen. Während man allgemein der Ansicht
war, daß die Hunnenschlacht sich gemalt nicht wohl ausnehmen und immer
besser im Carton wirken würde, muß man nun beschämt bekennen, daß man
eine solche Wirkung, wie die Farbenskizze zeigt, nicht gehofft hätte. So sehr
unterstützt das bleiche, ungewisse Colorit und die nächtliche Stimmung die schon
so wundervolle Wirkung des Cartons. ,

Ueberblicken wir noch einmal Kaulbach in seinem ganzen Schaffen, so
finden wir bei einzelnen Schwächen eine Fülle großer Eigenschaften. Während
jene immermehr zurücktreten, sehen wir diese stets glänzender sich entfalten;
selbst da, wo die Natur ihm ein geringres Maß der Begabung verliehen,
sehen wir diesen rastlosen Geist unermüdlich kämpfen, bemüht die Mängel
so auszugleichen, so daß wir sie kaum gewahr werden, und von neuem staunen,
da er immer noch mehr vermag, als wir ihm zutrauten.

Dieses Streben nach allseitiger Ausbildung verdient umsomehr unsre
Bewundrung, da wir sonst grade bei bedeutenden Künstlern finden, daß sie
nur einer Seite, nach der sie ihre Anlage besonders hintreibt, alle Kraft und
alles Streben zuwenden, manche andre vernachlässigend; für deren Schwäche
wir uns dann nur an der Stärke der andren entschädigen können. Auch
>e"e Fehler, welche >'" Kaulbachs vielseitiger Anlage ihren Grund haben,
sehen wir gleichfalls immermehr zurücktreten. Anfangs in den reichen Schatz
seiner Anlage oft nach Laune hineingreifend und ohne Wahl hierhin und dort¬
en spendend, scheint Kaulbach bei dobrar geistiger Reife sparsamer haus¬
zuhalten, passender Stelle die rechte Gabe austheilend; und so haben wir
vielleicht "och schönsten und reifsten Früchte seines Genius zu erwarten.

Sollte aber die Kritik hoffen dürfen, auf die Entwicklung eines so selbst-
ständigen Geistes, wie Kaulbach, überhaupt irgendeinen Einfluß zu üben, so
mochte ich sie, wenn es ihr wirklich um das Heil der Kunst und nicht um ihr
eignes zu thun ist, daran erinnern, daß sie mehr wirkt, wenn sie ihren Tadel
bescheiden ausspricht, als wenn sie ihn in vornehm überlegner Weise als Gesetz
d'edirt. Dem zu scharfen Tadel gegenüber erscheint der eigne Fehler immer ge¬
ring oder verschwindet gänzlich, namentlich bei einem sich seiner Kraft bewußten
Geiste; und so wird der Zweck der Kritik verfehlt.

Ferner möchte ich die Kritik darauf aufmerksam machen, daß ein Künstler
-n seiner Weise groß sein kann, ohne die großen Eigenschaften andrer Meister


Farben zurückwünschen, da das durchweg ernste und gemäßigte Colorit nur zu
sehr der Arische entbehrt. Ein grauer trüber Ton geht durch, wir ersehnen
größere Heiterkeit und — dem Gegenstand angemessen — das Colorit an
Fleisch und Gewändern glänzender.

Ist hier Kaulbach schon weiter vorgeschritten, so hat er durch ^seine
Farbenskizze zur Hunnenschlacht, die seit längerer Zeit im neuen Museum zu
sehen ist, alle Erwartungen übertroffen. Während man allgemein der Ansicht
war, daß die Hunnenschlacht sich gemalt nicht wohl ausnehmen und immer
besser im Carton wirken würde, muß man nun beschämt bekennen, daß man
eine solche Wirkung, wie die Farbenskizze zeigt, nicht gehofft hätte. So sehr
unterstützt das bleiche, ungewisse Colorit und die nächtliche Stimmung die schon
so wundervolle Wirkung des Cartons. ,

Ueberblicken wir noch einmal Kaulbach in seinem ganzen Schaffen, so
finden wir bei einzelnen Schwächen eine Fülle großer Eigenschaften. Während
jene immermehr zurücktreten, sehen wir diese stets glänzender sich entfalten;
selbst da, wo die Natur ihm ein geringres Maß der Begabung verliehen,
sehen wir diesen rastlosen Geist unermüdlich kämpfen, bemüht die Mängel
so auszugleichen, so daß wir sie kaum gewahr werden, und von neuem staunen,
da er immer noch mehr vermag, als wir ihm zutrauten.

Dieses Streben nach allseitiger Ausbildung verdient umsomehr unsre
Bewundrung, da wir sonst grade bei bedeutenden Künstlern finden, daß sie
nur einer Seite, nach der sie ihre Anlage besonders hintreibt, alle Kraft und
alles Streben zuwenden, manche andre vernachlässigend; für deren Schwäche
wir uns dann nur an der Stärke der andren entschädigen können. Auch
>e»e Fehler, welche >'" Kaulbachs vielseitiger Anlage ihren Grund haben,
sehen wir gleichfalls immermehr zurücktreten. Anfangs in den reichen Schatz
seiner Anlage oft nach Laune hineingreifend und ohne Wahl hierhin und dort¬
en spendend, scheint Kaulbach bei dobrar geistiger Reife sparsamer haus¬
zuhalten, passender Stelle die rechte Gabe austheilend; und so haben wir
vielleicht „och schönsten und reifsten Früchte seines Genius zu erwarten.

Sollte aber die Kritik hoffen dürfen, auf die Entwicklung eines so selbst-
ständigen Geistes, wie Kaulbach, überhaupt irgendeinen Einfluß zu üben, so
mochte ich sie, wenn es ihr wirklich um das Heil der Kunst und nicht um ihr
eignes zu thun ist, daran erinnern, daß sie mehr wirkt, wenn sie ihren Tadel
bescheiden ausspricht, als wenn sie ihn in vornehm überlegner Weise als Gesetz
d'edirt. Dem zu scharfen Tadel gegenüber erscheint der eigne Fehler immer ge¬
ring oder verschwindet gänzlich, namentlich bei einem sich seiner Kraft bewußten
Geiste; und so wird der Zweck der Kritik verfehlt.

Ferner möchte ich die Kritik darauf aufmerksam machen, daß ein Künstler
-n seiner Weise groß sein kann, ohne die großen Eigenschaften andrer Meister


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[0021] Farben zurückwünschen, da das durchweg ernste und gemäßigte Colorit nur zu sehr der Arische entbehrt. Ein grauer trüber Ton geht durch, wir ersehnen größere Heiterkeit und — dem Gegenstand angemessen — das Colorit an Fleisch und Gewändern glänzender. Ist hier Kaulbach schon weiter vorgeschritten, so hat er durch ^seine Farbenskizze zur Hunnenschlacht, die seit längerer Zeit im neuen Museum zu sehen ist, alle Erwartungen übertroffen. Während man allgemein der Ansicht war, daß die Hunnenschlacht sich gemalt nicht wohl ausnehmen und immer besser im Carton wirken würde, muß man nun beschämt bekennen, daß man eine solche Wirkung, wie die Farbenskizze zeigt, nicht gehofft hätte. So sehr unterstützt das bleiche, ungewisse Colorit und die nächtliche Stimmung die schon so wundervolle Wirkung des Cartons. , Ueberblicken wir noch einmal Kaulbach in seinem ganzen Schaffen, so finden wir bei einzelnen Schwächen eine Fülle großer Eigenschaften. Während jene immermehr zurücktreten, sehen wir diese stets glänzender sich entfalten; selbst da, wo die Natur ihm ein geringres Maß der Begabung verliehen, sehen wir diesen rastlosen Geist unermüdlich kämpfen, bemüht die Mängel so auszugleichen, so daß wir sie kaum gewahr werden, und von neuem staunen, da er immer noch mehr vermag, als wir ihm zutrauten. Dieses Streben nach allseitiger Ausbildung verdient umsomehr unsre Bewundrung, da wir sonst grade bei bedeutenden Künstlern finden, daß sie nur einer Seite, nach der sie ihre Anlage besonders hintreibt, alle Kraft und alles Streben zuwenden, manche andre vernachlässigend; für deren Schwäche wir uns dann nur an der Stärke der andren entschädigen können. Auch >e»e Fehler, welche >'" Kaulbachs vielseitiger Anlage ihren Grund haben, sehen wir gleichfalls immermehr zurücktreten. Anfangs in den reichen Schatz seiner Anlage oft nach Laune hineingreifend und ohne Wahl hierhin und dort¬ en spendend, scheint Kaulbach bei dobrar geistiger Reife sparsamer haus¬ zuhalten, passender Stelle die rechte Gabe austheilend; und so haben wir vielleicht „och schönsten und reifsten Früchte seines Genius zu erwarten. Sollte aber die Kritik hoffen dürfen, auf die Entwicklung eines so selbst- ständigen Geistes, wie Kaulbach, überhaupt irgendeinen Einfluß zu üben, so mochte ich sie, wenn es ihr wirklich um das Heil der Kunst und nicht um ihr eignes zu thun ist, daran erinnern, daß sie mehr wirkt, wenn sie ihren Tadel bescheiden ausspricht, als wenn sie ihn in vornehm überlegner Weise als Gesetz d'edirt. Dem zu scharfen Tadel gegenüber erscheint der eigne Fehler immer ge¬ ring oder verschwindet gänzlich, namentlich bei einem sich seiner Kraft bewußten Geiste; und so wird der Zweck der Kritik verfehlt. Ferner möchte ich die Kritik darauf aufmerksam machen, daß ein Künstler -n seiner Weise groß sein kann, ohne die großen Eigenschaften andrer Meister

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/21>, abgerufen am 01.07.2024.