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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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liebe Darstellung des Inhalts von anderer Hand gegeben worden. Indem ich mir
vorbehalte, bei anderer Gelegenheit ans daS Detail derselben einzugehen, er¬
innere ich hier nur, daß die Zerstörung Jerusalems, hier als drittes der Reihe
miederholt, das älteste Bild ist, und daß grade bei diesem die erwähnten Be¬
denken <im stärksten hervortreten.
'

Außer diesenCyklusbildern liegt uns von den größern Kompositionen fürs
Museum noch die Bekehrung Wittekinds durch Karl den Großen vor, die in
einem andern Raum des Museums ausgeführt werden wird. Zu unsrer Freude
sehen wir, daß das Tendenziöse auch hier zwtir vorhanden ist, daß eS aber
vollkommen beherrscht wird vom P lastische n; und daß grade dies letztere bei
dem höchst bedeutenden Stoff zum Herrlichsten gehört, was Kaulbach geschaffen.
Bei dein Bestreben, uns den Gegenstand in allen seinen Motiven und Be¬
ziehungen zu versinnlichen, geht doch alles in der Haupthandlung auf, trägt
sie, veranschaulicht und erhöht ihre Bedeutung. Ich sagte, daß ich den Stoff
für bedeutend halte; er würde vielleicht uicht so erscheinen, hätte ein anderer
Künstler ihn zu behandeln unternommen; ich erinnere nur daran, was für
langweilige Staatsactionen andere Maler aus dergleichen Stoffen gemacht
haben. Daran erkennt man eben, was ein Genie vermag.

Wir wenden uns zu Kaulbachs übrigen Arbeiten im Treppenhause
deö neuen Museums. -- In den pilasterartigen Zwischengliedern, welche Bezug
auf die Culturgeschichte nehmen und deren weitläufiger steriler Stoff mit außer¬
ordentlicher Gewandtheit geordnet und gestaltet ist, haben einzelne Figuren ihren
Platz gefunden, die von einer neuen bedeutenden Seite Kaulbachs glänzendes
Zeugniß geben. Von den sechs Figuren auf der bereits fertigen Seite: die
Sage und Geschichte, Isis und Venus, Moses und Solon möchte ich der Sage
den ersten Preis zuerkennen. Sie gehört zu dem Ergreifendsten und Originell¬
sten, was Kaulbach überhaupt geschaffen. Ihr gleich sind sämmtliche im Carton
vollendete Figuren für die andre Seite, Karl der Große, Italia und die Wissen¬
schaft, vie bei gleicher Tiefe der Conception von gleicher Klarheit und Präg¬
nanz deö Ausdrucks sind, sowol die Sage in ihrer träumerischen Dunkelheit,
wie die Wissenschaft in ihrer lichtverbreitenden Helle, Karl der Große als der
sich seiner Mission bewußte Kaiser, und Italia, die strenge geistliche Beherr¬
scherin der Welt: während ein Genius, der Repräsentant der Kirche, ihr die
päpstliche Krone begeistert darreicht, wendet sich der andere Genius, der des,
nider Roms, mit dem Fascesbündel unwillig von ihr ab, denn er erkennt diese
Italia nicht mehr als die seinige. Und unten in der Arabeske sitzt Christus
auf seinem Kreuz, tieftrauernd; denn daS Werk ist nicht so vollendet, wie ers
gewollt und begonnen. Bei diesen Figuren hatte Kaulbach volles Recht, die
Allegorie anzuwenden, er hat es in vortrefflichster Weise gethan, indem er sie
in die Nebenfiguren oder Arabesken verlegte, während der Hauptfigur jedes


liebe Darstellung des Inhalts von anderer Hand gegeben worden. Indem ich mir
vorbehalte, bei anderer Gelegenheit ans daS Detail derselben einzugehen, er¬
innere ich hier nur, daß die Zerstörung Jerusalems, hier als drittes der Reihe
miederholt, das älteste Bild ist, und daß grade bei diesem die erwähnten Be¬
denken <im stärksten hervortreten.
'

Außer diesenCyklusbildern liegt uns von den größern Kompositionen fürs
Museum noch die Bekehrung Wittekinds durch Karl den Großen vor, die in
einem andern Raum des Museums ausgeführt werden wird. Zu unsrer Freude
sehen wir, daß das Tendenziöse auch hier zwtir vorhanden ist, daß eS aber
vollkommen beherrscht wird vom P lastische n; und daß grade dies letztere bei
dem höchst bedeutenden Stoff zum Herrlichsten gehört, was Kaulbach geschaffen.
Bei dein Bestreben, uns den Gegenstand in allen seinen Motiven und Be¬
ziehungen zu versinnlichen, geht doch alles in der Haupthandlung auf, trägt
sie, veranschaulicht und erhöht ihre Bedeutung. Ich sagte, daß ich den Stoff
für bedeutend halte; er würde vielleicht uicht so erscheinen, hätte ein anderer
Künstler ihn zu behandeln unternommen; ich erinnere nur daran, was für
langweilige Staatsactionen andere Maler aus dergleichen Stoffen gemacht
haben. Daran erkennt man eben, was ein Genie vermag.

Wir wenden uns zu Kaulbachs übrigen Arbeiten im Treppenhause
deö neuen Museums. — In den pilasterartigen Zwischengliedern, welche Bezug
auf die Culturgeschichte nehmen und deren weitläufiger steriler Stoff mit außer¬
ordentlicher Gewandtheit geordnet und gestaltet ist, haben einzelne Figuren ihren
Platz gefunden, die von einer neuen bedeutenden Seite Kaulbachs glänzendes
Zeugniß geben. Von den sechs Figuren auf der bereits fertigen Seite: die
Sage und Geschichte, Isis und Venus, Moses und Solon möchte ich der Sage
den ersten Preis zuerkennen. Sie gehört zu dem Ergreifendsten und Originell¬
sten, was Kaulbach überhaupt geschaffen. Ihr gleich sind sämmtliche im Carton
vollendete Figuren für die andre Seite, Karl der Große, Italia und die Wissen¬
schaft, vie bei gleicher Tiefe der Conception von gleicher Klarheit und Präg¬
nanz deö Ausdrucks sind, sowol die Sage in ihrer träumerischen Dunkelheit,
wie die Wissenschaft in ihrer lichtverbreitenden Helle, Karl der Große als der
sich seiner Mission bewußte Kaiser, und Italia, die strenge geistliche Beherr¬
scherin der Welt: während ein Genius, der Repräsentant der Kirche, ihr die
päpstliche Krone begeistert darreicht, wendet sich der andere Genius, der des,
nider Roms, mit dem Fascesbündel unwillig von ihr ab, denn er erkennt diese
Italia nicht mehr als die seinige. Und unten in der Arabeske sitzt Christus
auf seinem Kreuz, tieftrauernd; denn daS Werk ist nicht so vollendet, wie ers
gewollt und begonnen. Bei diesen Figuren hatte Kaulbach volles Recht, die
Allegorie anzuwenden, er hat es in vortrefflichster Weise gethan, indem er sie
in die Nebenfiguren oder Arabesken verlegte, während der Hauptfigur jedes


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/13>, abgerufen am 01.07.2024.