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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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hat, sagt er, das Beispiel der Hausthiere stets hervorgehoben, um es wahr¬
scheinlich zu machen, daß die Menschenracen nur Spielarten einer Grundform
seien. Aber es passen zu Hausthieren nur solche Geschöpfe, welche durch große
Leichtigkeit im Bilden von Spielarten sich den menschlichen Bedürfnissen gemäß
züchten und verändern lassen; andre Thiere dagegen, wie der Wolf, der
amerikanische Löwe zeigen unter den verschiedensten klimatischen Einflüssen keine
erheblichen Varietätenbildungen. Welchen von beiden gleicht nun der Mensch?
In Paraguay, erzählen Rengger und Roulin, wurden seit 300 Jahren Haus¬
thiere, Neger und Europäer eingeführt; unter ersteren haben sich die Katzen,
Schafe, Schweine sehr, das Rindvieh weniger, noch weniger die Pferde und
Hunde, die Menschen aber gar nicht verändert. Während bei den Thieren
die Umänderungen innerhalb weniger Generationen vollendet sind, haben sich
nebeneinanderwohnende Menschenracen in Amerika in Jahrhunderten, in Afrika
in Jahrtausenden nicht mehr verändert, als es noch heute bei jedem einzelnen
in fremde Zonen auswandernden Individuum geschieht.

Ueber diesen Punkt hat schon Burmeister in seiner Geschichte der Schöpfung
einige so schlagende Bemerkungen gemacht, daß wir sie der Vogtschen Argu¬
mentation noch beifügen müssen. Der schöne Bergstier der Alpen, sagt er,
behält nur dort seinen eigenthümlichen Charakter; das großhornige Rind
Ungarns verändert sich, wenn es die grasreichen Weiden seiner Heimat ver¬
läßt; die feinwolligen spanischen Schafe kehren nach und nach in die gröbere
Stammart zurück, wenn sie nicht durch neue Ankömmlinge mit ihrer ursprüng¬
lichen Reinheit von Zeit zu Zeit wieder aufgefrischt werden. Anders aber ver¬
hält sich das Menschengeschlecht; wenn in der Zeit unsrer historischen Wahr¬
nehmungen noch nie ein Jude mit markirter Individualität den Typus eines
echten Deutschen angenommen hat; wenn niemals Europäer, die nach Afrika oder
Amerika auswanderten, dort im Laufe von Jahrhunderten zu Negern oder Ca-
raiben wurden; warum sollten die Nachkommen Adams, die doch sicher einen
gewissen eigenthümlichen Familientypus besitzen mußten, sich zu Negern, Papuas,
Caraiben, Malayen oder Mongolen umgeändert haben? Aber auch die Varie¬
täten der Hausthiere, fährt er sort, seien keineswegs gesetzlos und insonderheit
werde die Färbung der Haare nur durch eine Auflösung der Mischung mehrer
Grundtöne so mannigfaltig verändert. "Bei den Säugethieren ist in der Regel
jedes einzelne Haar an seinen verschiedenen Stellen mit den verschiedenen
Farben gezeichnet, erscheint daher absatzweise hell und dunkel; weiß und schwarz,
wenn das Thier grau ist; braun und gelb, wenn es eine graue Olivensarbe
hat; endlich selbst schwarz, weiß und gelb, oder noch mehrfarbiger. Diese
Mischung ist namentlich die Grundsarve der wilden Katzen und kommt eben¬
so noch bei allen zahmen von gelbgrauem Grunde mit schwarzbraunen Streifen
vor; allein sehr viele Individuen sind theils ganz schwarz geworden, theils


hat, sagt er, das Beispiel der Hausthiere stets hervorgehoben, um es wahr¬
scheinlich zu machen, daß die Menschenracen nur Spielarten einer Grundform
seien. Aber es passen zu Hausthieren nur solche Geschöpfe, welche durch große
Leichtigkeit im Bilden von Spielarten sich den menschlichen Bedürfnissen gemäß
züchten und verändern lassen; andre Thiere dagegen, wie der Wolf, der
amerikanische Löwe zeigen unter den verschiedensten klimatischen Einflüssen keine
erheblichen Varietätenbildungen. Welchen von beiden gleicht nun der Mensch?
In Paraguay, erzählen Rengger und Roulin, wurden seit 300 Jahren Haus¬
thiere, Neger und Europäer eingeführt; unter ersteren haben sich die Katzen,
Schafe, Schweine sehr, das Rindvieh weniger, noch weniger die Pferde und
Hunde, die Menschen aber gar nicht verändert. Während bei den Thieren
die Umänderungen innerhalb weniger Generationen vollendet sind, haben sich
nebeneinanderwohnende Menschenracen in Amerika in Jahrhunderten, in Afrika
in Jahrtausenden nicht mehr verändert, als es noch heute bei jedem einzelnen
in fremde Zonen auswandernden Individuum geschieht.

Ueber diesen Punkt hat schon Burmeister in seiner Geschichte der Schöpfung
einige so schlagende Bemerkungen gemacht, daß wir sie der Vogtschen Argu¬
mentation noch beifügen müssen. Der schöne Bergstier der Alpen, sagt er,
behält nur dort seinen eigenthümlichen Charakter; das großhornige Rind
Ungarns verändert sich, wenn es die grasreichen Weiden seiner Heimat ver¬
läßt; die feinwolligen spanischen Schafe kehren nach und nach in die gröbere
Stammart zurück, wenn sie nicht durch neue Ankömmlinge mit ihrer ursprüng¬
lichen Reinheit von Zeit zu Zeit wieder aufgefrischt werden. Anders aber ver¬
hält sich das Menschengeschlecht; wenn in der Zeit unsrer historischen Wahr¬
nehmungen noch nie ein Jude mit markirter Individualität den Typus eines
echten Deutschen angenommen hat; wenn niemals Europäer, die nach Afrika oder
Amerika auswanderten, dort im Laufe von Jahrhunderten zu Negern oder Ca-
raiben wurden; warum sollten die Nachkommen Adams, die doch sicher einen
gewissen eigenthümlichen Familientypus besitzen mußten, sich zu Negern, Papuas,
Caraiben, Malayen oder Mongolen umgeändert haben? Aber auch die Varie¬
täten der Hausthiere, fährt er sort, seien keineswegs gesetzlos und insonderheit
werde die Färbung der Haare nur durch eine Auflösung der Mischung mehrer
Grundtöne so mannigfaltig verändert. „Bei den Säugethieren ist in der Regel
jedes einzelne Haar an seinen verschiedenen Stellen mit den verschiedenen
Farben gezeichnet, erscheint daher absatzweise hell und dunkel; weiß und schwarz,
wenn das Thier grau ist; braun und gelb, wenn es eine graue Olivensarbe
hat; endlich selbst schwarz, weiß und gelb, oder noch mehrfarbiger. Diese
Mischung ist namentlich die Grundsarve der wilden Katzen und kommt eben¬
so noch bei allen zahmen von gelbgrauem Grunde mit schwarzbraunen Streifen
vor; allein sehr viele Individuen sind theils ganz schwarz geworden, theils


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[0108] hat, sagt er, das Beispiel der Hausthiere stets hervorgehoben, um es wahr¬ scheinlich zu machen, daß die Menschenracen nur Spielarten einer Grundform seien. Aber es passen zu Hausthieren nur solche Geschöpfe, welche durch große Leichtigkeit im Bilden von Spielarten sich den menschlichen Bedürfnissen gemäß züchten und verändern lassen; andre Thiere dagegen, wie der Wolf, der amerikanische Löwe zeigen unter den verschiedensten klimatischen Einflüssen keine erheblichen Varietätenbildungen. Welchen von beiden gleicht nun der Mensch? In Paraguay, erzählen Rengger und Roulin, wurden seit 300 Jahren Haus¬ thiere, Neger und Europäer eingeführt; unter ersteren haben sich die Katzen, Schafe, Schweine sehr, das Rindvieh weniger, noch weniger die Pferde und Hunde, die Menschen aber gar nicht verändert. Während bei den Thieren die Umänderungen innerhalb weniger Generationen vollendet sind, haben sich nebeneinanderwohnende Menschenracen in Amerika in Jahrhunderten, in Afrika in Jahrtausenden nicht mehr verändert, als es noch heute bei jedem einzelnen in fremde Zonen auswandernden Individuum geschieht. Ueber diesen Punkt hat schon Burmeister in seiner Geschichte der Schöpfung einige so schlagende Bemerkungen gemacht, daß wir sie der Vogtschen Argu¬ mentation noch beifügen müssen. Der schöne Bergstier der Alpen, sagt er, behält nur dort seinen eigenthümlichen Charakter; das großhornige Rind Ungarns verändert sich, wenn es die grasreichen Weiden seiner Heimat ver¬ läßt; die feinwolligen spanischen Schafe kehren nach und nach in die gröbere Stammart zurück, wenn sie nicht durch neue Ankömmlinge mit ihrer ursprüng¬ lichen Reinheit von Zeit zu Zeit wieder aufgefrischt werden. Anders aber ver¬ hält sich das Menschengeschlecht; wenn in der Zeit unsrer historischen Wahr¬ nehmungen noch nie ein Jude mit markirter Individualität den Typus eines echten Deutschen angenommen hat; wenn niemals Europäer, die nach Afrika oder Amerika auswanderten, dort im Laufe von Jahrhunderten zu Negern oder Ca- raiben wurden; warum sollten die Nachkommen Adams, die doch sicher einen gewissen eigenthümlichen Familientypus besitzen mußten, sich zu Negern, Papuas, Caraiben, Malayen oder Mongolen umgeändert haben? Aber auch die Varie¬ täten der Hausthiere, fährt er sort, seien keineswegs gesetzlos und insonderheit werde die Färbung der Haare nur durch eine Auflösung der Mischung mehrer Grundtöne so mannigfaltig verändert. „Bei den Säugethieren ist in der Regel jedes einzelne Haar an seinen verschiedenen Stellen mit den verschiedenen Farben gezeichnet, erscheint daher absatzweise hell und dunkel; weiß und schwarz, wenn das Thier grau ist; braun und gelb, wenn es eine graue Olivensarbe hat; endlich selbst schwarz, weiß und gelb, oder noch mehrfarbiger. Diese Mischung ist namentlich die Grundsarve der wilden Katzen und kommt eben¬ so noch bei allen zahmen von gelbgrauem Grunde mit schwarzbraunen Streifen vor; allein sehr viele Individuen sind theils ganz schwarz geworden, theils

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/108>, abgerufen am 22.07.2024.