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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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Schweigen endlich mit seinem bekannten Ausdruck höchsten Zornes in den
Augen und Mundwinkeln zu Fürst Johann Liechtenstein gesagt: "jetzt seit ich ihn
gesehen habe, kann ich ihn gar nicht mehr leiden." Wenigstens deutet mancher
Moment aus den letzten Tagen napoleonischer Herrschaft darauf hin, daß der
"Schwiegervater", an den dann gern appellirt ward, seinem Eidam die erste
Bekanntschaft vom i. December 1803 nie vergessen hat." -- Indeß so ein
Gefühl ist. zwar nicht die höchste Marime des Handelns, aber doch immer noch
zweckmäßiger, als die Stumpfsinnigkeit, die jede Kränkung schnell verschmerzt.
Zudem hatte Oestreich vor den übrigen deutschen Staaten den großen Vorzug
einer auf natürlichem Boden beruhenden Eristenz, und was man auch gegen
seine damalige Politik vom Standpunkt der Vernunft und der Moral lRastatter
Gesandtenmord!) einwenden mag, sie war noch immer die am wenigsten
schimpfliche.

Wir wollen zur dritten Großmacht übergehen, zu Baiern. "Für die Un¬
abhängigkeit des deutschen Reichs" hatte Napoleon die Waffen ergriffen. Nach
der Bereinigung der bairischen Armee mit der französischen erließ Napoleon an
die erstere eine Proclamation. "Ich habe mich an die Spitze meines Heeres
gestellt, um euer Vaterland zu befreien; denn das Haus Oestreich will eure
Unabhängigkeit vernichten . . . Ihr werdet dem Beispiel eurer Vorfahren fol¬
gen, die sich stets die Unabhängigkeit und politische Eristenz bewahrten, welche
die ersten Güter der Nationen sind. Ich kenne eure Tapferkeit und schmeichle
mir, nach der ersten Schlacht eurem Fürsten und meinem Volke sagen zu kön¬
nen, daß ihr würdig seid, in den Reihen der großen Armee zu kämpfen." --
Der bairische General Deroy erinnerte das Heer an die üble Behandlung und
an die Strapazen, die es im jüngsten Kriege im Bunde mit Oestreich hatte
erdulden müssen! Er erwartete von ihnen, daß sie sich nicht würden "entehren"
lassen. Vertrauet auf Gott und, die gerechte Sache, rief er ihnen zu, und lasset
euer Vaterland nicht untergehen! Kurfürst Mar Joseph sprach dann auch selbst
zu seinem Volke. Er warnte es vor den "treulosen Planen Oestreichs", das
Baiern habe zwingen wollen, für "fremdes Interesse" zu streiten. "Der Kaiser
der Franzosen," sagte der deutsche Kurfürst, "Baierns natürlicher Bundesgenosse,
eilte mit seinen tapfern Kriegern herbei, um euch zu rächen, und schon käm¬
pfen eure Söhne an der Seite der sieggewohnten Völker und bald, bald nnlft
der Tag der Rettung."

Die übrigen Reichsstände wetteiferten an Würde des Betragens mit ihren
mächtigeren Verbündeten. Man darf ihnen das Zeugniß nicht versagen, daß
sie ihre Vorbilder übertroffen haben. Herr Hauffer theilt aus den handschrift¬
lichen Mittheilungen, die er benutzt, ein Schreiben mit, welches eine fürstliche
Gesandtschaft bei Eröffnung des Kongresses von Rastatt an die französische"
Abgeordneten richtete. -- Citozwns Will8>,rvL I vvsirimt'l" proteeUo" av.la re-


Schweigen endlich mit seinem bekannten Ausdruck höchsten Zornes in den
Augen und Mundwinkeln zu Fürst Johann Liechtenstein gesagt: „jetzt seit ich ihn
gesehen habe, kann ich ihn gar nicht mehr leiden." Wenigstens deutet mancher
Moment aus den letzten Tagen napoleonischer Herrschaft darauf hin, daß der
„Schwiegervater", an den dann gern appellirt ward, seinem Eidam die erste
Bekanntschaft vom i. December 1803 nie vergessen hat." — Indeß so ein
Gefühl ist. zwar nicht die höchste Marime des Handelns, aber doch immer noch
zweckmäßiger, als die Stumpfsinnigkeit, die jede Kränkung schnell verschmerzt.
Zudem hatte Oestreich vor den übrigen deutschen Staaten den großen Vorzug
einer auf natürlichem Boden beruhenden Eristenz, und was man auch gegen
seine damalige Politik vom Standpunkt der Vernunft und der Moral lRastatter
Gesandtenmord!) einwenden mag, sie war noch immer die am wenigsten
schimpfliche.

Wir wollen zur dritten Großmacht übergehen, zu Baiern. „Für die Un¬
abhängigkeit des deutschen Reichs" hatte Napoleon die Waffen ergriffen. Nach
der Bereinigung der bairischen Armee mit der französischen erließ Napoleon an
die erstere eine Proclamation. „Ich habe mich an die Spitze meines Heeres
gestellt, um euer Vaterland zu befreien; denn das Haus Oestreich will eure
Unabhängigkeit vernichten . . . Ihr werdet dem Beispiel eurer Vorfahren fol¬
gen, die sich stets die Unabhängigkeit und politische Eristenz bewahrten, welche
die ersten Güter der Nationen sind. Ich kenne eure Tapferkeit und schmeichle
mir, nach der ersten Schlacht eurem Fürsten und meinem Volke sagen zu kön¬
nen, daß ihr würdig seid, in den Reihen der großen Armee zu kämpfen." —
Der bairische General Deroy erinnerte das Heer an die üble Behandlung und
an die Strapazen, die es im jüngsten Kriege im Bunde mit Oestreich hatte
erdulden müssen! Er erwartete von ihnen, daß sie sich nicht würden „entehren"
lassen. Vertrauet auf Gott und, die gerechte Sache, rief er ihnen zu, und lasset
euer Vaterland nicht untergehen! Kurfürst Mar Joseph sprach dann auch selbst
zu seinem Volke. Er warnte es vor den „treulosen Planen Oestreichs", das
Baiern habe zwingen wollen, für „fremdes Interesse" zu streiten. „Der Kaiser
der Franzosen," sagte der deutsche Kurfürst, „Baierns natürlicher Bundesgenosse,
eilte mit seinen tapfern Kriegern herbei, um euch zu rächen, und schon käm¬
pfen eure Söhne an der Seite der sieggewohnten Völker und bald, bald nnlft
der Tag der Rettung."

Die übrigen Reichsstände wetteiferten an Würde des Betragens mit ihren
mächtigeren Verbündeten. Man darf ihnen das Zeugniß nicht versagen, daß
sie ihre Vorbilder übertroffen haben. Herr Hauffer theilt aus den handschrift¬
lichen Mittheilungen, die er benutzt, ein Schreiben mit, welches eine fürstliche
Gesandtschaft bei Eröffnung des Kongresses von Rastatt an die französische»
Abgeordneten richtete. — Citozwns Will8>,rvL I vvsirimt'l» proteeUo» av.la re-


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[0454] Schweigen endlich mit seinem bekannten Ausdruck höchsten Zornes in den Augen und Mundwinkeln zu Fürst Johann Liechtenstein gesagt: „jetzt seit ich ihn gesehen habe, kann ich ihn gar nicht mehr leiden." Wenigstens deutet mancher Moment aus den letzten Tagen napoleonischer Herrschaft darauf hin, daß der „Schwiegervater", an den dann gern appellirt ward, seinem Eidam die erste Bekanntschaft vom i. December 1803 nie vergessen hat." — Indeß so ein Gefühl ist. zwar nicht die höchste Marime des Handelns, aber doch immer noch zweckmäßiger, als die Stumpfsinnigkeit, die jede Kränkung schnell verschmerzt. Zudem hatte Oestreich vor den übrigen deutschen Staaten den großen Vorzug einer auf natürlichem Boden beruhenden Eristenz, und was man auch gegen seine damalige Politik vom Standpunkt der Vernunft und der Moral lRastatter Gesandtenmord!) einwenden mag, sie war noch immer die am wenigsten schimpfliche. Wir wollen zur dritten Großmacht übergehen, zu Baiern. „Für die Un¬ abhängigkeit des deutschen Reichs" hatte Napoleon die Waffen ergriffen. Nach der Bereinigung der bairischen Armee mit der französischen erließ Napoleon an die erstere eine Proclamation. „Ich habe mich an die Spitze meines Heeres gestellt, um euer Vaterland zu befreien; denn das Haus Oestreich will eure Unabhängigkeit vernichten . . . Ihr werdet dem Beispiel eurer Vorfahren fol¬ gen, die sich stets die Unabhängigkeit und politische Eristenz bewahrten, welche die ersten Güter der Nationen sind. Ich kenne eure Tapferkeit und schmeichle mir, nach der ersten Schlacht eurem Fürsten und meinem Volke sagen zu kön¬ nen, daß ihr würdig seid, in den Reihen der großen Armee zu kämpfen." — Der bairische General Deroy erinnerte das Heer an die üble Behandlung und an die Strapazen, die es im jüngsten Kriege im Bunde mit Oestreich hatte erdulden müssen! Er erwartete von ihnen, daß sie sich nicht würden „entehren" lassen. Vertrauet auf Gott und, die gerechte Sache, rief er ihnen zu, und lasset euer Vaterland nicht untergehen! Kurfürst Mar Joseph sprach dann auch selbst zu seinem Volke. Er warnte es vor den „treulosen Planen Oestreichs", das Baiern habe zwingen wollen, für „fremdes Interesse" zu streiten. „Der Kaiser der Franzosen," sagte der deutsche Kurfürst, „Baierns natürlicher Bundesgenosse, eilte mit seinen tapfern Kriegern herbei, um euch zu rächen, und schon käm¬ pfen eure Söhne an der Seite der sieggewohnten Völker und bald, bald nnlft der Tag der Rettung." Die übrigen Reichsstände wetteiferten an Würde des Betragens mit ihren mächtigeren Verbündeten. Man darf ihnen das Zeugniß nicht versagen, daß sie ihre Vorbilder übertroffen haben. Herr Hauffer theilt aus den handschrift¬ lichen Mittheilungen, die er benutzt, ein Schreiben mit, welches eine fürstliche Gesandtschaft bei Eröffnung des Kongresses von Rastatt an die französische» Abgeordneten richtete. — Citozwns Will8>,rvL I vvsirimt'l» proteeUo» av.la re-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/454>, abgerufen am 28.09.2024.