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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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der Aufeinanderfolge mehrer Geschlechter wiederholt, muß daS zu einer unend¬
lichen Zersplitterung des Besitzthums führen und zu einer solchen Kleinheit
der Theile, daß keiner derselben länger fähig ist, seinen Besitzer zu ernähren.
So kam es denn, daß ein Mann gegen 140 verschiedene Stückchen Land
bebaute, deren einige nur so groß waren, daß sie mit einem halben Pfund
Hafer besäet werden konnten und daß die Mauern ober Gräben zur Trennung
einen fast ebensogroßen Raum einnahmen, als die durch sie begrenzten Felder
und Weiden. Daneben führte dieser Wirrwarr zu endlosen Zänkereien und
Processen der Nachbarn wegen bestreitbarer Gerechtsame des Fahrens, Gehens
und Viehweidcns auf anderer Boden. An Auswandern dachte man nicht,
vielmehr wuchs die Anzahl der Hütten und der Bewohner auf derselben Stelle
jährlich, ohne Rücksicht darauf, ob man leben könne oder nicht. Lord George,
obschon ihm gewaltsame Maßregeln rechtlich zustanden, gelangte unter großen
Schwierigkeiten endlich auf gütlichem Wege dahin, die Leute von der Verderb¬
lichkeit des Theilungssystems zu überzeugen und eine andere Anordnung der
Ländereien herzustellen, so, daß ein jeder Tenant seinen Theil in einem Stücke
zusammenhängend und seine Hütte mitten auf demselben erhielt. Aus dieser
neuen Anordnung erwuchs noch der Vortheil, daß die Wohnungen, bisher in
einem Haufen beisammen, getrennt wurden und man so der bei dem über¬
großen Hange zur Unterhaltung unvermeidlichen Zeitverschwendung entgegen¬
wirkte. Freilich wollte der eine oder andere den Gewinn aus der neuen Ein¬
richtung nicht erkennen, indem er "sich genöthigt" meinte, "eine Magd zu'
miethen, die mit seiner Frau schwatzen könne." Da die Hütten meist aus
Torf gebaut und die schmuzigsten, ekelhaftesten Höhlen waren, die sich die Ein¬
bildung nur ausmalen kann, da fast alle Geräthe fehlten, da ferner das Vieh
und die Schafe sich in dem krttppelHaftesten und schlechtesten Zustande befanden,
so fetzte Lord George Preise von beträchtlicher Höhe darauf, steinerne, geweißte
und reinliche Hütten zu haben, gewisse Haus- und Ackergeräthe zu besitzen
und auf einer halbjährlichen oder jährlichen öffentlichen Schau das beste Vieh
zu zeigen. Anfangs hielt man dieses für einen Kniff, nannte es "Kumbux"
(dummes Zeug) und beachtete es nicht; als aber doch endlich ein paar Leute
versuchten, die Preise zuverdienen und dieselben wirklich erhielten, da sanken
die Tvrfhütten, da stiegen steinerne und weiße neu empor, da rührten sich die
Besen, da schnitzte und zimmerte man Wagen, Pflüge, Tische und Stühle,
da bekamen die dünnen Kühe fettere Schenkel. Jetzt ist kaum eine Torfhülte
mehr dort zu sehen; fast alles steht reinlich, gut und bequem aus und erfreut
den Blick. War vordem nur Hafer dort zu finden, so steht man jetzt dagegen
neben diesem auch Kartoffeln, Rüben und Flachs gedeihen, zu denen die
Sämereien meistens geschenkt wurden und deren Pflanzung und Zucht man auf
einer Musterpächlerei vorher als möglich und nützlich zeigte. Um der Gegend


der Aufeinanderfolge mehrer Geschlechter wiederholt, muß daS zu einer unend¬
lichen Zersplitterung des Besitzthums führen und zu einer solchen Kleinheit
der Theile, daß keiner derselben länger fähig ist, seinen Besitzer zu ernähren.
So kam es denn, daß ein Mann gegen 140 verschiedene Stückchen Land
bebaute, deren einige nur so groß waren, daß sie mit einem halben Pfund
Hafer besäet werden konnten und daß die Mauern ober Gräben zur Trennung
einen fast ebensogroßen Raum einnahmen, als die durch sie begrenzten Felder
und Weiden. Daneben führte dieser Wirrwarr zu endlosen Zänkereien und
Processen der Nachbarn wegen bestreitbarer Gerechtsame des Fahrens, Gehens
und Viehweidcns auf anderer Boden. An Auswandern dachte man nicht,
vielmehr wuchs die Anzahl der Hütten und der Bewohner auf derselben Stelle
jährlich, ohne Rücksicht darauf, ob man leben könne oder nicht. Lord George,
obschon ihm gewaltsame Maßregeln rechtlich zustanden, gelangte unter großen
Schwierigkeiten endlich auf gütlichem Wege dahin, die Leute von der Verderb¬
lichkeit des Theilungssystems zu überzeugen und eine andere Anordnung der
Ländereien herzustellen, so, daß ein jeder Tenant seinen Theil in einem Stücke
zusammenhängend und seine Hütte mitten auf demselben erhielt. Aus dieser
neuen Anordnung erwuchs noch der Vortheil, daß die Wohnungen, bisher in
einem Haufen beisammen, getrennt wurden und man so der bei dem über¬
großen Hange zur Unterhaltung unvermeidlichen Zeitverschwendung entgegen¬
wirkte. Freilich wollte der eine oder andere den Gewinn aus der neuen Ein¬
richtung nicht erkennen, indem er „sich genöthigt" meinte, „eine Magd zu'
miethen, die mit seiner Frau schwatzen könne." Da die Hütten meist aus
Torf gebaut und die schmuzigsten, ekelhaftesten Höhlen waren, die sich die Ein¬
bildung nur ausmalen kann, da fast alle Geräthe fehlten, da ferner das Vieh
und die Schafe sich in dem krttppelHaftesten und schlechtesten Zustande befanden,
so fetzte Lord George Preise von beträchtlicher Höhe darauf, steinerne, geweißte
und reinliche Hütten zu haben, gewisse Haus- und Ackergeräthe zu besitzen
und auf einer halbjährlichen oder jährlichen öffentlichen Schau das beste Vieh
zu zeigen. Anfangs hielt man dieses für einen Kniff, nannte es „Kumbux"
(dummes Zeug) und beachtete es nicht; als aber doch endlich ein paar Leute
versuchten, die Preise zuverdienen und dieselben wirklich erhielten, da sanken
die Tvrfhütten, da stiegen steinerne und weiße neu empor, da rührten sich die
Besen, da schnitzte und zimmerte man Wagen, Pflüge, Tische und Stühle,
da bekamen die dünnen Kühe fettere Schenkel. Jetzt ist kaum eine Torfhülte
mehr dort zu sehen; fast alles steht reinlich, gut und bequem aus und erfreut
den Blick. War vordem nur Hafer dort zu finden, so steht man jetzt dagegen
neben diesem auch Kartoffeln, Rüben und Flachs gedeihen, zu denen die
Sämereien meistens geschenkt wurden und deren Pflanzung und Zucht man auf
einer Musterpächlerei vorher als möglich und nützlich zeigte. Um der Gegend


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[0438] der Aufeinanderfolge mehrer Geschlechter wiederholt, muß daS zu einer unend¬ lichen Zersplitterung des Besitzthums führen und zu einer solchen Kleinheit der Theile, daß keiner derselben länger fähig ist, seinen Besitzer zu ernähren. So kam es denn, daß ein Mann gegen 140 verschiedene Stückchen Land bebaute, deren einige nur so groß waren, daß sie mit einem halben Pfund Hafer besäet werden konnten und daß die Mauern ober Gräben zur Trennung einen fast ebensogroßen Raum einnahmen, als die durch sie begrenzten Felder und Weiden. Daneben führte dieser Wirrwarr zu endlosen Zänkereien und Processen der Nachbarn wegen bestreitbarer Gerechtsame des Fahrens, Gehens und Viehweidcns auf anderer Boden. An Auswandern dachte man nicht, vielmehr wuchs die Anzahl der Hütten und der Bewohner auf derselben Stelle jährlich, ohne Rücksicht darauf, ob man leben könne oder nicht. Lord George, obschon ihm gewaltsame Maßregeln rechtlich zustanden, gelangte unter großen Schwierigkeiten endlich auf gütlichem Wege dahin, die Leute von der Verderb¬ lichkeit des Theilungssystems zu überzeugen und eine andere Anordnung der Ländereien herzustellen, so, daß ein jeder Tenant seinen Theil in einem Stücke zusammenhängend und seine Hütte mitten auf demselben erhielt. Aus dieser neuen Anordnung erwuchs noch der Vortheil, daß die Wohnungen, bisher in einem Haufen beisammen, getrennt wurden und man so der bei dem über¬ großen Hange zur Unterhaltung unvermeidlichen Zeitverschwendung entgegen¬ wirkte. Freilich wollte der eine oder andere den Gewinn aus der neuen Ein¬ richtung nicht erkennen, indem er „sich genöthigt" meinte, „eine Magd zu' miethen, die mit seiner Frau schwatzen könne." Da die Hütten meist aus Torf gebaut und die schmuzigsten, ekelhaftesten Höhlen waren, die sich die Ein¬ bildung nur ausmalen kann, da fast alle Geräthe fehlten, da ferner das Vieh und die Schafe sich in dem krttppelHaftesten und schlechtesten Zustande befanden, so fetzte Lord George Preise von beträchtlicher Höhe darauf, steinerne, geweißte und reinliche Hütten zu haben, gewisse Haus- und Ackergeräthe zu besitzen und auf einer halbjährlichen oder jährlichen öffentlichen Schau das beste Vieh zu zeigen. Anfangs hielt man dieses für einen Kniff, nannte es „Kumbux" (dummes Zeug) und beachtete es nicht; als aber doch endlich ein paar Leute versuchten, die Preise zuverdienen und dieselben wirklich erhielten, da sanken die Tvrfhütten, da stiegen steinerne und weiße neu empor, da rührten sich die Besen, da schnitzte und zimmerte man Wagen, Pflüge, Tische und Stühle, da bekamen die dünnen Kühe fettere Schenkel. Jetzt ist kaum eine Torfhülte mehr dort zu sehen; fast alles steht reinlich, gut und bequem aus und erfreut den Blick. War vordem nur Hafer dort zu finden, so steht man jetzt dagegen neben diesem auch Kartoffeln, Rüben und Flachs gedeihen, zu denen die Sämereien meistens geschenkt wurden und deren Pflanzung und Zucht man auf einer Musterpächlerei vorher als möglich und nützlich zeigte. Um der Gegend

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/438>, abgerufen am 26.06.2024.