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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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girren die andern ihre Geistermärchen und Geschichten alter irischer Häuptlinge
oder Könige und so lebhaft ist die Theilnahme, daß man die Mahlzeiten
darüber vergißt und bis tief in die Nacht sitzen und hören kann. Die Neu¬
gierde und Liebe zum Schwatzen der Jrländer ist so groß, daß jeder, der etwa
auf einem Spaziergange oder auf einer Fußreise sich irgendwo draußen niedersetzt,
sehr bald von da und dorther Leute auf sich zukommen sieht, die sich höflich und
freundlich neben ihn setzen und eine lebhafte Unterhaltung beginnen, sofern
er willig dazu ist. Der Verfasser dieses, der sich zuweilen in seinen Muße¬
stunden mit Skizziren beschäftigte, hatte mehre Male dabei zehn bis fünfzehn,
jedes Mal zwei bis drei Leute um sich sitzen. Man hört fast nie die auf der
Straße sich Begegnenden mit "Guten Morgen, guten Tag, guten Abend"
grüßen, sondern dafür: Das ist ein schöner Morgen, feuchter Tag oder Abend,
ein wachsender Tag" (Zrowinx äa^), worauf entgegnet wird: Ja, eS ist wirklich.
So hat man selbst dann ein kurzes Gespräch. Der Umgang mit Jrländern
ist für den, der Laune, guten Witz, Lebhaftigkeit und schnelle Auffassung
seiner Bemerkungen liebt, sehr angenehm. Irische Witze sind berühmt und
namentlich eine besondere Art derselben, die man in England "Irisn dnlls"
nennt. Sie haben ganz das Ansehen unfreiwilliger lächerlicher Verwechslungen
und Verwirrungen der Ideen und werden auch in England nur der Albern¬
heit der Jrländer zugeschrieben, sind aber nichtsdestoweniger meist absichtlich
und beweisen oft die größte Feinheit. Viele davon sind allgemein bekannt,
manche derselben nur schlecht nachgeahmt; andere ähnliche kennt man auch in
Deutschland und überall. Zu einem irischen Bull gehört die Art und Weise,
wie ihn der Jrländer von sich gibt. Mit dem anscheinend dümmsten Gesichts
von der Welt begegnet er z. B. einem andern und sagt, ihn sehr aufmerksam
betrachtend: "XVell, well! l tdauxdt it was ^on, dut I sse now it is ^our
dre>t,K<zr." (Ja, ja! Ich dachte, Sie wären es, aber ich sehe nun, daß es
Ihr Bruder ist.) Der andre entgegnet ebenso dumm: ,,^s ^on ave rixkt,
81r", (Ja, Sie haben recht, Herr); beide lachen herzlich, wenn sie sich den
Rücken gewendet. Von ähnlicher Art sind die beiden folgenden Beschreibungen:
mau was so little, etat Ne was obU^eel, to starck on a enair ^use de> put
mis coal on; (Ein Mann war so klein, daß er sich genöthigt sah, auf einen
Stuhl zu stehen, um seinen Rock anzuziehen); an otdsr man froren-et so lonä-
lx, etat Uf was odliKocl to "leep in dirs nkxl. room, not to wako Nimselt,
(ein andrer Mann schnarchte so laut, daß er genöthigt war, im nächsten
Zimmer zu schlafen, um sich nicht zu wecken). Das bewußte Schaffen solcher VullS
und anderer ähnlicher komischer Verkehrtheiten des Ausdrucks wird am besten
durch die Schnelligkeit und Feinheit bewiesen, mit welcher der Jrländer fremde
Witze und selbst die leisesten Anspielungen der Art auffaßt. Während in
England ein echter feiner Witz gar nicht verstanden wirv und bei dem Hörer


girren die andern ihre Geistermärchen und Geschichten alter irischer Häuptlinge
oder Könige und so lebhaft ist die Theilnahme, daß man die Mahlzeiten
darüber vergißt und bis tief in die Nacht sitzen und hören kann. Die Neu¬
gierde und Liebe zum Schwatzen der Jrländer ist so groß, daß jeder, der etwa
auf einem Spaziergange oder auf einer Fußreise sich irgendwo draußen niedersetzt,
sehr bald von da und dorther Leute auf sich zukommen sieht, die sich höflich und
freundlich neben ihn setzen und eine lebhafte Unterhaltung beginnen, sofern
er willig dazu ist. Der Verfasser dieses, der sich zuweilen in seinen Muße¬
stunden mit Skizziren beschäftigte, hatte mehre Male dabei zehn bis fünfzehn,
jedes Mal zwei bis drei Leute um sich sitzen. Man hört fast nie die auf der
Straße sich Begegnenden mit „Guten Morgen, guten Tag, guten Abend"
grüßen, sondern dafür: Das ist ein schöner Morgen, feuchter Tag oder Abend,
ein wachsender Tag" (Zrowinx äa^), worauf entgegnet wird: Ja, eS ist wirklich.
So hat man selbst dann ein kurzes Gespräch. Der Umgang mit Jrländern
ist für den, der Laune, guten Witz, Lebhaftigkeit und schnelle Auffassung
seiner Bemerkungen liebt, sehr angenehm. Irische Witze sind berühmt und
namentlich eine besondere Art derselben, die man in England „Irisn dnlls"
nennt. Sie haben ganz das Ansehen unfreiwilliger lächerlicher Verwechslungen
und Verwirrungen der Ideen und werden auch in England nur der Albern¬
heit der Jrländer zugeschrieben, sind aber nichtsdestoweniger meist absichtlich
und beweisen oft die größte Feinheit. Viele davon sind allgemein bekannt,
manche derselben nur schlecht nachgeahmt; andere ähnliche kennt man auch in
Deutschland und überall. Zu einem irischen Bull gehört die Art und Weise,
wie ihn der Jrländer von sich gibt. Mit dem anscheinend dümmsten Gesichts
von der Welt begegnet er z. B. einem andern und sagt, ihn sehr aufmerksam
betrachtend: „XVell, well! l tdauxdt it was ^on, dut I sse now it is ^our
dre>t,K<zr." (Ja, ja! Ich dachte, Sie wären es, aber ich sehe nun, daß es
Ihr Bruder ist.) Der andre entgegnet ebenso dumm: ,,^s ^on ave rixkt,
81r", (Ja, Sie haben recht, Herr); beide lachen herzlich, wenn sie sich den
Rücken gewendet. Von ähnlicher Art sind die beiden folgenden Beschreibungen:
mau was so little, etat Ne was obU^eel, to starck on a enair ^use de> put
mis coal on; (Ein Mann war so klein, daß er sich genöthigt sah, auf einen
Stuhl zu stehen, um seinen Rock anzuziehen); an otdsr man froren-et so lonä-
lx, etat Uf was odliKocl to «leep in dirs nkxl. room, not to wako Nimselt,
(ein andrer Mann schnarchte so laut, daß er genöthigt war, im nächsten
Zimmer zu schlafen, um sich nicht zu wecken). Das bewußte Schaffen solcher VullS
und anderer ähnlicher komischer Verkehrtheiten des Ausdrucks wird am besten
durch die Schnelligkeit und Feinheit bewiesen, mit welcher der Jrländer fremde
Witze und selbst die leisesten Anspielungen der Art auffaßt. Während in
England ein echter feiner Witz gar nicht verstanden wirv und bei dem Hörer


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[0434] girren die andern ihre Geistermärchen und Geschichten alter irischer Häuptlinge oder Könige und so lebhaft ist die Theilnahme, daß man die Mahlzeiten darüber vergißt und bis tief in die Nacht sitzen und hören kann. Die Neu¬ gierde und Liebe zum Schwatzen der Jrländer ist so groß, daß jeder, der etwa auf einem Spaziergange oder auf einer Fußreise sich irgendwo draußen niedersetzt, sehr bald von da und dorther Leute auf sich zukommen sieht, die sich höflich und freundlich neben ihn setzen und eine lebhafte Unterhaltung beginnen, sofern er willig dazu ist. Der Verfasser dieses, der sich zuweilen in seinen Muße¬ stunden mit Skizziren beschäftigte, hatte mehre Male dabei zehn bis fünfzehn, jedes Mal zwei bis drei Leute um sich sitzen. Man hört fast nie die auf der Straße sich Begegnenden mit „Guten Morgen, guten Tag, guten Abend" grüßen, sondern dafür: Das ist ein schöner Morgen, feuchter Tag oder Abend, ein wachsender Tag" (Zrowinx äa^), worauf entgegnet wird: Ja, eS ist wirklich. So hat man selbst dann ein kurzes Gespräch. Der Umgang mit Jrländern ist für den, der Laune, guten Witz, Lebhaftigkeit und schnelle Auffassung seiner Bemerkungen liebt, sehr angenehm. Irische Witze sind berühmt und namentlich eine besondere Art derselben, die man in England „Irisn dnlls" nennt. Sie haben ganz das Ansehen unfreiwilliger lächerlicher Verwechslungen und Verwirrungen der Ideen und werden auch in England nur der Albern¬ heit der Jrländer zugeschrieben, sind aber nichtsdestoweniger meist absichtlich und beweisen oft die größte Feinheit. Viele davon sind allgemein bekannt, manche derselben nur schlecht nachgeahmt; andere ähnliche kennt man auch in Deutschland und überall. Zu einem irischen Bull gehört die Art und Weise, wie ihn der Jrländer von sich gibt. Mit dem anscheinend dümmsten Gesichts von der Welt begegnet er z. B. einem andern und sagt, ihn sehr aufmerksam betrachtend: „XVell, well! l tdauxdt it was ^on, dut I sse now it is ^our dre>t,K<zr." (Ja, ja! Ich dachte, Sie wären es, aber ich sehe nun, daß es Ihr Bruder ist.) Der andre entgegnet ebenso dumm: ,,^s ^on ave rixkt, 81r", (Ja, Sie haben recht, Herr); beide lachen herzlich, wenn sie sich den Rücken gewendet. Von ähnlicher Art sind die beiden folgenden Beschreibungen: mau was so little, etat Ne was obU^eel, to starck on a enair ^use de> put mis coal on; (Ein Mann war so klein, daß er sich genöthigt sah, auf einen Stuhl zu stehen, um seinen Rock anzuziehen); an otdsr man froren-et so lonä- lx, etat Uf was odliKocl to «leep in dirs nkxl. room, not to wako Nimselt, (ein andrer Mann schnarchte so laut, daß er genöthigt war, im nächsten Zimmer zu schlafen, um sich nicht zu wecken). Das bewußte Schaffen solcher VullS und anderer ähnlicher komischer Verkehrtheiten des Ausdrucks wird am besten durch die Schnelligkeit und Feinheit bewiesen, mit welcher der Jrländer fremde Witze und selbst die leisesten Anspielungen der Art auffaßt. Während in England ein echter feiner Witz gar nicht verstanden wirv und bei dem Hörer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/434>, abgerufen am 26.06.2024.