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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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gegen einzelne Bestimmungen der wieder aufgehobenen Gemeinde-, Kreis- und
Bezirksordnungen vom 11, März 1830 zu erheben wären, die Durchführung
derselben würde doch im wesentlichen dem hier bestehenden dringenden Bedürf¬
nisse abhelfen, den Sinn für gesetzliche Ordnung fördern und eines der grö߬
ten Hindernisse beseitigen, welches der Ansiedlung gebildeter Colonisten in
Oberschlesien entgegensteht. Die genannte Gemeindeordnung hatte die Mög¬
lichkeit offengelassen, daß die ehemaligen Rittergüter besondere Gemeindebezirke
für sich bilden könnten. Es ist aber anzuerkennen, daß die für die Abgren¬
zung der. Gemeindebezirke gewählten Kreiscommissionen zuerst hiervon absahen
und meistentheils sür die Bereinigung der ehemaligen Rittergüter mit den alten
Landgemeinden, mit denen sie schon örtlich verbunden waren, zu neuen Ge¬
meinden stimmten, bis entgegenstehende Jnstructionen von obenher solche Ver¬
einigungen für nicht wünschenswerth erklärten. Die Zulassung einer erclu-
siven Gemeindestellung für die ehemaligen Rittergüter, welche mit ihren Ge¬
bäuden und Grundstücken mitten in oder unmittelbar neben den bäuerlichen
Besitzungen liegen, würde freilich den erwarteten Erfolg in hohem Grade beein¬
trächtigen. Der Widerstand der kleinen, aber mächtigen Partei gegen die ge¬
forderte Verbindung hat, wie jede ihrer reformfeindlichen Bestrebungen, ein
sehr materielles, nach Thalern, Silbergroschen und Pfennigen schätzbares Fun¬
dament. Denn die Besorgniß, daß bei einer Vereinigung der Rittergüter und
Landgemeinden den erster" alle Lasten der Gemeindeverwaltung (der Unterhal¬
tung der Gemeindebeamten, Wegebesserung, der Ortsbewachung, des Feuer¬
löschwesens, der Armenpflege, der Schule :c. aufgebürdet werden würden, ist
der einzige gegen diese Vereinigung geltcndgemachte Grund. Er ist hinfällig,
da das Gesetz die Art der Lastenvertheilung bestimmt (nach Verhältniß der
Staatsabgaben :c.), beweist aber ebendarum, daß bisher im Gegentheil eine
Ueberbürdung der Landgemeinden stattfand. Wenn letztere nicht überall in
ihrem ganzen Umfange gefühlt wurde, so war dies vor allem dem Umstände
zu danken, daß eine Verwaltung der Gemeindeangelegenheiten auf dem platten
Lande fast gar nicht stattfand, daß man die Besserung der Wege dem Himmel,
die Besoldung des Schullehrers seiner Anspruchslosigkeit, die Unterhaltung
der Armen ihrer Geschicklichkeit im Stehlen oder dem Wvhlthätigkeitssinn der
Besitzenden überließ u. s. w. Jemehr der Staat es sich angelegen sein läßt,
Ordnung in diese Verhältnisse zu bringen, desto schärfer wird jene Ueber-
bürdung hervortreten, zu desto begründeteren Beschwerden wird ihre Unbillig-
keit Veranlassung geben, zumal da ein haltbarer Grund nicht zu ermitteln ist
für die Immunität des Rittergutsbesitzers, dessen Areal ohne die größten Un¬
bequemlichkeiten aus den zerstreuten Besitzungen der Gemeindeglieder gar nicht
herauszulösen ist und dessen Interessen mit denen der letzteren durchweg die¬
selben sind.


gegen einzelne Bestimmungen der wieder aufgehobenen Gemeinde-, Kreis- und
Bezirksordnungen vom 11, März 1830 zu erheben wären, die Durchführung
derselben würde doch im wesentlichen dem hier bestehenden dringenden Bedürf¬
nisse abhelfen, den Sinn für gesetzliche Ordnung fördern und eines der grö߬
ten Hindernisse beseitigen, welches der Ansiedlung gebildeter Colonisten in
Oberschlesien entgegensteht. Die genannte Gemeindeordnung hatte die Mög¬
lichkeit offengelassen, daß die ehemaligen Rittergüter besondere Gemeindebezirke
für sich bilden könnten. Es ist aber anzuerkennen, daß die für die Abgren¬
zung der. Gemeindebezirke gewählten Kreiscommissionen zuerst hiervon absahen
und meistentheils sür die Bereinigung der ehemaligen Rittergüter mit den alten
Landgemeinden, mit denen sie schon örtlich verbunden waren, zu neuen Ge¬
meinden stimmten, bis entgegenstehende Jnstructionen von obenher solche Ver¬
einigungen für nicht wünschenswerth erklärten. Die Zulassung einer erclu-
siven Gemeindestellung für die ehemaligen Rittergüter, welche mit ihren Ge¬
bäuden und Grundstücken mitten in oder unmittelbar neben den bäuerlichen
Besitzungen liegen, würde freilich den erwarteten Erfolg in hohem Grade beein¬
trächtigen. Der Widerstand der kleinen, aber mächtigen Partei gegen die ge¬
forderte Verbindung hat, wie jede ihrer reformfeindlichen Bestrebungen, ein
sehr materielles, nach Thalern, Silbergroschen und Pfennigen schätzbares Fun¬
dament. Denn die Besorgniß, daß bei einer Vereinigung der Rittergüter und
Landgemeinden den erster» alle Lasten der Gemeindeverwaltung (der Unterhal¬
tung der Gemeindebeamten, Wegebesserung, der Ortsbewachung, des Feuer¬
löschwesens, der Armenpflege, der Schule :c. aufgebürdet werden würden, ist
der einzige gegen diese Vereinigung geltcndgemachte Grund. Er ist hinfällig,
da das Gesetz die Art der Lastenvertheilung bestimmt (nach Verhältniß der
Staatsabgaben :c.), beweist aber ebendarum, daß bisher im Gegentheil eine
Ueberbürdung der Landgemeinden stattfand. Wenn letztere nicht überall in
ihrem ganzen Umfange gefühlt wurde, so war dies vor allem dem Umstände
zu danken, daß eine Verwaltung der Gemeindeangelegenheiten auf dem platten
Lande fast gar nicht stattfand, daß man die Besserung der Wege dem Himmel,
die Besoldung des Schullehrers seiner Anspruchslosigkeit, die Unterhaltung
der Armen ihrer Geschicklichkeit im Stehlen oder dem Wvhlthätigkeitssinn der
Besitzenden überließ u. s. w. Jemehr der Staat es sich angelegen sein läßt,
Ordnung in diese Verhältnisse zu bringen, desto schärfer wird jene Ueber-
bürdung hervortreten, zu desto begründeteren Beschwerden wird ihre Unbillig-
keit Veranlassung geben, zumal da ein haltbarer Grund nicht zu ermitteln ist
für die Immunität des Rittergutsbesitzers, dessen Areal ohne die größten Un¬
bequemlichkeiten aus den zerstreuten Besitzungen der Gemeindeglieder gar nicht
herauszulösen ist und dessen Interessen mit denen der letzteren durchweg die¬
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[0428] gegen einzelne Bestimmungen der wieder aufgehobenen Gemeinde-, Kreis- und Bezirksordnungen vom 11, März 1830 zu erheben wären, die Durchführung derselben würde doch im wesentlichen dem hier bestehenden dringenden Bedürf¬ nisse abhelfen, den Sinn für gesetzliche Ordnung fördern und eines der grö߬ ten Hindernisse beseitigen, welches der Ansiedlung gebildeter Colonisten in Oberschlesien entgegensteht. Die genannte Gemeindeordnung hatte die Mög¬ lichkeit offengelassen, daß die ehemaligen Rittergüter besondere Gemeindebezirke für sich bilden könnten. Es ist aber anzuerkennen, daß die für die Abgren¬ zung der. Gemeindebezirke gewählten Kreiscommissionen zuerst hiervon absahen und meistentheils sür die Bereinigung der ehemaligen Rittergüter mit den alten Landgemeinden, mit denen sie schon örtlich verbunden waren, zu neuen Ge¬ meinden stimmten, bis entgegenstehende Jnstructionen von obenher solche Ver¬ einigungen für nicht wünschenswerth erklärten. Die Zulassung einer erclu- siven Gemeindestellung für die ehemaligen Rittergüter, welche mit ihren Ge¬ bäuden und Grundstücken mitten in oder unmittelbar neben den bäuerlichen Besitzungen liegen, würde freilich den erwarteten Erfolg in hohem Grade beein¬ trächtigen. Der Widerstand der kleinen, aber mächtigen Partei gegen die ge¬ forderte Verbindung hat, wie jede ihrer reformfeindlichen Bestrebungen, ein sehr materielles, nach Thalern, Silbergroschen und Pfennigen schätzbares Fun¬ dament. Denn die Besorgniß, daß bei einer Vereinigung der Rittergüter und Landgemeinden den erster» alle Lasten der Gemeindeverwaltung (der Unterhal¬ tung der Gemeindebeamten, Wegebesserung, der Ortsbewachung, des Feuer¬ löschwesens, der Armenpflege, der Schule :c. aufgebürdet werden würden, ist der einzige gegen diese Vereinigung geltcndgemachte Grund. Er ist hinfällig, da das Gesetz die Art der Lastenvertheilung bestimmt (nach Verhältniß der Staatsabgaben :c.), beweist aber ebendarum, daß bisher im Gegentheil eine Ueberbürdung der Landgemeinden stattfand. Wenn letztere nicht überall in ihrem ganzen Umfange gefühlt wurde, so war dies vor allem dem Umstände zu danken, daß eine Verwaltung der Gemeindeangelegenheiten auf dem platten Lande fast gar nicht stattfand, daß man die Besserung der Wege dem Himmel, die Besoldung des Schullehrers seiner Anspruchslosigkeit, die Unterhaltung der Armen ihrer Geschicklichkeit im Stehlen oder dem Wvhlthätigkeitssinn der Besitzenden überließ u. s. w. Jemehr der Staat es sich angelegen sein läßt, Ordnung in diese Verhältnisse zu bringen, desto schärfer wird jene Ueber- bürdung hervortreten, zu desto begründeteren Beschwerden wird ihre Unbillig- keit Veranlassung geben, zumal da ein haltbarer Grund nicht zu ermitteln ist für die Immunität des Rittergutsbesitzers, dessen Areal ohne die größten Un¬ bequemlichkeiten aus den zerstreuten Besitzungen der Gemeindeglieder gar nicht herauszulösen ist und dessen Interessen mit denen der letzteren durchweg die¬ selben sind.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/428>, abgerufen am 26.06.2024.