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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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im ganzen wenig Eigenthümliches. Weder Handel noch Gewerbe gehn über
den Kreis hinaus, chen das Interesse des platten Landes ihrer nächsten Um¬
gebung bedingt. Es ist daher auch ein Einfluß städtischer Bildung auf den allge¬
meinen Culturzustand des Landes nur in beschränkter Weise erkennbar. Mit wenigen
Ausnahmen haben diese Städte nur die Größe und Bevölkerung von Markt¬
flecken, standen zum Theil bis in die neueste Zeit unter der grundherrlichen
Autorität größerer Gutsbesitzer und werden überwiegend von Bürgern bewohnt,
deren Hauptgewerbe der Ackerbau ist. Ihre sonstige Einwohnerschaft zerfällt
meist in Beamte und Juden. Der Aufschwung, welchen einige Städte durch
den zunehmenden Erp.ort der unterirdischen Reichthümer Oberschlesiens genom¬
men ist zu neu, zu plötzlich eingetreten, als daß er einen günstigen Einfluß
aus die allgemeinen Zustände bisher hätte äußern können. Die strenge Ab¬
sperrung der Grenzen gegen Nußland und zum Theil selbst gegen Oestreich
macht bis jetzt das Emporkommen eines regen Handelsverkehrs unmöglich, ja
manche Anfänge eines solchen sind durch die Einverleibung Krakaus in die
östreichische Monarchie, wie durch die Vorrückung der innern russischen Zoll¬
grenze an die polnisch-preußische Grenze, wieder zerstört. Es ist noch kein
Menschenalter her, seit z. B. starke Tuchmacherinnungen in den meisten hiesigen
kleinen Städten bestanden haben, von denen man -jetzt kaum eine Spur findet.
Das notorische Bestehen eines starken Schmuggelhandels trotz der äußerst
strengen Grenzbewachung, beweist hinlänglich, daß die Bedingungen eines sehr
lebendigen Handelsverkehrs keineswegs fehlen. Unter den-gegenwärtigen Um¬
ständen ist es jedoch das platte Land allein, welches den sittlichen und materiellen
Zustand Oberschlesiens charakterisirt.

Was sofort in die Augen fällt ist die ungleiche Vertheilung des Grund¬
besitzes. In der That besteht in keinem Theile der preußischen Monarchie ein
so schroffer, unvermittelter Gegensatz zwischen dem großen und kleinen Land¬
besitze. Große Gütcrcomplere, zum Theil durch fideicommissarische Bestimmungen
befestigt, befinden sich in den Händen einzelner. Zu mehren derselben
gehören Waldungen von 100,000 Morgen und darüber und die Verwerthung
der letztern durch Hohöfen, Frischfeuer :c. bildet die Haupteinnahme der ober-
schlesischen Herren. -- Die eigentliche Landwirthschaft wird zwar von einzelnen
Pächtern und Administratoren mit viel Intelligenz und großen Mitteln, meisten-
theils aber nur als Nebensache betrieben. -- Kleinere Herrengüter, in dem Um¬
fange, um nicht mehr als die leitende Thätigkeit ihres Eigenthümers, diese aber
auch vollständig in Anspruch zu nehmen, wie solche in andern Provinzen zu
wahren Musterwirtschaften geführt haben, gibt es hier nur in sehr geringer Zahl.
Und zwischen solchen Gütern und dem rein bäuerlichen Grundbesitz, dessen
Größe es bedingt, daß die Feldbestellung im wesentlichen durch die eignen Hände
des Besitzers und seiner Familie erfolgt, besteht noch immer eine weite Klust,


im ganzen wenig Eigenthümliches. Weder Handel noch Gewerbe gehn über
den Kreis hinaus, chen das Interesse des platten Landes ihrer nächsten Um¬
gebung bedingt. Es ist daher auch ein Einfluß städtischer Bildung auf den allge¬
meinen Culturzustand des Landes nur in beschränkter Weise erkennbar. Mit wenigen
Ausnahmen haben diese Städte nur die Größe und Bevölkerung von Markt¬
flecken, standen zum Theil bis in die neueste Zeit unter der grundherrlichen
Autorität größerer Gutsbesitzer und werden überwiegend von Bürgern bewohnt,
deren Hauptgewerbe der Ackerbau ist. Ihre sonstige Einwohnerschaft zerfällt
meist in Beamte und Juden. Der Aufschwung, welchen einige Städte durch
den zunehmenden Erp.ort der unterirdischen Reichthümer Oberschlesiens genom¬
men ist zu neu, zu plötzlich eingetreten, als daß er einen günstigen Einfluß
aus die allgemeinen Zustände bisher hätte äußern können. Die strenge Ab¬
sperrung der Grenzen gegen Nußland und zum Theil selbst gegen Oestreich
macht bis jetzt das Emporkommen eines regen Handelsverkehrs unmöglich, ja
manche Anfänge eines solchen sind durch die Einverleibung Krakaus in die
östreichische Monarchie, wie durch die Vorrückung der innern russischen Zoll¬
grenze an die polnisch-preußische Grenze, wieder zerstört. Es ist noch kein
Menschenalter her, seit z. B. starke Tuchmacherinnungen in den meisten hiesigen
kleinen Städten bestanden haben, von denen man -jetzt kaum eine Spur findet.
Das notorische Bestehen eines starken Schmuggelhandels trotz der äußerst
strengen Grenzbewachung, beweist hinlänglich, daß die Bedingungen eines sehr
lebendigen Handelsverkehrs keineswegs fehlen. Unter den-gegenwärtigen Um¬
ständen ist es jedoch das platte Land allein, welches den sittlichen und materiellen
Zustand Oberschlesiens charakterisirt.

Was sofort in die Augen fällt ist die ungleiche Vertheilung des Grund¬
besitzes. In der That besteht in keinem Theile der preußischen Monarchie ein
so schroffer, unvermittelter Gegensatz zwischen dem großen und kleinen Land¬
besitze. Große Gütcrcomplere, zum Theil durch fideicommissarische Bestimmungen
befestigt, befinden sich in den Händen einzelner. Zu mehren derselben
gehören Waldungen von 100,000 Morgen und darüber und die Verwerthung
der letztern durch Hohöfen, Frischfeuer :c. bildet die Haupteinnahme der ober-
schlesischen Herren. — Die eigentliche Landwirthschaft wird zwar von einzelnen
Pächtern und Administratoren mit viel Intelligenz und großen Mitteln, meisten-
theils aber nur als Nebensache betrieben. — Kleinere Herrengüter, in dem Um¬
fange, um nicht mehr als die leitende Thätigkeit ihres Eigenthümers, diese aber
auch vollständig in Anspruch zu nehmen, wie solche in andern Provinzen zu
wahren Musterwirtschaften geführt haben, gibt es hier nur in sehr geringer Zahl.
Und zwischen solchen Gütern und dem rein bäuerlichen Grundbesitz, dessen
Größe es bedingt, daß die Feldbestellung im wesentlichen durch die eignen Hände
des Besitzers und seiner Familie erfolgt, besteht noch immer eine weite Klust,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/422>, abgerufen am 26.06.2024.