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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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Nichelieus doch viel weniger getroffen, als das irgendeines frühern Roman-
schreibers, selbst den frivolen Dumas nicht ausgenommen. Es würde uns daher
zweckmäßig erscheinen, .wenn sie sich von dem Roman der Geschichte wieder
zum Roman des Herzens zurückwenden wollte. --


Ein Schriftstell erleben. Briefe der Verfasserin von Godwin-Castle an ihren
Verleger. Mit dem Porträt der Verfasserin. Brcslcnl, Joseph Max und
Comp. --

Der Verleger von "Godwie-Castle" veröffentlicht hier seinen Briefwechsel
mit der Verfasserin; ein ungewöhnliches Unternehmen, das aber insofern seine
Berechtigung hat, als Frau Paalzow während ihres Lebens geflissentlich allen
biographischen Notizen aus dem Wege gegangen ist, aus einem innern Wider¬
willen gegen alle schriftstellernden Frauen, den wir an ihr wohl begreifen. --
Henriette Wach wurde 1788 in Berlin geboren. Schon in ihrer Jugend
wurde sie im Atelier ihres Bruders, des berühmten Malers Wilhelm Wach,
mit der älteren Prinzeß Wilhelm bekannt, die sich lebhaft und dauernd für sie
interessirte, ihr die höchsten Zirkel der Aristokratie aufschloß und bis an ihren
Tod ihre wohlwollende Beschützerin blieb. Auf den Wunsch ihrer Familie ver-
heirathete sie sich an den Major Paalzow; die Ehe mußte aber nach fünfjähriger
Dauer gelöst werden. Nach dem Tode ihrer Mutter und der Rückkehr ihres
Bruders aus Italien lebte sie mit demselben gemeinschaftlich in Berlin. 1836
schrieb sie den Roman "Godwie-Castle", und der Buchhändler Max, der den
Verlag desselben übernahm, 1836, kam dadurch zu ihr in ein dauerndes Freund¬
schaftsverhältniß. Die Verfasserin hatte strenge Anonymität gewünscht, aber
der vornehmen Welt in Berlin, mit der sie in engster Berührung stand, konnte ihr
Name nicht verborgen bleiben. Die Prinzeß Wilhelm führte den Roman bei Hofe
ein, und hier entstand sehr bald eine allgemeine Begeisterung, die nicht blos von
den damaligen Prinzen und den übrigen Angehörigen der Königsfamilie, sondern
auch von namhaften Gelehrten, Geistlichen und dergleichen getheilt wurde. Nur
eine Dame aus der höheren Gesellschaft machte gegen diesen Erfolg lebhafte
Opposition, Karoline von Woltmann, deren großes Talent schon aus den Me¬
moiren des Freiherrn von Heß hervorgeht. Bereits 1840 erschien von Godwie-
Castle die dritte Auflage.-- Ein dramatischer Versuch: "Maria Nadasti" (1837)
fand aus dem Theater keinen Eingang, doch wurde er später (1846) in Hellers
"Perlen" abgedruckt. -- 1838 schrieb Frau Paalzow ihren zweiten Roman:
"Se. Noche", der einen gleichen Erfolg erlebte, aber grade weil die Kreise des
Hoff und der Aristokratie nicht blos in Preußen, sondern in ganz Deutschland,
Frankreich, Nußland u. f. w. sich so lebhaft dafür interessirten, sing die Kritik,
die doch meistens d'er liberalen Richtung angehörte, an, dagegen lebhafte Oppo¬
sition zu machen. -- Mit dem dritten Roman: "Thomas Tyrnau", wurde


Grenzbvte". I. 62

Nichelieus doch viel weniger getroffen, als das irgendeines frühern Roman-
schreibers, selbst den frivolen Dumas nicht ausgenommen. Es würde uns daher
zweckmäßig erscheinen, .wenn sie sich von dem Roman der Geschichte wieder
zum Roman des Herzens zurückwenden wollte. —


Ein Schriftstell erleben. Briefe der Verfasserin von Godwin-Castle an ihren
Verleger. Mit dem Porträt der Verfasserin. Brcslcnl, Joseph Max und
Comp. —

Der Verleger von „Godwie-Castle" veröffentlicht hier seinen Briefwechsel
mit der Verfasserin; ein ungewöhnliches Unternehmen, das aber insofern seine
Berechtigung hat, als Frau Paalzow während ihres Lebens geflissentlich allen
biographischen Notizen aus dem Wege gegangen ist, aus einem innern Wider¬
willen gegen alle schriftstellernden Frauen, den wir an ihr wohl begreifen. —
Henriette Wach wurde 1788 in Berlin geboren. Schon in ihrer Jugend
wurde sie im Atelier ihres Bruders, des berühmten Malers Wilhelm Wach,
mit der älteren Prinzeß Wilhelm bekannt, die sich lebhaft und dauernd für sie
interessirte, ihr die höchsten Zirkel der Aristokratie aufschloß und bis an ihren
Tod ihre wohlwollende Beschützerin blieb. Auf den Wunsch ihrer Familie ver-
heirathete sie sich an den Major Paalzow; die Ehe mußte aber nach fünfjähriger
Dauer gelöst werden. Nach dem Tode ihrer Mutter und der Rückkehr ihres
Bruders aus Italien lebte sie mit demselben gemeinschaftlich in Berlin. 1836
schrieb sie den Roman „Godwie-Castle", und der Buchhändler Max, der den
Verlag desselben übernahm, 1836, kam dadurch zu ihr in ein dauerndes Freund¬
schaftsverhältniß. Die Verfasserin hatte strenge Anonymität gewünscht, aber
der vornehmen Welt in Berlin, mit der sie in engster Berührung stand, konnte ihr
Name nicht verborgen bleiben. Die Prinzeß Wilhelm führte den Roman bei Hofe
ein, und hier entstand sehr bald eine allgemeine Begeisterung, die nicht blos von
den damaligen Prinzen und den übrigen Angehörigen der Königsfamilie, sondern
auch von namhaften Gelehrten, Geistlichen und dergleichen getheilt wurde. Nur
eine Dame aus der höheren Gesellschaft machte gegen diesen Erfolg lebhafte
Opposition, Karoline von Woltmann, deren großes Talent schon aus den Me¬
moiren des Freiherrn von Heß hervorgeht. Bereits 1840 erschien von Godwie-
Castle die dritte Auflage.— Ein dramatischer Versuch: „Maria Nadasti" (1837)
fand aus dem Theater keinen Eingang, doch wurde er später (1846) in Hellers
„Perlen" abgedruckt. — 1838 schrieb Frau Paalzow ihren zweiten Roman:
„Se. Noche", der einen gleichen Erfolg erlebte, aber grade weil die Kreise des
Hoff und der Aristokratie nicht blos in Preußen, sondern in ganz Deutschland,
Frankreich, Nußland u. f. w. sich so lebhaft dafür interessirten, sing die Kritik,
die doch meistens d'er liberalen Richtung angehörte, an, dagegen lebhafte Oppo¬
sition zu machen. — Mit dem dritten Roman: „Thomas Tyrnau", wurde


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[0417] Nichelieus doch viel weniger getroffen, als das irgendeines frühern Roman- schreibers, selbst den frivolen Dumas nicht ausgenommen. Es würde uns daher zweckmäßig erscheinen, .wenn sie sich von dem Roman der Geschichte wieder zum Roman des Herzens zurückwenden wollte. — Ein Schriftstell erleben. Briefe der Verfasserin von Godwin-Castle an ihren Verleger. Mit dem Porträt der Verfasserin. Brcslcnl, Joseph Max und Comp. — Der Verleger von „Godwie-Castle" veröffentlicht hier seinen Briefwechsel mit der Verfasserin; ein ungewöhnliches Unternehmen, das aber insofern seine Berechtigung hat, als Frau Paalzow während ihres Lebens geflissentlich allen biographischen Notizen aus dem Wege gegangen ist, aus einem innern Wider¬ willen gegen alle schriftstellernden Frauen, den wir an ihr wohl begreifen. — Henriette Wach wurde 1788 in Berlin geboren. Schon in ihrer Jugend wurde sie im Atelier ihres Bruders, des berühmten Malers Wilhelm Wach, mit der älteren Prinzeß Wilhelm bekannt, die sich lebhaft und dauernd für sie interessirte, ihr die höchsten Zirkel der Aristokratie aufschloß und bis an ihren Tod ihre wohlwollende Beschützerin blieb. Auf den Wunsch ihrer Familie ver- heirathete sie sich an den Major Paalzow; die Ehe mußte aber nach fünfjähriger Dauer gelöst werden. Nach dem Tode ihrer Mutter und der Rückkehr ihres Bruders aus Italien lebte sie mit demselben gemeinschaftlich in Berlin. 1836 schrieb sie den Roman „Godwie-Castle", und der Buchhändler Max, der den Verlag desselben übernahm, 1836, kam dadurch zu ihr in ein dauerndes Freund¬ schaftsverhältniß. Die Verfasserin hatte strenge Anonymität gewünscht, aber der vornehmen Welt in Berlin, mit der sie in engster Berührung stand, konnte ihr Name nicht verborgen bleiben. Die Prinzeß Wilhelm führte den Roman bei Hofe ein, und hier entstand sehr bald eine allgemeine Begeisterung, die nicht blos von den damaligen Prinzen und den übrigen Angehörigen der Königsfamilie, sondern auch von namhaften Gelehrten, Geistlichen und dergleichen getheilt wurde. Nur eine Dame aus der höheren Gesellschaft machte gegen diesen Erfolg lebhafte Opposition, Karoline von Woltmann, deren großes Talent schon aus den Me¬ moiren des Freiherrn von Heß hervorgeht. Bereits 1840 erschien von Godwie- Castle die dritte Auflage.— Ein dramatischer Versuch: „Maria Nadasti" (1837) fand aus dem Theater keinen Eingang, doch wurde er später (1846) in Hellers „Perlen" abgedruckt. — 1838 schrieb Frau Paalzow ihren zweiten Roman: „Se. Noche", der einen gleichen Erfolg erlebte, aber grade weil die Kreise des Hoff und der Aristokratie nicht blos in Preußen, sondern in ganz Deutschland, Frankreich, Nußland u. f. w. sich so lebhaft dafür interessirten, sing die Kritik, die doch meistens d'er liberalen Richtung angehörte, an, dagegen lebhafte Oppo¬ sition zu machen. — Mit dem dritten Roman: „Thomas Tyrnau", wurde Grenzbvte». I. 62

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/417>, abgerufen am 26.06.2024.