Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Dialogs zwischen Johanna und ihrem Geliebten, der vor ihr kniet und sie
fragt, wie die Lerche lebt. Johanna hat ihn nämlich aufgefordert, mit ihr
zu leben, wie die Lerchen.


Johanna.

Die kleine Lerche lebt so still und fromm,
Daß mancher Mensch, der sich als Schövfnngskonig
Was Großes dünkt, --'

Gnilford.

Du straffe zu hart!

Ipsa n n a.

Sie lebt
So eingezogen wie das wahre Glück,
Ein Eremit des Feldes, an die Blumen
Im Korn die ewge Morgenpredigt richtend,
Dazu die Orgel spielt in ihrer Brust.
Und doch auch wieder lebt die kleine Lcrch',
Ob Herold auch der eignen Majestät,
Als wahrer Fürst, und jene Menschen, Dudley, --

Gnilford.

Du! Du!

Die großen Schöpfnngskonige, --
Verstund ihr Blick der Armuth Schah zu schätze", --
Beim Himmel, Dudley! ihren Scepter würfen
Sie nach des Himmels Stirn -- denn sein Augapfel
Ist jede Lerch'! -- und schrien- herab mit dir,
Hvchmüthigc Beherrscherin der Lüste!

Johann a. Gnilford.

Nur all mir ihre Königspracht gemalt!

Ioha n n a.

Ruu -- ihr Thronhimmel ist der Himmel selbst,
Im Ost die goldigrothe Woll ihr Thron;
Reichsapfel ihr die Sonn --

Gnilford.

Und was der Mond?

Joh an na.

Der Offizier, mit Wach in hellen Waffen
Spät Nachts an ihrer Hoheit Schlafgemach
Aorübcrwaudelnd.


Der Thurm des Sisebut behandelt den Verrath des westgothischen Reichs
an die Araber durch den Grafen Julian. Der Dichter hat die historische
Genremalerei vollständig beiseitegelassen und statt dessen sich aus das ernst¬
hafteste bemüht, seine dramatische Komposition auch bühnengerecht zu machen.
Von dieser Seite können wir ihm vollkommen beipflichten und müssen außer¬
dem auch noch die Sprache rühmen, die im ganzen .würdig gehalten ist,
wenn ihr auch etwas mehr Natürlichkeit zu wünschen wäre. Tadeln müssen
wir dagegen, daß er die dramatischen Motive zu sehr verwirrt hat: -I) Gras
Julian kann wol trotz seines entschiedenen Patriotismus in der Leidenschaft
zu einem Landesverrat!) getrieben werden, wenn sein König, den er ohnehin
nicht hochschätzen kann, seine treuen Dienste dadurch belohnt, daß er ihn an
seiner Ehre kränkt. Daß dann die schlimmen Folgen des Verraths auch aus
den Verräther vernichtend zurückwirken müssen, grade weil er nicht ganz ver¬
dorben ist, das hat schon Shakespeare in seinem Coriolan auf das glänzendste
dargestellt. Unzweckmäßig ist es aber, sein Rachegefühl durch höhere politi¬
sche Motive zu beschönigen, ihn den Sieg der Araber als eine verzweifelte


Dialogs zwischen Johanna und ihrem Geliebten, der vor ihr kniet und sie
fragt, wie die Lerche lebt. Johanna hat ihn nämlich aufgefordert, mit ihr
zu leben, wie die Lerchen.


Johanna.

Die kleine Lerche lebt so still und fromm,
Daß mancher Mensch, der sich als Schövfnngskonig
Was Großes dünkt, —'

Gnilford.

Du straffe zu hart!

Ipsa n n a.

Sie lebt
So eingezogen wie das wahre Glück,
Ein Eremit des Feldes, an die Blumen
Im Korn die ewge Morgenpredigt richtend,
Dazu die Orgel spielt in ihrer Brust.
Und doch auch wieder lebt die kleine Lcrch',
Ob Herold auch der eignen Majestät,
Als wahrer Fürst, und jene Menschen, Dudley, —

Gnilford.

Du! Du!

Die großen Schöpfnngskonige, —
Verstund ihr Blick der Armuth Schah zu schätze», —
Beim Himmel, Dudley! ihren Scepter würfen
Sie nach des Himmels Stirn — denn sein Augapfel
Ist jede Lerch'! — und schrien- herab mit dir,
Hvchmüthigc Beherrscherin der Lüste!

Johann a. Gnilford.

Nur all mir ihre Königspracht gemalt!

Ioha n n a.

Ruu — ihr Thronhimmel ist der Himmel selbst,
Im Ost die goldigrothe Woll ihr Thron;
Reichsapfel ihr die Sonn —

Gnilford.

Und was der Mond?

Joh an na.

Der Offizier, mit Wach in hellen Waffen
Spät Nachts an ihrer Hoheit Schlafgemach
Aorübcrwaudelnd.


Der Thurm des Sisebut behandelt den Verrath des westgothischen Reichs
an die Araber durch den Grafen Julian. Der Dichter hat die historische
Genremalerei vollständig beiseitegelassen und statt dessen sich aus das ernst¬
hafteste bemüht, seine dramatische Komposition auch bühnengerecht zu machen.
Von dieser Seite können wir ihm vollkommen beipflichten und müssen außer¬
dem auch noch die Sprache rühmen, die im ganzen .würdig gehalten ist,
wenn ihr auch etwas mehr Natürlichkeit zu wünschen wäre. Tadeln müssen
wir dagegen, daß er die dramatischen Motive zu sehr verwirrt hat: -I) Gras
Julian kann wol trotz seines entschiedenen Patriotismus in der Leidenschaft
zu einem Landesverrat!) getrieben werden, wenn sein König, den er ohnehin
nicht hochschätzen kann, seine treuen Dienste dadurch belohnt, daß er ihn an
seiner Ehre kränkt. Daß dann die schlimmen Folgen des Verraths auch aus
den Verräther vernichtend zurückwirken müssen, grade weil er nicht ganz ver¬
dorben ist, das hat schon Shakespeare in seinem Coriolan auf das glänzendste
dargestellt. Unzweckmäßig ist es aber, sein Rachegefühl durch höhere politi¬
sche Motive zu beschönigen, ihn den Sieg der Araber als eine verzweifelte


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0398" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/99250"/>
          <p xml:id="ID_1409" prev="#ID_1408"> Dialogs zwischen Johanna und ihrem Geliebten, der vor ihr kniet und sie<lb/>
fragt, wie die Lerche lebt. Johanna hat ihn nämlich aufgefordert, mit ihr<lb/>
zu leben, wie die Lerchen.</p><lb/>
          <quote>
            <note type="speaker"> Johanna.</note>
            <p xml:id="ID_1410"> Die kleine Lerche lebt so still und fromm,<lb/>
Daß mancher Mensch, der sich als Schövfnngskonig<lb/>
Was Großes dünkt, &#x2014;'</p>
            <note type="speaker"> Gnilford.</note>
            <p xml:id="ID_1411"> Du straffe zu hart!</p>
            <note type="speaker"> Ipsa n n a.</note>
            <p xml:id="ID_1412"> Sie lebt<lb/>
So eingezogen wie das wahre Glück,<lb/>
Ein Eremit des Feldes, an die Blumen<lb/>
Im Korn die ewge Morgenpredigt richtend,<lb/>
Dazu die Orgel spielt in ihrer Brust.<lb/>
Und doch auch wieder lebt die kleine Lcrch',<lb/>
Ob Herold auch der eignen Majestät,<lb/>
Als wahrer Fürst, und jene Menschen, Dudley, &#x2014;</p>
            <note type="speaker"> Gnilford.</note>
            <p xml:id="ID_1413"> Du! Du!</p>
            <p xml:id="ID_1414"> Die großen Schöpfnngskonige, &#x2014;<lb/>
Verstund ihr Blick der Armuth Schah zu schätze», &#x2014;<lb/>
Beim Himmel, Dudley! ihren Scepter würfen<lb/>
Sie nach des Himmels Stirn &#x2014; denn sein Augapfel<lb/>
Ist jede Lerch'! &#x2014; und schrien- herab mit dir,<lb/>
Hvchmüthigc Beherrscherin der Lüste!</p>
            <note type="speaker"> Johann a.</note>
            <note type="speaker"> Gnilford.</note>
            <p xml:id="ID_1415"> Nur all mir ihre Königspracht gemalt!</p>
            <note type="speaker"> Ioha n n a.</note>
            <p xml:id="ID_1416"> Ruu &#x2014; ihr Thronhimmel ist der Himmel selbst,<lb/>
Im Ost die goldigrothe Woll ihr Thron;<lb/>
Reichsapfel ihr die Sonn &#x2014;</p>
            <note type="speaker"> Gnilford.</note>
            <p xml:id="ID_1417"> Und was der Mond?</p>
            <note type="speaker"> Joh an na.</note>
            <p xml:id="ID_1418"> Der Offizier, mit Wach in hellen Waffen<lb/>
Spät Nachts an ihrer Hoheit Schlafgemach<lb/>
Aorübcrwaudelnd.</p>
          </quote><lb/>
          <p xml:id="ID_1419" next="#ID_1420"> Der Thurm des Sisebut behandelt den Verrath des westgothischen Reichs<lb/>
an die Araber durch den Grafen Julian. Der Dichter hat die historische<lb/>
Genremalerei vollständig beiseitegelassen und statt dessen sich aus das ernst¬<lb/>
hafteste bemüht, seine dramatische Komposition auch bühnengerecht zu machen.<lb/>
Von dieser Seite können wir ihm vollkommen beipflichten und müssen außer¬<lb/>
dem auch noch die Sprache rühmen, die im ganzen .würdig gehalten ist,<lb/>
wenn ihr auch etwas mehr Natürlichkeit zu wünschen wäre. Tadeln müssen<lb/>
wir dagegen, daß er die dramatischen Motive zu sehr verwirrt hat: -I) Gras<lb/>
Julian kann wol trotz seines entschiedenen Patriotismus in der Leidenschaft<lb/>
zu einem Landesverrat!) getrieben werden, wenn sein König, den er ohnehin<lb/>
nicht hochschätzen kann, seine treuen Dienste dadurch belohnt, daß er ihn an<lb/>
seiner Ehre kränkt. Daß dann die schlimmen Folgen des Verraths auch aus<lb/>
den Verräther vernichtend zurückwirken müssen, grade weil er nicht ganz ver¬<lb/>
dorben ist, das hat schon Shakespeare in seinem Coriolan auf das glänzendste<lb/>
dargestellt. Unzweckmäßig ist es aber, sein Rachegefühl durch höhere politi¬<lb/>
sche Motive zu beschönigen, ihn den Sieg der Araber als eine verzweifelte</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0398] Dialogs zwischen Johanna und ihrem Geliebten, der vor ihr kniet und sie fragt, wie die Lerche lebt. Johanna hat ihn nämlich aufgefordert, mit ihr zu leben, wie die Lerchen. Johanna. Die kleine Lerche lebt so still und fromm, Daß mancher Mensch, der sich als Schövfnngskonig Was Großes dünkt, —' Gnilford. Du straffe zu hart! Ipsa n n a. Sie lebt So eingezogen wie das wahre Glück, Ein Eremit des Feldes, an die Blumen Im Korn die ewge Morgenpredigt richtend, Dazu die Orgel spielt in ihrer Brust. Und doch auch wieder lebt die kleine Lcrch', Ob Herold auch der eignen Majestät, Als wahrer Fürst, und jene Menschen, Dudley, — Gnilford. Du! Du! Die großen Schöpfnngskonige, — Verstund ihr Blick der Armuth Schah zu schätze», — Beim Himmel, Dudley! ihren Scepter würfen Sie nach des Himmels Stirn — denn sein Augapfel Ist jede Lerch'! — und schrien- herab mit dir, Hvchmüthigc Beherrscherin der Lüste! Johann a. Gnilford. Nur all mir ihre Königspracht gemalt! Ioha n n a. Ruu — ihr Thronhimmel ist der Himmel selbst, Im Ost die goldigrothe Woll ihr Thron; Reichsapfel ihr die Sonn — Gnilford. Und was der Mond? Joh an na. Der Offizier, mit Wach in hellen Waffen Spät Nachts an ihrer Hoheit Schlafgemach Aorübcrwaudelnd. Der Thurm des Sisebut behandelt den Verrath des westgothischen Reichs an die Araber durch den Grafen Julian. Der Dichter hat die historische Genremalerei vollständig beiseitegelassen und statt dessen sich aus das ernst¬ hafteste bemüht, seine dramatische Komposition auch bühnengerecht zu machen. Von dieser Seite können wir ihm vollkommen beipflichten und müssen außer¬ dem auch noch die Sprache rühmen, die im ganzen .würdig gehalten ist, wenn ihr auch etwas mehr Natürlichkeit zu wünschen wäre. Tadeln müssen wir dagegen, daß er die dramatischen Motive zu sehr verwirrt hat: -I) Gras Julian kann wol trotz seines entschiedenen Patriotismus in der Leidenschaft zu einem Landesverrat!) getrieben werden, wenn sein König, den er ohnehin nicht hochschätzen kann, seine treuen Dienste dadurch belohnt, daß er ihn an seiner Ehre kränkt. Daß dann die schlimmen Folgen des Verraths auch aus den Verräther vernichtend zurückwirken müssen, grade weil er nicht ganz ver¬ dorben ist, das hat schon Shakespeare in seinem Coriolan auf das glänzendste dargestellt. Unzweckmäßig ist es aber, sein Rachegefühl durch höhere politi¬ sche Motive zu beschönigen, ihn den Sieg der Araber als eine verzweifelte

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/398
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/398>, abgerufen am 26.06.2024.