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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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Das Drama von Schloenbach führen wir hier an, um zu zeigen/mit
welchem Ernst von unsern Dichtern, welche die Charakteristik einer bestimmten
historischen Zeit zu ihrem Vorwurf nehmen, die Vorstudien betrieben werden.
Wir können das Beispiel um so eher anführen, da der Dichter sein Drama
sowol vor dem gebildeten Publicum Leipzigs, als vor dem Hof zu Weimar
vorgelesen hat, und da er von den dramatischen Notabilitäten Deutschlands,
z. B. von Hebbel und Gutzkow, als ebenbürtig betrachtet wird. -- Das Stück
spielt im Anfang des 6. Jahrhunderts und hat, abgesehen von andern In¬
triguen, den Kampf zwischen dem Heidenthum und Christenthum zum Gegen¬
stand; man sollte also erwarten, daß sich der Dichter zur Ausführung desselben
an die Geschichte gewandt und über den Bildungszustand dieser Uebergangs¬
periode sich deutliche Vorstellungen gemacht hätte. Nun führt er gleich zu
Anfang drei thüringische Honoratioren, einen Adeling, einen Ebeling und einen
Freiling vor den Altar des Wodan, sie knien nieder und der eine sagt: "Wodan,
ich opfere dir den Kopf eines Feindes;" der andre: "Wodan, ich opfere einen
Auerochsen;" der dritte: "Wodan, mein GebetI" Sie machen nachher ihre
Reflexionen über die Götter, und als der dritte bemerkt, er habe sein Gebet
geopfert, so meint der eine, das wäre das Billigste, und jener erwidert: Wodan
sieht aufs Herz. -- Wo in aller Welt hat der Dichter diese Vorstellungen her!
Nun aber weiter.


Aber es ist doch auch gut, daß wir noch so Götter für uns allein haben. So der Eine,
Einzige, Große: der ist eben zu groß, zu heilig; mit dem kann man nicht so von der Leber
weg sprechen. Aber so einen Gott, den man fürs Haus braucht --

Ja, ja! So vou Hand zu Mund. Und da haben wir daheim den Krodo, das ist Euch
ein prächtiger Gott-

Geh mir doch mit Deinem Krodo, Deiner Kröte! Ah, da ist unser Püstrich doch viel
besser.

Mit Eurem dickbäuchigen Püstrich! Laßt Euch nicht auslachen.

DaS leid ich nicht.

Was streitet Ihr denn da! Das weiß doch jeder schnftige Leibeigene, daß unser Viel der
beste Gott ist-

Euer fischschwäuziger Viel! Oho!

Für den geb ich uicht ein Haar.

Ihr werdet Haare lassen müssen, wenn Ihr das "och einmal sagt.

Püstrich der Beste!

Krodo der Beste!

(Alle gehen drohend aufeinander los.)

Halt! Da fällt mir ein: ehe wir uns die Köpfe entzweischlagen, laßt uns das doch wie
gescheidte Männer ausmachen: wir wollen drum würfeln. Wer die meiste" Augen wirft, hat
den besten Gott.

Gut! sehr gut!

Wo aber Würfel?

Hier! So was führt ein ordentlicher Maun stets bei sich. Also, -- aufgepaßt! Ich fange
an -- der Viel hat fünfzehn!

Viel für den Viel. -- Da -- Donner -- der Püstrich hat auch funfzehn!

Her mit! Schwerenoth! Der Krodo ebensoviel.


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Das Drama von Schloenbach führen wir hier an, um zu zeigen/mit
welchem Ernst von unsern Dichtern, welche die Charakteristik einer bestimmten
historischen Zeit zu ihrem Vorwurf nehmen, die Vorstudien betrieben werden.
Wir können das Beispiel um so eher anführen, da der Dichter sein Drama
sowol vor dem gebildeten Publicum Leipzigs, als vor dem Hof zu Weimar
vorgelesen hat, und da er von den dramatischen Notabilitäten Deutschlands,
z. B. von Hebbel und Gutzkow, als ebenbürtig betrachtet wird. — Das Stück
spielt im Anfang des 6. Jahrhunderts und hat, abgesehen von andern In¬
triguen, den Kampf zwischen dem Heidenthum und Christenthum zum Gegen¬
stand; man sollte also erwarten, daß sich der Dichter zur Ausführung desselben
an die Geschichte gewandt und über den Bildungszustand dieser Uebergangs¬
periode sich deutliche Vorstellungen gemacht hätte. Nun führt er gleich zu
Anfang drei thüringische Honoratioren, einen Adeling, einen Ebeling und einen
Freiling vor den Altar des Wodan, sie knien nieder und der eine sagt: „Wodan,
ich opfere dir den Kopf eines Feindes;" der andre: „Wodan, ich opfere einen
Auerochsen;" der dritte: „Wodan, mein GebetI" Sie machen nachher ihre
Reflexionen über die Götter, und als der dritte bemerkt, er habe sein Gebet
geopfert, so meint der eine, das wäre das Billigste, und jener erwidert: Wodan
sieht aufs Herz. — Wo in aller Welt hat der Dichter diese Vorstellungen her!
Nun aber weiter.


Aber es ist doch auch gut, daß wir noch so Götter für uns allein haben. So der Eine,
Einzige, Große: der ist eben zu groß, zu heilig; mit dem kann man nicht so von der Leber
weg sprechen. Aber so einen Gott, den man fürs Haus braucht —

Ja, ja! So vou Hand zu Mund. Und da haben wir daheim den Krodo, das ist Euch
ein prächtiger Gott-

Geh mir doch mit Deinem Krodo, Deiner Kröte! Ah, da ist unser Püstrich doch viel
besser.

Mit Eurem dickbäuchigen Püstrich! Laßt Euch nicht auslachen.

DaS leid ich nicht.

Was streitet Ihr denn da! Das weiß doch jeder schnftige Leibeigene, daß unser Viel der
beste Gott ist-

Euer fischschwäuziger Viel! Oho!

Für den geb ich uicht ein Haar.

Ihr werdet Haare lassen müssen, wenn Ihr das »och einmal sagt.

Püstrich der Beste!

Krodo der Beste!

(Alle gehen drohend aufeinander los.)

Halt! Da fällt mir ein: ehe wir uns die Köpfe entzweischlagen, laßt uns das doch wie
gescheidte Männer ausmachen: wir wollen drum würfeln. Wer die meiste» Augen wirft, hat
den besten Gott.

Gut! sehr gut!

Wo aber Würfel?

Hier! So was führt ein ordentlicher Maun stets bei sich. Also, — aufgepaßt! Ich fange
an — der Viel hat fünfzehn!

Viel für den Viel. — Da — Donner — der Püstrich hat auch funfzehn!

Her mit! Schwerenoth! Der Krodo ebensoviel.


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[0395] Das Drama von Schloenbach führen wir hier an, um zu zeigen/mit welchem Ernst von unsern Dichtern, welche die Charakteristik einer bestimmten historischen Zeit zu ihrem Vorwurf nehmen, die Vorstudien betrieben werden. Wir können das Beispiel um so eher anführen, da der Dichter sein Drama sowol vor dem gebildeten Publicum Leipzigs, als vor dem Hof zu Weimar vorgelesen hat, und da er von den dramatischen Notabilitäten Deutschlands, z. B. von Hebbel und Gutzkow, als ebenbürtig betrachtet wird. — Das Stück spielt im Anfang des 6. Jahrhunderts und hat, abgesehen von andern In¬ triguen, den Kampf zwischen dem Heidenthum und Christenthum zum Gegen¬ stand; man sollte also erwarten, daß sich der Dichter zur Ausführung desselben an die Geschichte gewandt und über den Bildungszustand dieser Uebergangs¬ periode sich deutliche Vorstellungen gemacht hätte. Nun führt er gleich zu Anfang drei thüringische Honoratioren, einen Adeling, einen Ebeling und einen Freiling vor den Altar des Wodan, sie knien nieder und der eine sagt: „Wodan, ich opfere dir den Kopf eines Feindes;" der andre: „Wodan, ich opfere einen Auerochsen;" der dritte: „Wodan, mein GebetI" Sie machen nachher ihre Reflexionen über die Götter, und als der dritte bemerkt, er habe sein Gebet geopfert, so meint der eine, das wäre das Billigste, und jener erwidert: Wodan sieht aufs Herz. — Wo in aller Welt hat der Dichter diese Vorstellungen her! Nun aber weiter. Aber es ist doch auch gut, daß wir noch so Götter für uns allein haben. So der Eine, Einzige, Große: der ist eben zu groß, zu heilig; mit dem kann man nicht so von der Leber weg sprechen. Aber so einen Gott, den man fürs Haus braucht — Ja, ja! So vou Hand zu Mund. Und da haben wir daheim den Krodo, das ist Euch ein prächtiger Gott- Geh mir doch mit Deinem Krodo, Deiner Kröte! Ah, da ist unser Püstrich doch viel besser. Mit Eurem dickbäuchigen Püstrich! Laßt Euch nicht auslachen. DaS leid ich nicht. Was streitet Ihr denn da! Das weiß doch jeder schnftige Leibeigene, daß unser Viel der beste Gott ist- Euer fischschwäuziger Viel! Oho! Für den geb ich uicht ein Haar. Ihr werdet Haare lassen müssen, wenn Ihr das »och einmal sagt. Püstrich der Beste! Krodo der Beste! (Alle gehen drohend aufeinander los.) Halt! Da fällt mir ein: ehe wir uns die Köpfe entzweischlagen, laßt uns das doch wie gescheidte Männer ausmachen: wir wollen drum würfeln. Wer die meiste» Augen wirft, hat den besten Gott. Gut! sehr gut! Wo aber Würfel? Hier! So was führt ein ordentlicher Maun stets bei sich. Also, — aufgepaßt! Ich fange an — der Viel hat fünfzehn! Viel für den Viel. — Da — Donner — der Püstrich hat auch funfzehn! Her mit! Schwerenoth! Der Krodo ebensoviel. 49*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/395>, abgerufen am 26.06.2024.