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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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erhöhung oder als ausländischer hoher Adel, oder wie immer z. B. dadurch, daß
die erbberechtigten Agnaten des fürstlichen Hauses die Ehe mit einer Frau von
niederem Stande genehm hießen, es auf stiftömäßige Ahnenprobe nicht mehr
ankomme. Haben die Agnaten eine angeblich standeöungleiche Ehe aber einmal
gebilligt, ausdrücklich oder stillschweigend, so können sie den Kindern die Rechts-
wirkungen, einer für standesmäßig anerkannten Abstammung nicht mehr bestreiten.
Am wenigsten können solche Agnaten eine Ehe als Mißheiratl) anfechten, welche
selbst aus Ehen gleicher Art, also von Ahnfrauen desselben oder sogar noch tie¬
feren Ranges und Standes abstammen. Andre fürstliche Personen können so¬
dann mit Kindern aus solchen Ehen oder mit deren Descendenz unbedenklich
Ehen eingehen, ohne den Vorwurf befürchten zu müssen, daß eine solche als
eine unstandesmäßige oder Mißheirath angefochten würde. Niemand sah eine
Mißheiratl) darin, als sich der Herzog Karl Friedrich von Holstein mit der schon
erwähnten Tochter Peters des Großen, Anna, vermählte und niemand machte
dessen mit ihr erzeugten Sohn Karl Peter Ulrich, nachmaligen Kaiser Peter III.
die Sucession in den holsteinischen Landestheilen streitig.

Umsomehr Aufsehen mußte es deshalb machen, daß in neuester Zeit die Eben¬
bürtigkeit der sonderburgschen und augustenburgschen Linie des oldenburgischen
Gesamm'thauses in Bezug aus die Descendenz der Gräfin Sophie von Ahlefeld,
und hauptsächlich der Gräfin Friederike Louise von Danesciold angefochten
wurde. Dies Grafengeschlecht stammt von einem natürlichen Sohne des Königs
Christian V. von Dänemark ab, der unter dem Namen eines Grafen von Gül-
dcnlö.we legitimirt und dessen legitime Descendenz zu Grafen von Danesciold
Samson erklärt und mit besonderem Range und allerlei Vorrechten beschenkt
worden war. Es mußte der Fall umsomehr überraschen, als es in keinem
Hause leichter als in dem oldenburgischen Gesammthause darzuthun ist, daß
Ehen mit Frauen von niedrem Adel hier niemals als Mißheirathen betrachtet
worden sind. In einem Zeitraume von nicht ganz 130 Jahren finden sich
gegen zwanzig Ehen, die mit adeligen Frauen geschlossen wurden, und dazu
kommen noch Is Ehen mit Personen, welche zwar fürstlichen Stand hatten,
jedoch aus ungleichen Ehen abstammten.

Wollte man demnach die in ungleicher Ehe erzeugten Descendenten für suc¬
cessionsunfähig erklären, so würde unter allen jetzt lebenden Mitgliedern des
Gesammthauses kein einziges zu finden sein, welches hinreichend legitimirt wäre,
ja selbst dem Kaiser von Nußland und dem Großherzog von Oldenburg würde
die Ebenbürtigkeit mangeln.

Daß deshalb die Nachfolge in den Herzogthümern Schleswig-Holstein ge¬
waltsam enschieden werden sollte, hat seine gewaltsamen Folgen gehabt. Haben
die europäischen Großmächte sodann die Uebergehung der augustenburgschen
Linie bei der künstigen Thronfolge in dem Königreiche Dänemark und den


erhöhung oder als ausländischer hoher Adel, oder wie immer z. B. dadurch, daß
die erbberechtigten Agnaten des fürstlichen Hauses die Ehe mit einer Frau von
niederem Stande genehm hießen, es auf stiftömäßige Ahnenprobe nicht mehr
ankomme. Haben die Agnaten eine angeblich standeöungleiche Ehe aber einmal
gebilligt, ausdrücklich oder stillschweigend, so können sie den Kindern die Rechts-
wirkungen, einer für standesmäßig anerkannten Abstammung nicht mehr bestreiten.
Am wenigsten können solche Agnaten eine Ehe als Mißheiratl) anfechten, welche
selbst aus Ehen gleicher Art, also von Ahnfrauen desselben oder sogar noch tie¬
feren Ranges und Standes abstammen. Andre fürstliche Personen können so¬
dann mit Kindern aus solchen Ehen oder mit deren Descendenz unbedenklich
Ehen eingehen, ohne den Vorwurf befürchten zu müssen, daß eine solche als
eine unstandesmäßige oder Mißheirath angefochten würde. Niemand sah eine
Mißheiratl) darin, als sich der Herzog Karl Friedrich von Holstein mit der schon
erwähnten Tochter Peters des Großen, Anna, vermählte und niemand machte
dessen mit ihr erzeugten Sohn Karl Peter Ulrich, nachmaligen Kaiser Peter III.
die Sucession in den holsteinischen Landestheilen streitig.

Umsomehr Aufsehen mußte es deshalb machen, daß in neuester Zeit die Eben¬
bürtigkeit der sonderburgschen und augustenburgschen Linie des oldenburgischen
Gesamm'thauses in Bezug aus die Descendenz der Gräfin Sophie von Ahlefeld,
und hauptsächlich der Gräfin Friederike Louise von Danesciold angefochten
wurde. Dies Grafengeschlecht stammt von einem natürlichen Sohne des Königs
Christian V. von Dänemark ab, der unter dem Namen eines Grafen von Gül-
dcnlö.we legitimirt und dessen legitime Descendenz zu Grafen von Danesciold
Samson erklärt und mit besonderem Range und allerlei Vorrechten beschenkt
worden war. Es mußte der Fall umsomehr überraschen, als es in keinem
Hause leichter als in dem oldenburgischen Gesammthause darzuthun ist, daß
Ehen mit Frauen von niedrem Adel hier niemals als Mißheirathen betrachtet
worden sind. In einem Zeitraume von nicht ganz 130 Jahren finden sich
gegen zwanzig Ehen, die mit adeligen Frauen geschlossen wurden, und dazu
kommen noch Is Ehen mit Personen, welche zwar fürstlichen Stand hatten,
jedoch aus ungleichen Ehen abstammten.

Wollte man demnach die in ungleicher Ehe erzeugten Descendenten für suc¬
cessionsunfähig erklären, so würde unter allen jetzt lebenden Mitgliedern des
Gesammthauses kein einziges zu finden sein, welches hinreichend legitimirt wäre,
ja selbst dem Kaiser von Nußland und dem Großherzog von Oldenburg würde
die Ebenbürtigkeit mangeln.

Daß deshalb die Nachfolge in den Herzogthümern Schleswig-Holstein ge¬
waltsam enschieden werden sollte, hat seine gewaltsamen Folgen gehabt. Haben
die europäischen Großmächte sodann die Uebergehung der augustenburgschen
Linie bei der künstigen Thronfolge in dem Königreiche Dänemark und den


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[0380] erhöhung oder als ausländischer hoher Adel, oder wie immer z. B. dadurch, daß die erbberechtigten Agnaten des fürstlichen Hauses die Ehe mit einer Frau von niederem Stande genehm hießen, es auf stiftömäßige Ahnenprobe nicht mehr ankomme. Haben die Agnaten eine angeblich standeöungleiche Ehe aber einmal gebilligt, ausdrücklich oder stillschweigend, so können sie den Kindern die Rechts- wirkungen, einer für standesmäßig anerkannten Abstammung nicht mehr bestreiten. Am wenigsten können solche Agnaten eine Ehe als Mißheiratl) anfechten, welche selbst aus Ehen gleicher Art, also von Ahnfrauen desselben oder sogar noch tie¬ feren Ranges und Standes abstammen. Andre fürstliche Personen können so¬ dann mit Kindern aus solchen Ehen oder mit deren Descendenz unbedenklich Ehen eingehen, ohne den Vorwurf befürchten zu müssen, daß eine solche als eine unstandesmäßige oder Mißheirath angefochten würde. Niemand sah eine Mißheiratl) darin, als sich der Herzog Karl Friedrich von Holstein mit der schon erwähnten Tochter Peters des Großen, Anna, vermählte und niemand machte dessen mit ihr erzeugten Sohn Karl Peter Ulrich, nachmaligen Kaiser Peter III. die Sucession in den holsteinischen Landestheilen streitig. Umsomehr Aufsehen mußte es deshalb machen, daß in neuester Zeit die Eben¬ bürtigkeit der sonderburgschen und augustenburgschen Linie des oldenburgischen Gesamm'thauses in Bezug aus die Descendenz der Gräfin Sophie von Ahlefeld, und hauptsächlich der Gräfin Friederike Louise von Danesciold angefochten wurde. Dies Grafengeschlecht stammt von einem natürlichen Sohne des Königs Christian V. von Dänemark ab, der unter dem Namen eines Grafen von Gül- dcnlö.we legitimirt und dessen legitime Descendenz zu Grafen von Danesciold Samson erklärt und mit besonderem Range und allerlei Vorrechten beschenkt worden war. Es mußte der Fall umsomehr überraschen, als es in keinem Hause leichter als in dem oldenburgischen Gesammthause darzuthun ist, daß Ehen mit Frauen von niedrem Adel hier niemals als Mißheirathen betrachtet worden sind. In einem Zeitraume von nicht ganz 130 Jahren finden sich gegen zwanzig Ehen, die mit adeligen Frauen geschlossen wurden, und dazu kommen noch Is Ehen mit Personen, welche zwar fürstlichen Stand hatten, jedoch aus ungleichen Ehen abstammten. Wollte man demnach die in ungleicher Ehe erzeugten Descendenten für suc¬ cessionsunfähig erklären, so würde unter allen jetzt lebenden Mitgliedern des Gesammthauses kein einziges zu finden sein, welches hinreichend legitimirt wäre, ja selbst dem Kaiser von Nußland und dem Großherzog von Oldenburg würde die Ebenbürtigkeit mangeln. Daß deshalb die Nachfolge in den Herzogthümern Schleswig-Holstein ge¬ waltsam enschieden werden sollte, hat seine gewaltsamen Folgen gehabt. Haben die europäischen Großmächte sodann die Uebergehung der augustenburgschen Linie bei der künstigen Thronfolge in dem Königreiche Dänemark und den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/380>, abgerufen am 26.06.2024.