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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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Daß aber noch im 16. Jahrhundert von der. Praxis und namentlich
von Selten des Reichsoberhauptes selbst die Grundsätze des römischen Rechtes
als die allein gesetzlich maßgebenden hinsichtlich der Rechtswirkungen der Ehen
betrachtet wurden, geht ganz unzweifelhaft daraus hervor, wie der Kaiser
Ferdinand I. die Ehe seines Sohnes, des Erzherzogs Ferdinand, mit Philippine
Welser aus Augsburg ansah. Durch die Verbindung eines Erzherzogs mit
einer Bürgerlichen war der Stolz des Hauses Habsburg auf das empfindlichste
getroffen und der Kaiser war darüber tief entrüstet. Allein in der Urkunde
vom 13. September 1S61, worin derselbe seine Entschließung über diese Ehe
kundgibt, wird als rechtlicher Grund, aus welchem der Kaiser die Ehe seines
Sohnes als nicht zu Recht bestehend zu betrachten hätte, keineswegs die Un-
standesmäßigkeit der Ehe angeführt, sondern lediglich der äölioicms oonsensus
Mtrls, der Umstand, daß diese Heirath ohne des Kaisers Wissen und Willen
geschlossen worden sei. Aus väterlicher Gnade ließ der Kaiser sodann den
civilrechtlichen Gesichtspunkt ruhen und er stellte es der'(den Fall milder be¬
urtheilenden) Kirche anheim, ob sie der ohne seine Genehmigung geschlossenen
Ehe Giltigkeit beilegen wolle. Für sich mußte der Kaiser aber consequenter-
weise anerkennen, und er erkannte wirklich an,' daß die Ehe nach Wegfall der
civilrechtlichen Verfolgung für die Kinder alle Wirkungen einer vollen rechten
Ehe haben werde. Um das jedoch trotz der Begnadigung der Ehe selbst zu
verhüten, griff der Kaiser zu seiner kaiserlichen Machtvollkommenheit und
dervgirte vermöge derselben allen Rechten, "welche von der Kinder Succession
Meldung thun, oder auch denselben eine gewisse Legitima bestimmen;" jedoch
nur auf solange, als ebenbürtiger Mannsstamm des Hauses Oestreich vor¬
handen sein würde. Sonderbar genug ist das Verfahren; aber es beweist
wenigstens, daß im 16. Jahrhundert sogar bei fürstlichen Ehen mit bürgerlichen
Frauen nur die römischrechtlichen Grundsätze entscheidend waren. Hätte damals
bereits ein gemeines Herkommen in den deutschen Fürstenhäusern bestanden,
welches solche ungleiche Ehen als Mißheirathen mit bestimmten rechtlichen
Nachtheilen für die bürgerliche- oder ritterbürtige Gemahlin und die Kinver zu
erklären erlaubt hätte, so würde Kaiser Ferdinand sicherlich diesen Gesichtspunkt
hervorgehoben haben und er würde nicht nöthig gehabt haben, einen Act der
Willkür vorzunehmen, hinsichtlich dessen es keineswegs unzweifelhaft war, ob
derselbe nicht mit Bezug auf einen Artikel der kaiserlichen Wahlcapitulation
vor den Reichsgerichten mit Erfolg als nichtig angefochten werden konnte.

Einzelne Beispiele kommen im Verlaufe des 13. bis 18. Jahrhunderts in
verschiedenen hohen Häusern vor, wo die Ehe eines Fürsten mit einer adeligen
oder bürgerlichen Frau und die Erbfolge ihrer Kinder angefochten wurde. Indeß
sind die Fälle gänzlich auszuscheiden, wo die morganatische Klausel den Ausschluß
von der Erbfolge herbeiführte. Und in den übrigen Fällen bleibt es vielfach


Daß aber noch im 16. Jahrhundert von der. Praxis und namentlich
von Selten des Reichsoberhauptes selbst die Grundsätze des römischen Rechtes
als die allein gesetzlich maßgebenden hinsichtlich der Rechtswirkungen der Ehen
betrachtet wurden, geht ganz unzweifelhaft daraus hervor, wie der Kaiser
Ferdinand I. die Ehe seines Sohnes, des Erzherzogs Ferdinand, mit Philippine
Welser aus Augsburg ansah. Durch die Verbindung eines Erzherzogs mit
einer Bürgerlichen war der Stolz des Hauses Habsburg auf das empfindlichste
getroffen und der Kaiser war darüber tief entrüstet. Allein in der Urkunde
vom 13. September 1S61, worin derselbe seine Entschließung über diese Ehe
kundgibt, wird als rechtlicher Grund, aus welchem der Kaiser die Ehe seines
Sohnes als nicht zu Recht bestehend zu betrachten hätte, keineswegs die Un-
standesmäßigkeit der Ehe angeführt, sondern lediglich der äölioicms oonsensus
Mtrls, der Umstand, daß diese Heirath ohne des Kaisers Wissen und Willen
geschlossen worden sei. Aus väterlicher Gnade ließ der Kaiser sodann den
civilrechtlichen Gesichtspunkt ruhen und er stellte es der'(den Fall milder be¬
urtheilenden) Kirche anheim, ob sie der ohne seine Genehmigung geschlossenen
Ehe Giltigkeit beilegen wolle. Für sich mußte der Kaiser aber consequenter-
weise anerkennen, und er erkannte wirklich an,' daß die Ehe nach Wegfall der
civilrechtlichen Verfolgung für die Kinder alle Wirkungen einer vollen rechten
Ehe haben werde. Um das jedoch trotz der Begnadigung der Ehe selbst zu
verhüten, griff der Kaiser zu seiner kaiserlichen Machtvollkommenheit und
dervgirte vermöge derselben allen Rechten, „welche von der Kinder Succession
Meldung thun, oder auch denselben eine gewisse Legitima bestimmen;" jedoch
nur auf solange, als ebenbürtiger Mannsstamm des Hauses Oestreich vor¬
handen sein würde. Sonderbar genug ist das Verfahren; aber es beweist
wenigstens, daß im 16. Jahrhundert sogar bei fürstlichen Ehen mit bürgerlichen
Frauen nur die römischrechtlichen Grundsätze entscheidend waren. Hätte damals
bereits ein gemeines Herkommen in den deutschen Fürstenhäusern bestanden,
welches solche ungleiche Ehen als Mißheirathen mit bestimmten rechtlichen
Nachtheilen für die bürgerliche- oder ritterbürtige Gemahlin und die Kinver zu
erklären erlaubt hätte, so würde Kaiser Ferdinand sicherlich diesen Gesichtspunkt
hervorgehoben haben und er würde nicht nöthig gehabt haben, einen Act der
Willkür vorzunehmen, hinsichtlich dessen es keineswegs unzweifelhaft war, ob
derselbe nicht mit Bezug auf einen Artikel der kaiserlichen Wahlcapitulation
vor den Reichsgerichten mit Erfolg als nichtig angefochten werden konnte.

Einzelne Beispiele kommen im Verlaufe des 13. bis 18. Jahrhunderts in
verschiedenen hohen Häusern vor, wo die Ehe eines Fürsten mit einer adeligen
oder bürgerlichen Frau und die Erbfolge ihrer Kinder angefochten wurde. Indeß
sind die Fälle gänzlich auszuscheiden, wo die morganatische Klausel den Ausschluß
von der Erbfolge herbeiführte. Und in den übrigen Fällen bleibt es vielfach


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[0375] Daß aber noch im 16. Jahrhundert von der. Praxis und namentlich von Selten des Reichsoberhauptes selbst die Grundsätze des römischen Rechtes als die allein gesetzlich maßgebenden hinsichtlich der Rechtswirkungen der Ehen betrachtet wurden, geht ganz unzweifelhaft daraus hervor, wie der Kaiser Ferdinand I. die Ehe seines Sohnes, des Erzherzogs Ferdinand, mit Philippine Welser aus Augsburg ansah. Durch die Verbindung eines Erzherzogs mit einer Bürgerlichen war der Stolz des Hauses Habsburg auf das empfindlichste getroffen und der Kaiser war darüber tief entrüstet. Allein in der Urkunde vom 13. September 1S61, worin derselbe seine Entschließung über diese Ehe kundgibt, wird als rechtlicher Grund, aus welchem der Kaiser die Ehe seines Sohnes als nicht zu Recht bestehend zu betrachten hätte, keineswegs die Un- standesmäßigkeit der Ehe angeführt, sondern lediglich der äölioicms oonsensus Mtrls, der Umstand, daß diese Heirath ohne des Kaisers Wissen und Willen geschlossen worden sei. Aus väterlicher Gnade ließ der Kaiser sodann den civilrechtlichen Gesichtspunkt ruhen und er stellte es der'(den Fall milder be¬ urtheilenden) Kirche anheim, ob sie der ohne seine Genehmigung geschlossenen Ehe Giltigkeit beilegen wolle. Für sich mußte der Kaiser aber consequenter- weise anerkennen, und er erkannte wirklich an,' daß die Ehe nach Wegfall der civilrechtlichen Verfolgung für die Kinder alle Wirkungen einer vollen rechten Ehe haben werde. Um das jedoch trotz der Begnadigung der Ehe selbst zu verhüten, griff der Kaiser zu seiner kaiserlichen Machtvollkommenheit und dervgirte vermöge derselben allen Rechten, „welche von der Kinder Succession Meldung thun, oder auch denselben eine gewisse Legitima bestimmen;" jedoch nur auf solange, als ebenbürtiger Mannsstamm des Hauses Oestreich vor¬ handen sein würde. Sonderbar genug ist das Verfahren; aber es beweist wenigstens, daß im 16. Jahrhundert sogar bei fürstlichen Ehen mit bürgerlichen Frauen nur die römischrechtlichen Grundsätze entscheidend waren. Hätte damals bereits ein gemeines Herkommen in den deutschen Fürstenhäusern bestanden, welches solche ungleiche Ehen als Mißheirathen mit bestimmten rechtlichen Nachtheilen für die bürgerliche- oder ritterbürtige Gemahlin und die Kinver zu erklären erlaubt hätte, so würde Kaiser Ferdinand sicherlich diesen Gesichtspunkt hervorgehoben haben und er würde nicht nöthig gehabt haben, einen Act der Willkür vorzunehmen, hinsichtlich dessen es keineswegs unzweifelhaft war, ob derselbe nicht mit Bezug auf einen Artikel der kaiserlichen Wahlcapitulation vor den Reichsgerichten mit Erfolg als nichtig angefochten werden konnte. Einzelne Beispiele kommen im Verlaufe des 13. bis 18. Jahrhunderts in verschiedenen hohen Häusern vor, wo die Ehe eines Fürsten mit einer adeligen oder bürgerlichen Frau und die Erbfolge ihrer Kinder angefochten wurde. Indeß sind die Fälle gänzlich auszuscheiden, wo die morganatische Klausel den Ausschluß von der Erbfolge herbeiführte. Und in den übrigen Fällen bleibt es vielfach

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/375>, abgerufen am 26.06.2024.