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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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falte und "zum Segen" werde, wie grade dieser Verein, der in alle Schichten
des Volks, in das religiöse Element, wie in den Kunstgeschmack eingreife.
Der Klerus verfehlte nicht, diese Andeutungen möglichst zu verbreiten, wenn¬
gleich die Prinzessin der Mutterkirche nicht angehört.

Nächst diesen hier aufgeführten Verbindungen arbeiten mit katholisch-kirch¬
lichen Tendenzen die schon im Eingange dieses Berichts erwähnten Vereine
zur Erweiterung der katholischen Presse und in Mäßigkeitsangelegenheiten.
Wenn auch dieser Stoff noch sehr ausgiebig ist, so scheint es doch im Inter¬
esse der Leser jetzt gerathen, von der Besprechung der Vereinsbestrebungen auf
ein anderes, nicht minder Pikantes darbietendes Gebiet überzugehen.

Die Missionen und geistlichen Exercitien.

Von einem Winkel Oberschlesiens aus waren von Johannes Norge einige
Briese in die Welt geschickt worden, die der damals herrschenden Zeitrichtung
Nach in confessionellen Dingen des Tumultes genug gemacht hatten; die poli¬
tischen Bewegungen, welche den Februartagen von 18i8 folgten, schienen noch
erfolgreicher, als der Begründer des Deutschkatholicismus an den dogmatischen
Institutionen Roms zu rütteln -- da brach endlich die so früh nicht erwartete
Neactionsflut sich Bahn und nun erinnerte man sich daran, wie hohe Zeit
es sei, der eingerissenen Glaubenslosigkeit mit außerordentlichen Mitteln sich
entgegenzuwerfen.

Die seit einigen Jahren in den Hintergrund gedrängte Hierarchie fand
die Gouvernements geneigt, ihnen freie Hand zu lassen und großartige
Volksmissionen wurden eingeleitet, um durch die Beredtsamkeit lebenser¬
fahrner Ordensgeistlichen, die sich bereits in> .der Welt umgesehen hatten, dem
religiösen Jndifferentismus in der deutschen Nation ein Ziel zu setzen und
Abtrünnige der versöhnlichen Kirche wiederzugewinnen. Ueber die Bedeu¬
tung solcher Volksmissionen verschafft uns ein Eingeweihter, Dr. Buß, befrie¬
digenden Aufschluß, dessen Erläuterungen, welche den Geschichtsbüchern un¬
serer Zeit einverleibt zu werden verdienen, wir der Kenntniß unserer Leser hier¬
mit zugänglich machen.

Die Volksmisston, welche bei katholischen Gemeinden in der Regel acht
bis vierzehn Tage dauert, wird am Vorabend des Beginnes feierlich einge¬
läutet. Mit frühestem Morgen, belehrt uns unser Gewährsmann, werden
von zahlreichen Priestern die heiligen Messen dargebracht. Während des er¬
sten heiligen Meßopfers wird von der Kanzel laut mit dem "Volke" gebetet
für alle "Anliegen". Diese besondern heiligen Messen werden mit dem Wun¬
sche abgehalten, Gott möge zu der Misstonsauöführung seinen Segen und
den anwesenden Gläubigen Erleuchtung und Gnade -- wie es heißt -- "zur
wichtigsten Arbeit ihrer Seele" geben. -- Während der ersten heiligen Messe
wird die "öffentliche Gewissenserforschung" mit dem "Volke" vorgenommen über


falte und „zum Segen" werde, wie grade dieser Verein, der in alle Schichten
des Volks, in das religiöse Element, wie in den Kunstgeschmack eingreife.
Der Klerus verfehlte nicht, diese Andeutungen möglichst zu verbreiten, wenn¬
gleich die Prinzessin der Mutterkirche nicht angehört.

Nächst diesen hier aufgeführten Verbindungen arbeiten mit katholisch-kirch¬
lichen Tendenzen die schon im Eingange dieses Berichts erwähnten Vereine
zur Erweiterung der katholischen Presse und in Mäßigkeitsangelegenheiten.
Wenn auch dieser Stoff noch sehr ausgiebig ist, so scheint es doch im Inter¬
esse der Leser jetzt gerathen, von der Besprechung der Vereinsbestrebungen auf
ein anderes, nicht minder Pikantes darbietendes Gebiet überzugehen.

Die Missionen und geistlichen Exercitien.

Von einem Winkel Oberschlesiens aus waren von Johannes Norge einige
Briese in die Welt geschickt worden, die der damals herrschenden Zeitrichtung
Nach in confessionellen Dingen des Tumultes genug gemacht hatten; die poli¬
tischen Bewegungen, welche den Februartagen von 18i8 folgten, schienen noch
erfolgreicher, als der Begründer des Deutschkatholicismus an den dogmatischen
Institutionen Roms zu rütteln — da brach endlich die so früh nicht erwartete
Neactionsflut sich Bahn und nun erinnerte man sich daran, wie hohe Zeit
es sei, der eingerissenen Glaubenslosigkeit mit außerordentlichen Mitteln sich
entgegenzuwerfen.

Die seit einigen Jahren in den Hintergrund gedrängte Hierarchie fand
die Gouvernements geneigt, ihnen freie Hand zu lassen und großartige
Volksmissionen wurden eingeleitet, um durch die Beredtsamkeit lebenser¬
fahrner Ordensgeistlichen, die sich bereits in> .der Welt umgesehen hatten, dem
religiösen Jndifferentismus in der deutschen Nation ein Ziel zu setzen und
Abtrünnige der versöhnlichen Kirche wiederzugewinnen. Ueber die Bedeu¬
tung solcher Volksmissionen verschafft uns ein Eingeweihter, Dr. Buß, befrie¬
digenden Aufschluß, dessen Erläuterungen, welche den Geschichtsbüchern un¬
serer Zeit einverleibt zu werden verdienen, wir der Kenntniß unserer Leser hier¬
mit zugänglich machen.

Die Volksmisston, welche bei katholischen Gemeinden in der Regel acht
bis vierzehn Tage dauert, wird am Vorabend des Beginnes feierlich einge¬
läutet. Mit frühestem Morgen, belehrt uns unser Gewährsmann, werden
von zahlreichen Priestern die heiligen Messen dargebracht. Während des er¬
sten heiligen Meßopfers wird von der Kanzel laut mit dem „Volke" gebetet
für alle „Anliegen". Diese besondern heiligen Messen werden mit dem Wun¬
sche abgehalten, Gott möge zu der Misstonsauöführung seinen Segen und
den anwesenden Gläubigen Erleuchtung und Gnade — wie es heißt — „zur
wichtigsten Arbeit ihrer Seele" geben. — Während der ersten heiligen Messe
wird die „öffentliche Gewissenserforschung" mit dem „Volke" vorgenommen über


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[0358] falte und „zum Segen" werde, wie grade dieser Verein, der in alle Schichten des Volks, in das religiöse Element, wie in den Kunstgeschmack eingreife. Der Klerus verfehlte nicht, diese Andeutungen möglichst zu verbreiten, wenn¬ gleich die Prinzessin der Mutterkirche nicht angehört. Nächst diesen hier aufgeführten Verbindungen arbeiten mit katholisch-kirch¬ lichen Tendenzen die schon im Eingange dieses Berichts erwähnten Vereine zur Erweiterung der katholischen Presse und in Mäßigkeitsangelegenheiten. Wenn auch dieser Stoff noch sehr ausgiebig ist, so scheint es doch im Inter¬ esse der Leser jetzt gerathen, von der Besprechung der Vereinsbestrebungen auf ein anderes, nicht minder Pikantes darbietendes Gebiet überzugehen. Die Missionen und geistlichen Exercitien. Von einem Winkel Oberschlesiens aus waren von Johannes Norge einige Briese in die Welt geschickt worden, die der damals herrschenden Zeitrichtung Nach in confessionellen Dingen des Tumultes genug gemacht hatten; die poli¬ tischen Bewegungen, welche den Februartagen von 18i8 folgten, schienen noch erfolgreicher, als der Begründer des Deutschkatholicismus an den dogmatischen Institutionen Roms zu rütteln — da brach endlich die so früh nicht erwartete Neactionsflut sich Bahn und nun erinnerte man sich daran, wie hohe Zeit es sei, der eingerissenen Glaubenslosigkeit mit außerordentlichen Mitteln sich entgegenzuwerfen. Die seit einigen Jahren in den Hintergrund gedrängte Hierarchie fand die Gouvernements geneigt, ihnen freie Hand zu lassen und großartige Volksmissionen wurden eingeleitet, um durch die Beredtsamkeit lebenser¬ fahrner Ordensgeistlichen, die sich bereits in> .der Welt umgesehen hatten, dem religiösen Jndifferentismus in der deutschen Nation ein Ziel zu setzen und Abtrünnige der versöhnlichen Kirche wiederzugewinnen. Ueber die Bedeu¬ tung solcher Volksmissionen verschafft uns ein Eingeweihter, Dr. Buß, befrie¬ digenden Aufschluß, dessen Erläuterungen, welche den Geschichtsbüchern un¬ serer Zeit einverleibt zu werden verdienen, wir der Kenntniß unserer Leser hier¬ mit zugänglich machen. Die Volksmisston, welche bei katholischen Gemeinden in der Regel acht bis vierzehn Tage dauert, wird am Vorabend des Beginnes feierlich einge¬ läutet. Mit frühestem Morgen, belehrt uns unser Gewährsmann, werden von zahlreichen Priestern die heiligen Messen dargebracht. Während des er¬ sten heiligen Meßopfers wird von der Kanzel laut mit dem „Volke" gebetet für alle „Anliegen". Diese besondern heiligen Messen werden mit dem Wun¬ sche abgehalten, Gott möge zu der Misstonsauöführung seinen Segen und den anwesenden Gläubigen Erleuchtung und Gnade — wie es heißt — „zur wichtigsten Arbeit ihrer Seele" geben. — Während der ersten heiligen Messe wird die „öffentliche Gewissenserforschung" mit dem „Volke" vorgenommen über

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/358>, abgerufen am 26.06.2024.